Die Kurzgeschichten der Videospiele

by Satzhüterin Pia

Video­spiele für den PC wer­den nicht nur immer belieb­ter, son­dern auch in Gra­fik und Game­play ste­tig aus­ge­feil­ter. Neben den gro­ßen vir­tu­el­len Wel­ten, die lan­gen Roma­nen ähneln, gibt es seit jeher die klei­ne­ren Jump’n’Run-Spielchen – die Kurz­ge­schich­ten der Video­spiele. Satz­hü­te­rin Pia stellt euch das Genre und ein paar loh­nens­werte Spiele näher vor.

Zuerst ein­mal: Was ist eigent­lich ein Jump’n’Run-Spiel? Der eng­li­sche Begriff Jump’n’Run, zu Deutsch „spring und lauf“, bezeich­net sehr genau, um was für eine Art von Spiel es sich han­delt. Der Blick auf die Spiel­fi­gur bleibt immer gleich, wenn man mit ihr bis auf wenige Aus­nah­men von links nach rechts durch die meist zwei­di­men­sio­nale Welt läuft – und springt. Tat­säch­lich ist der Begriff Jump’n’Run im Eng­li­schen unüb­lich und die Spiele wer­den dort „Plat­form game“ genannt – springt und läuft die Spiel­fi­gur doch auf ver­schie­de­nen Platt­for­men. Auch in Deutsch­land fin­den sich die Spiele hin und wie­der unter dem abge­kürz­ten Begriff „Plat­for­mer“.

Anfänge…

Ange­fan­gen hat alles mit „Don­key Kong“. Als 1981 das Arcade-Spiel – also Spiel­hal­len­au­to­ma­ten­spiel – erschien, hat es zukünf­ti­gen Jump’n’Run-Spielen eine voll­kom­men neue Rich­tung gege­ben und die Grund­lage nach der heu­ti­gen Defi­ni­tion gelegt. Das Spiel um den bekann­ten Gorilla aus der Super-Mario-Reihe hat erst­mals Hin­ter­grund­ge­schich­ten und Film­se­quen­zen ein­ge­führt, die das Spiel zu einer rich­ti­gen klei­nen Geschichte machen. Einer Kurzgeschichte.

…und Anfor­de­run­gen

Geschick­lich­keit und eine gute Hand-Augen-Koor­di­na­tion sind gefragt, möchte man die jewei­lige Spiel­fi­gur sicher durch die auf­ga­ben­rei­che Land­schaft manö­vrie­ren. Aber damit alleine ist es noch nicht getan, denn die Auf­ga­ben und Rät­sel, vor die die Spie­ler gestellt wer­den, for­dern viel Hirn­schmalz. So wer­den viele Jump’n’Run-Spiele zusätz­lich mit dem Genre Denk­sport beti­telt. Um sich in eine der vie­len schö­nen inter­ak­ti­ven Kurz­ge­schich­ten fal­len zu las­sen, braucht man nicht den teu­ren Gaming-PC oder zwangs­läu­fig eine der neue­ren Kon­so­len. Dank eines ein­fa­chen Koor­di­na­ti­ons­sys­tems, was Objek­ten einen fes­ten Platz zuschreibt, kann auch ein ein­fa­cher Com­pu­ter genug Leis­tung erbrin­gen. Über­setzt heißt das: Du läufst mit dei­ner Spiel­fi­gur in einer zwei­di­men­sio­na­len Welt von links nach rechts und erst, wenn ein beweg­li­ches, spiel­re­le­van­tes Objekt – zum Bei­spiel ein Geg­ner – ins Bild kommt, agiert die­ser auch.

Litt­le­Big­Pla­net

Gerade in den letz­ten Jah­ren sind Jump’n’Run-Spiele wie­der belieb­ter gewor­den. 2008 kam für die Play­sta­tion der erste Litt­le­Big­Pla­net (LBP)-Teil her­aus, die Nach­fol­ger erschie­nen 2011 und 2014. Spie­ler steu­ern hier kleine Ava­tare, die soge­nann­ten „Sack­boys“ bezie­hungs­weise „Sack­girls“, und kön­nen diese, sowie auch andere Gegen­stände, Häu­ser und Sze­na­rien selbst gestal­ten und der gesam­ten Com­mu­nity zur Ver­fü­gung stel­len. Sehr schön ist hier, dass man zusam­men mit bis zu vier ande­ren Per­so­nen die mehr als 50 Level durch­spie­len kann – sofern die teil­weise sehr kniff­li­gen Rät­sel und Hin­der­nisse geknackt wer­den. Auch optisch macht das bunte und extra nied­li­che Spiel viel her.

