Ein Leben aus Lumpen

by Zeichensetzerin Alexa

„Lum­pen­ro­man“ ist erst­mals 2010 im Carl Han­ser Ver­lag erschie­nen. Die­ses Jahr ver­öf­fent­lichte der Fischer Ver­lag die Taschen­buch­aus­gabe. Thema die­ses Buches ist die Hilf­lo­sig­keit eines Geschwis­ter­paa­res, des­sen Eltern bei einem Unfall ums Leben gekom­men sind. – Von Zei­chen­set­ze­rin Alexa

Bereits zu Beginn fasst Bianca, die Prot­ago­nis­tin die­ses Buches, tref­fend zusam­men: „Jetzt bin ich Mut­ter und auch eine ver­hei­ra­tete Frau, aber vor gar nicht lan­ger Zeit war ich eine Kri­mi­nelle. Mein Bru­der und ich hat­ten unsere Eltern ver­lo­ren. In gewis­ser Weise recht­fer­tigt das alles. Wir hat­ten nie­man­den. Und das alles buch­stäb­lich von heute auf morgen.“

Bianca beschreibt das neue Leben, das sie mit ihrem Bru­der führt. Wie beide ver­su­chen, mit dem Ver­lust umzu­ge­hen, wie sie die Schule schmei­ßen, um einem Job nach­ge­hen zu kön­nen, wie sie Freunde fin­den, die keine wah­ren Freunde sind, und wie sie in gewis­ser Weise zu Kri­mi­nel­len wer­den. Der All­tag ist geprägt von Arbeit, Depres­sio­nen, Trauer, Leb­lo­sig­keit. Es ist, als wür­den sie nicht mehr leben, son­dern nur noch funk­tio­niert. Viel­leicht beginnt Bianca des­halb, mit den zwei Freun­den, die irgend­wann bei ihnen ein­zie­hen, zu schla­fen. Um zumin­dest kör­per­lich dem Leben näher zu sein als dem Tod. Viele Inter­es­sen haben die vier nicht – sie ver­su­chen, irgend­wie über die Run­den zu kom­men und las­sen sich täg­lich von Fil­men und Shows im Fern­se­hen unterhalten.

Doch auch wenn Bianca ver­sucht, dem Leser ihr Herz zu öff­nen, ihre Gedan­ken­welt zu ver­brei­ten, scheint sie einem sehr distan­ziert, vor­sich­tig, manch­mal sogar kalt­her­zig. Wie viel Liebe kann man einem noch geben, wenn man die wich­tigs­ten Men­schen in sei­nem Leben ver­lo­ren hat? Wie viel Lebens­freude kann man aus­strah­len, wenn man nichts mehr zu lachen hat? Roberto Bolaño schafft es, einen klei­nen Ein­blick in die Gefühls- und Lebens­welt zweier Men­schen zu geben, die den Sinn ihres Lebens ver­lo­ren haben. Gänz­lich über­zeu­gen kann es jedoch nicht – dafür sind die 106 Sei­ten für ein so schwie­ri­ges Thema dann doch etwas zu kurz.

Lum­pen­ro­man. Roberto Bolaño. Über­set­zung: Chris­tian Han­sen. Fischer. 2014.

Weiterlesen

Leave a Comment

Diese Seite verwendet Cookies. Mit der Nutzung unserer Website erklärst du dich damit einverstanden, dass wir Cookies verwenden. OK Erfahre mehr