Dreifacher Salto zwischen die Stühle

by Seitenkünstler Aaron

Der Nord­Süd Ver­lag prä­sen­tiert im hüb­schen Schu­ber die Tri­lo­gie „Drei­eck Qua­drat Kreis“, geschrie­ben von Mac Bar­nett und illus­triert von Jon Klas­sen. Sei­ten­künst­ler Aaron zupft die Bücher aus ihrer schi­cken Schale und wirft einen prü­fen­den Blick darauf.

Das Kon­zept ist ein­fach: Drei Geschich­ten erzäh­len von drei Erleb­nis­sen jeweils einer per­so­ni­fi­zier­ten Form, wobei Kreis, Qua­drat und Drei­eck eine Freun­des­cli­que bil­den. Es gibt keine vor­ge­ge­bene Rei­hen­folge, denn jedes Buch kann für sich ste­hen, obwohl alle zusam­men bes­ser funktionieren.

Kurze, ernste Erzäh­lun­gen über … was eigentlich?

Die Gescheh­nisse sind bis auf die jewei­lige Pointe sim­pel und sehr leicht nach­voll­zieh­bar. Unver­kitscht und dadurch inter­es­sant wer­den unter ande­rem The­men wie Freund­schaft, Angst vor dem Dun­keln und Unvoll­kom­men­heit ange­ris­sen. Was pas­siert, pas­siert hin­ter einem ste­ri­len Vor­hang der Alle­go­rie: Die drei Prot­ago­nis­ten sind äußer­lich unschein­bar, auf ihre For­men redu­ziert und die­nen so als Pro­jek­ti­ons­flä­chen für die eige­nen Gedan­ken. Sie ver­hal­ten sich sehr mensch­lich – im Sinne von ‚unvoll­kom­men‘. Sie sind keine Hel­den, son­dern schlichte For­men auf der Suche nach Ant­wor­ten. Fra­gen am Ende jeder Geschichte geben einen nach­denk­li­chen und wohl kaum opti­mis­ti­schen Unter­ton mit, wie etwa im Buch „Qua­drat“:

„‚Du bist ein Genie‘, sagte Kreis. Aber war Qua­drat wirk­lich eines?“

Ein Kom­pli­ment wird nicht ein­fach hin­ge­nom­men, son­dern hin­ter­fragt und (Selbst-)Zweifel ange­regt. Hier wer­den keine ein­fa­chen und bereits beant­wor­te­ten Fra­gen gestellt, son­dern ernst­hafte Anre­gun­gen ange­bo­ten. Es wer­den Zugänge zu The­men ange­bo­ten, die aber auch über­le­sen wer­den kön­nen. Diese Ernst­haf­tig­keit bleibt jedoch nicht unter dem Deck­man­tel des Kin­der­buchs ver­bor­gen, son­dern wirkt in der gesam­ten Gestal­tung allgegenwärtig.

Sel­ten habe ich Bücher gese­hen, in denen Text und Bild so stark zusam­men­ge­hö­ren und sich ergän­zen. Die kla­ren For­men fül­len den wei­ßen Raum per­fekt aus. Ihre dezen­ten Struk­tu­ren und Far­ben wer­den durch ebenso dezente Krü­mel und Details auf­ge­lo­ckert. Die uni­ver­selle Bild­spra­che in Kom­bi­na­tion mit den nüch­ter­nen Far­ben und For­men erzeugt eine unver­bind­li­che Distan­ziert­heit. Die Wör­ter sind auf die nötigs­ten beschränkt, in einer unauf­dring­li­chen Schrift­art und im Lay­out genau rich­tig platziert.

Ein Kin­der­buch von Erwach­se­nen für Erwachsene

Die Auf­ma­chung im Schu­ber macht aus dem Gan­zen ein sehr anspre­chen­des Pro­dukt, mit klei­nem hoch­for­ma­ti­gem Pos­ter dazu. Glän­zende Auf­kle­ber auf jedem Buch (müs­sen Sti­cker auf Büchern denn sein?!) wei­sen auf die Nomi­nie­rung für den Jugend­li­te­ra­tur­preis in der Kate­go­rie „Bil­der­buch“ hin. Den Preis hat die Tri­lo­gie auch gewon­nen, aber für wel­ches Alter ist sie denn geeig­net? Für Jugend­li­che wirkt das Buch zu infan­til, also eher für jün­gere Kin­der? Der außer­or­dent­lich starke Kar­ton der Buch­de­ckel und das gewählte wei­che Papier mit den gerun­de­ten Ecken spre­chen dafür. Die mini­ma­lis­ti­sche und fein durch­dachte Cover­ge­stal­tung lässt die Bücher aber sehr erwach­sen wir­ken und wären bei­spiels­weise bes­tens geeig­net als Deko­ra­tion im Inte­ri­eur einer gesichts­lo­sen Feri­en­woh­nung. Die­ser etwas zu erwach­sene Ton macht die Bücher zwar aus mei­ner Sicht umso anspre­chen­der, aber wirft die Frage auf, was das jetzt soll: Ein Kin­der­buch braucht eine freund­li­chere Bildsprache.

„Drei­eck“, „Qua­drat“ und „Kreis“ sind meis­ter­haft gestal­tete Bücher, aber sie signa­li­sie­ren über­deut­lich, dass sie von Erwach­se­nen gemacht sind, und zwar nicht unbe­dingt für Kin­der. In der hybri­den Form könn­ten sie zum alters­über­grei­fen­den gemein­sa­men Lesen geeig­net sein. Es könnte aber schwie­rig wer­den, bei der Bespre­chung der Fra­gen die Spra­che klei­ner Kin­der nicht mit einem erwach­se­nen Ton zu über­tö­nen. Sollte dies gelin­gen, bie­tet sich hier eine beson­dere Mög­lich­keit, Kin­dern eine andere Scha­blone zur Wahr­neh­mung von freund­schaft­li­chen Kon­flik­ten zu bie­ten. Abge­se­hen davon schätze ich die Mög­lich­keit, dass ein Erwach­se­ner einem Kind hier ein Buch zei­gen kann, das ihn selbst auch mehr inter­es­siert als das hun­dertste Aben­teuer vom idyl­li­schen Bauernhof.

Drei­eck Qua­drat Kreis. Text: Mac Bar­nett. Illus­tra­tion: Jon Klas­sen. Über­set­zung: Tho­mas Bod­mer. Nord­Süd Ver­lag. 2020.

Zum Wei­ter­le­sen:

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