LBP_Sony Computer Entertainment Europe

Limbo

Auf Lis­ten der bes­ten Jump’n’Run-Spiele, wie zum Bei­spiel von der Seite games­pi­lot , ist Limbo stets weit oben zu fin­den: ein klei­nes, sehr fei­nes Indie-Spiel. Im Gegen­satz zu dem bun­ten LBP ist Limbo sehr viel düs­te­rer – nicht nur wegen der schwarz-weiß-grauen Optik und der dazu pas­send unter­leg­ten Musik. In der katho­li­schen Theo­lo­gie bezeich­net Lim­bus, wor­auf der Titel des Spiels ver­weist, zwei Orte am Rande der Hölle, an dem See­len hän­gen blei­ben, die unver­schul­det dem Him­mel fern blei­ben müs­sen. Aber auch ohne die­sen Ver­weis wird schnell deut­lich, dass Limbo mit dem klei­nen Jun­gen zwar nied­lich ist, aber eine gru­se­lige Atmo­sphäre hat. Die Errun­gen­schaft „Über­le­bens­kampf“, für die man weni­ger als fünf Mal im Ver­lauf des Spiels ster­ben darf, scheint schnell utopisch.

Es gibt keine Vor­ge­schichte, man erwacht ein­fach als klei­ner, namen­lo­ser Junge – als schwarze Sil­hou­ette und mit leuch­tend wei­ßen Augen – in einem dunk­len Wald und läuft los ins Aben­teuer. Die Steue­rung ist hier­bei denk­bar ein­fach: Lau­fen, Sprin­gen, Grei­fen. Und den­noch kom­men Spie­ler schnell an ihre Gren­zen, denn auch hier sind Geschick­lich­keit, schnelle Reak­tio­nen, flinke Fin­ger und ein wacher Ver­stand gefragt. Bären­fal­len und Geg­ner wie Spin­nen sind oft ver­steckt und die Ster­be­sze­nen als Sil­hou­ette, wei­ter­hin in Grau­stu­fen, durch­weg grau­sam dar­ge­stellt. Die Auf­lö­sung der Geschichte ver­söhnt aber mit dem har­ten Weg, den der kleine Junge gehen musste, und lässt den­noch Raum für Inter­pre­ta­tio­nen – mehr soll an die­ser Stelle nicht ver­ra­ten sein.

Limbo_Playdead Studios_Screenshot Pia

Max – the Curse of Brotherhood

Wie­der deut­lich bun­ter, aber viel­leicht sogar noch kniff­li­ger ist das Spiel „Max – the Curse of Bro­the­r­ood“. Hier spielt man den klei­nen Jun­gen Max, der von sei­nem Bru­der genervt wünscht, die­ser würde ein­fach ver­schwin­den. Also sucht er einen Zau­ber im Inter­net her­aus – der wider Erwar­ten funk­tio­niert. Erschro­cken über sich selbst und die gru­se­lige Mons­ter­ge­stalt, die sei­nen Bru­der durch ein Por­tal zieht, springt er kurz­ent­schlos­sen hin­ter­her und los geht das Abenteuer.

Auch hier ist das Spiel unkom­pli­ziert zu steu­ern – auf den ers­ten Blick. In den sie­ben Kapi­teln mit zusam­men 20 Leveln hat Max‘ Zau­ber­stift – aus dem ers­ten Teil „Max and the Magic Mar­ker“ schon bekannt – unter­schied­li­che Kräfte. Er kann Säu­len aus dem Boden erhe­ben, Seile ent­ste­hen oder Äste wach­sen las­sen und Was­ser­stru­del zeich­nen. Dabei ist lange nicht so klar, was als nächs­tes gemacht wer­den muss, wie es jetzt viel­leicht klin­gen mag. Zusätz­lich gibt es zeit­kri­ti­sche Momente, in denen die Szene in Zeit­lupe gezeigt wird und Spie­ler schnellst­mög­lich oder aber im genau rich­ti­gen Moment eine Liane oder ähn­li­ches zeich­nen müs­sen, um nicht zu ster­ben oder um ein­fach nur wei­ter­zu­kom­men. Die ver­schie­de­nen Umge­bun­gen in den ein­zel­nen Kapi­teln bie­ten viele opti­sche High­lights. Ob Max sei­nen klei­nen Bru­der ret­ten kann?

Max-the curse of brotherhood_Press Play --Microsoft Studios_screenshot Pia

Unra­vel

Erst in die­sem Jahr erschien das Spiel „Unra­vel“ – zu Deutsch ent­wir­ren oder ent­kno­ten. Spie­le­risch ähnelt es Limbo, optisch eher LBP. Hier spielt man Yarny, eine Figur aus roter Wolle, die ent­steht, als eine alte, ver­bit­tert wir­kende Frau ihr Woll­knäuel fal­len lässt. Nun macht Yarny sich auf, die Erin­ne­run­gen der alten Frau wie­der­zu­fin­den. Im Gegen­satz zu Limbo und Max sind die ein­zel­nen Kapi­tel hier über ein inter­ak­ti­ves Menü zu errei­chen und nicht fort­lau­fend in einer Geschichte erzählt. Eine wei­tere Beson­der­heit ist, dass Yarny in sei­ner Eigen­schaft als per­so­ni­fi­zier­tes Woll­knäuel die Sub­stanz aus­geht. So müs­sen Spie­ler zusätz­lich zu den Auf­ga­ben und Rät­seln dar­auf ach­ten, dass sie einen Woll­fa­den hin­ter sich her­zie­hen und recht­zei­tig ein neues Woll­knäuel fin­den, um Yarny wie­der aufzufüllen.

