Er nannte sie Kunstfee – sie nannte ihn Homo Faber

by Wortklauberin Erika

Wal­ter Faber ist Inge­nieur. Er glaubt weder an Gott, noch an das Schick­sal. Viel­leicht glaubt er ein wenig an die Tech­nik. Aber nur ein wenig. Des­halb kommt er zunächst nicht auf die Idee, dass die Begeg­nung mit der jun­gen Sabeth, die etwa halb so alt ist wie er und ihn an eine lang ver­gan­gene Flamme aus Stu­den­ten­zei­ten erin­nert, Zufall sein könnte. – Von Wort­klau­be­rin Erika

Sabeth möchte von Paris nach Rom und Grie­chen­land, und nach­dem sich die bei­den zufäl­lig in Paris noch­mals begeg­nen – dabei han­delt es sich um ein insze­nier­tes zufäl­li­ges Tref­fen, weil sie Wal­ter nicht mehr aus dem Kopf gehen wollte – beschlie­ßen sie, gemein­sam den Weg zurück­zu­le­gen. Sabeth erzählt viel von ihrer Mut­ter, die Archäo­lo­gin ist und zwei Ehen hin­ter sich hat, und Wal­ter ver­drängt erfolg­reich den Gedan­ken daran, dass ihre Mut­ter doch ident mit sei­ner alten Flamme aus Stu­den­ten­zei­ten sein könnte. In Grie­chen­land ange­kom­men, ist für Wal­ter Faber klar, dass er nicht mehr von Sabeths Seite wei­chen möchte. Sie jedoch wird bei einem Aus­flug an den Strand von einer Schlange in die linke Brust gebis­sen und stirbt – nicht am Schlan­gen­biss, son­dern an einer Schä­del­frak­tur, die von den Ärz­ten über­se­hen wurde.

Wal­ter Faber ist Inge­nieur. Er glaubt nicht an Gott, son­dern an die For­meln, die die Welt bedeu­ten. Als er nach einer Reise wie­der zurück nach Athen kehrt, wird er vor die Dia­gnose Magen­krebs gestellt. Der Bericht endet mit den Wor­ten: „08.05 Uhr. Sie kom­men.“ Ist es Schick­sal, dass die Schlange wie eine bibli­sche Figur an den grie­chi­schen Strand direkt auf Sabeth zuge­kro­chen kam und sie den­noch an ande­ren Ver­let­zun­gen stirbt? Ist es blo­ßer Zufall, dass sich Wal­ter und seine „Kunst­fee“ Hanna, die alte Liebe aus Stu­den­ten­zei­ten, noch­mals auf­ein­an­der­tref­fen? Diese Fra­gen blei­ben dem Leser überlassen.

Die The­ma­tik des „Homo Faber“ erin­nert stark an das archai­sche Motiv der unwis­sen­den Inzucht, wie man sie bereits im alt­grie­chi­schen „Ödi­pus“ wie­der­fin­det, was nicht zuletzt an dem Hauch von Schick­sal liegt, der durch die lite­ra­ri­sche Tra­di­tion hin­durch­zu­we­hen scheint.

Homo Faber. Ein Bericht, Max Frisch, Suhr­kamp, 1977; mehr über das Buch erfahrt ihr mor­gen (20.06.15) ab 11 Uhr bei den Feuil­le­tö­nen: www​.feuil​le​toene​.de/​l​ive.

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