Die Teestunde im Wald: Ein Vorlesetipp für schwierige Zeiten

by Bücherstadt Kurier

Gleich beim ers­ten Durch­blät­tern ist mir die­ses Bil­der­buch mit einem fein­sin­ni­gen Anklang an das Mär­chen vom Rot­käpp­chen als etwas ganz Beson­de­res auf­ge­fal­len. Aber ich war mir nicht sicher, ob es Kin­dern ebenso gut gefällt. – Von Bücher­städ­te­rin Susanne Brandt

Inzwi­schen kann ich sagen: Tut es! Ich habe es lange nicht mehr erlebt, dass sich Kin­der beim Vor­le­sen – die Jüngs­ten wie die Älte­ren glei­cher­ma­ßen – so inten­siv von der Magie der Geschichte und der atmo­sphä­ri­schen Stim­mig­keit der Illus­tra­tio­nen berüh­ren lassen.

Da stapft ein klei­nes Mäd­chen durch den Schnee, um der Groß­mutter ein Kuchen­pa­ket zu brin­gen, das der Vater zu Hause ver­ges­sen hatte. Ver­mut­lich geht sie den Weg durch den Wald das erste Mal allein. Erst zögert die Mut­ter, dann traut sie ihr zu, dass sie das schaf­fen kann.

Und dann fällt das Mäd­chen. Der Schnee ist weich, aber die Kuchen­schach­tel nimmt Scha­den – und ihr Mut, den Weg allein zu schaf­fen, viel­leicht auch. Als sie sich auf­rap­pelt und ver­sucht, der Spur des Vaters zu fol­gen, kommt sie an ein selt­sa­mes Haus und wird von einer lus­ti­gen Tier­ge­sell­schaft zum Tee geladen…

Spä­tes­tens jetzt sind die Kin­der ganz tief drin in der Magie die­ses neuen alten Mär­chens, haben sich schon auf dem Weg dort­hin gut in die Not des Mäd­chens hin­ein­ver­set­zen kön­nen. Und nun sind sie fas­zi­niert von der fröh­li­chen Tee­runde mit Musik, die das Mäd­chen so freund­lich auf­nimmt und am Ende sogar – mit frisch gepack­tem Kuchen­pa­ket – bis zum Haus der Groß­mutter beglei­tet. End­lich am Ziel, möchte sich das Mäd­chen noch­mal zu den Tie­ren umdre­hen. Aber da ist nur noch der große dunkle Wald, der nun hin­ter ihr liegt.

In einer Rezen­sion zum Buch heißt es tref­fend: „Das Schwie­rigste daran, Kin­der alleine etwas unter­neh­men zu las­sen, ist, ihnen die Mög­lich­keit zuzu­ge­ste­hen, dass es nicht klappt.“ (Globe and Mail, Toronto)

Mag sein, dass die Kin­der genau das spü­ren: Das Mäd­chen wird nicht – wie in vie­len ande­ren Bil­der­bü­chern – zur Super­hel­din, die ihre Angst über­win­det und am Ende alles schafft. Beim Sturz im Schnee kommt sie an ihre Gren­zen. Und dass sie am Ende doch noch wohl­be­hal­ten bei der Groß­mutter ankommt, ist nicht auf eigene Super­kräfte zurück­zu­füh­ren. Sie hat auf Hilfe gehofft und sie auf wun­der­same Weise erhalten.

Immer wie­der haben mich die Kin­der am Ende gebe­ten, das Buch noch­mal durch­zu­blät­tern und inne­zu­hal­ten bei den Dop­pel­sei­ten mit der freund­li­chen Tier­ge­mein­schaft, von der nie­mand weiß, wo sie her­ge­kom­men und wo sie am Ende geblie­ben ist. Als woll­ten sie sich ver­ge­wis­sern, dass das alles tat­säch­lich so pas­siert sein könnte. Wer weiß…

Die Tee­stunde im Wald. Akiko Miya­ko­shi. Über­setzt aus dem Japa­ni­schen von Karo­line Hering. Carl Auer Ver­lag. 2019.

Weiterlesen

Leave a Comment

Diese Seite verwendet Cookies. Mit der Nutzung unserer Website erklärst du dich damit einverstanden, dass wir Cookies verwenden. OK Erfahre mehr