Fürs Auge… und für Herz und Seele

Beson­ders diese Jump’n’Run-Spiele sind nicht nur was fürs Auge, son­dern auch – oder beson­ders – etwas für Herz und Seele. Max, der sei­nen Bru­der ret­ten möchte, der kleine Junge aus Limbo (des­sen Auf­trag hier nicht ver­ra­ten wer­den kann, ohne das Ende vor­weg zu neh­men), Yarny aus Unra­vel, der einer alten, gram­vol­len Frau die Erin­ne­run­gen wie­der­brin­gen möchte... Beson­ders Yarny ist eine Figur, die Spie­ler berührt und mit einer zau­ber­haf­ten Bot­schaft über­zeugt, und nicht mit einem revo­lu­tio­nä­ren Game­play. Wie viel Liebe zum Detail die schwe­di­schen Ent­wick­ler Cold­wood Inter­ac­tive in ihren Prot­ago­nis­ten gesteckt haben, zeigt auch ein Video mit der Anlei­tung dazu, wie man sich sei­nen eige­nen Yarny bas­teln kann.
Aber nicht nur die Geschich­ten, die Game­plays und die Opti­ken der Spiele wis­sen zu begeis­tern. Es wären keine Kurz­ge­schich­ten, wenn die Spiele nicht auch kurz wären. Für man­che ein Manko, finde ich die spa­ßi­gen, begrenz­ten Stun­den an Spiel­zeit ange­nehm. Bei Limbo sind es nur etwa drei Stun­den, bis das Spiel durch­ge­spielt ist, bei Max und Yarny immer­hin um die sieben.

Wem Limbo so gut gefällt wie mir, kann sich auf eine bal­dige Ver­öf­fent­li­chung von „Inside“ freuen. Die Limbo Macher Play­dead Stu­dios brin­gen Anfang Juli die­sen Jah­res ihr zwei­tes Spiel her­aus, des­sen erste Ein­drü­cke stark an Limbo erin­nern und doch laut bis­he­ri­ger Rezen­sio­nen ein ganz eige­nes Spiel dar­stel­len dürfte. Dies­mal auch mit etwas mehr Farbe, wenn auch immer noch düs­ter, und deut­lich mehr Krimi-Charakter.

Yarny selbst­ge­macht: Yarny schmückt auch jedes Bücher­re­gal! (Foto: Pia)

Litt­le­Big­Pla­net. Stu­dio: Media Mole­cule, Sumo Digi­tal (LBP 3). Publis­her: Sony Com­pu­ter Enter­tain­ment. Plattform/Systeme: PS4, PS3, PSP, PS Vita. Genre: Jump’n’Run. 2008. USK 6.
Limbo. Stu­dio: Play­dead Stu­dios, Dou­ble Ele­ven. Publis­her: Micro­soft Game Stu­dios (Xbox 360), Play­dead Stu­dios (PS3, PS4, iOS, Android, Linux), Merge Games (PC, Mac), Hea­dup Games (PC, Mac). Plattform/Systeme: Xbox 360, Xbox One, Play­Sta­tion 3, Play­sta­tion 4, Play­Sta­tion Vita, Wii U, Win­dows, Mac OS X, Linux, iOS, Android. Genre: Denk­spiel, Jump’n’Run. 2010. USK 16.
Max – the Curse of Bro­ther­hood. Stu­dio: Press Play. Publis­her: Micro­soft Stu­dios. Plattformen/Systeme: Xbox One, Xbox 360, Win­dows. Genre: Jump’n’Run. 2013. USK 6.
Unra­vel. Stu­dio: Cold­wood Inter­ac­tive. Publis­her: Elec­tro­nic Arts. Plattformen/Systeme: Win­dows, PS4, Xbox One. 2016. USK 6.

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2 comments

Game over! – Bücherstadt Kurier 12. Dezember 2017 - 19:40

[…] un­se­re Spiel­stra­ße noch ganz am An­fang stand, schrieb ich et­was zu den Kurz­ge­schich­ten un­ter den Vi­deo­spie­len: Jump’n’Run-Spiele. „Lim­bo“, „Un­ra­vel“ oder auch „Max – the Cur­se of […]

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Was sind Open World Games? – Bücherstadt Kurier 22. Februar 2020 - 21:19

[…] immer begrenzt – schon auf­grund ihrer pro­gram­ma­ti­schen Her­kunft. Im Gegen­satz zu Jump’n’Run-Spielen, die einen aus­schließ­li­chen Weg vor­ge­ben, wir­ken viele Spiele wie Open-World-Spiele. […]

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