Durch den Nebel ans Licht: „Die Schneiderin des Nebels“

by Zeichensetzerin Alexa

Nach „Die große Wör­ter­fa­brik“ und „Der Bär und das Wör­ter­g­lit­zern“ ist nun das dritte gemein­same Bil­der­buch von Agnès de Les­trade und Vale­ria Docampo im mixtvi­sion Ver­lag erschie­nen: „Die Schnei­de­rin des Nebels“. Zei­chen­set­ze­rin Alexa ist durch den Nebel spaziert.

Ob Bär, ob Mensch – die Prot­ago­nis­ten in Les­tra­des Geschich­ten haben Träume, Wün­sche und Gefühle. Ging es in „Die große Wör­ter­fa­brik“ um die große Liebe und in „Der Bär und das Wör­ter­g­lit­zern“ um Träume, die Mut erfor­dern, so wid­met sich „Die Schnei­de­rin des Nebels“ nun einem ande­ren Wunsch: Rosa, die Prot­ago­nis­tin, sehnt sich danach, Zeit mit ihrem Vater zu verbringen.

Gefühle zulas­sen

Aber die­ses Gefühl muss sie zunächst ein­mal begrei­fen und zulas­sen, denn ihre Erin­ne­run­gen hat sie hin­ter einem dicken Schleier aus Nebel ver­steckt – so wie es auch viele andere Men­schen mit all den Din­gen tun, die sie nicht sehen wol­len. Rosas Talent besteht näm­lich darin, aus Nebel Stoffe her­zu­stel­len: „Still ver­ge­hen die Stun­den. Aus den lan­gen Nebel­fä­den webt Rosa Stoffe für Klei­dungs­stü­cke, Vor­hänge und Tep­pi­che.“ Und die sind unter den Men­schen „heiß begehrt“.

Erst als Rosa einen Brief von ihrem Vater erhält, kom­men die Erin­ne­run­gen zurück: an den Streit ihrer Eltern und dass ihr Vater irgend­wann weg­ge­gan­gen ist. Nun muss sie sich ihren Gefüh­len stel­len und schafft es dann auch – etwas zu schnell, um dem Buch die nötige Tiefe zu ver­lei­hen. So plötz­lich wie der Vater wie­der in ihr Leben getre­ten ist, so schnell endet das Buch dann auch.

Kunst­volle Gestaltung

Durch die plötz­li­che Wen­dung und die offe­nen Fra­gen wirkt „Die Schnei­de­rin des Nebels“ etwas unfer­tig. So als wür­den einige Sei­ten feh­len, in denen Rosas Gefühle noch mehr zum Aus­druck kom­men. Die Schwä­chen der Geschichte wer­den jedoch gekonnt ver­deckt durch die kunst­volle Gestal­tung des Buches: Die Illus­tra­tio­nen von Docampo sind atmo­sphä­risch und spie­geln die Emo­tio­nen der Prot­ago­nis­tin wider. Trans­pa­rente Sei­ten ent­hal­ten einer­seits schwarz-weiße Zeich­nun­gen oder Text und „ver­ne­beln“ ande­rer­seits die dar­un­ter­lie­gen­den Text- und Bild­ele­mente. Durch das Blät­tern wirkt es daher, als würde man den Nebel­schleier bei­sei­te­schie­ben und so den Blick auf andere Dinge freigeben.

„Die Schnei­de­rin des Nebels“ ist inhalt­lich zwar etwas schwä­cher als die vori­gen Bil­der­bü­cher von Agnès de Les­trade und Vale­ria Docampo, optisch jedoch ver­mag es zu über­zeu­gen. Beson­ders span­nend beim Betrach­ten der Bücher ist das Spiel mit For­mat und Gestal­tung. „Der Bär und das Wör­ter­g­lit­zern“ muss zum Bei­spiel immer mal wie­der gewen­det wer­den (weil Umden­ken auch etwas mit Mut zu tun hat) und in „Die Schnei­de­rin des Nebels“ wird mit Trans­par­ent­sei­ten gear­bei­tet (weil diese wie auch der Nebel den Blick versperren).

Agnès de Les­trade und Vale­ria Docampo schei­nen ein gutes Team zu sein. Zumin­dest kön­nen sich die Ergeb­nisse aus ihren Koope­ra­tio­nen sehen las­sen. Es bleibt zu hof­fen, dass noch viele wei­tere Bil­der­buch­kunst­werke von ihnen erschei­nen werden.

Die Schnei­de­rin des Nebels. Agnès de Les­trade. Illus­tra­tion: Vale­ria Docampo. Über­set­zung: Anna Taube. Mixtvi­sion. 2018.

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