Fangirls l(i)eben eben anders

by Buchstaplerin Maike

Auf „Fan­girl“ von Rain­bow Rowell hat sich Buch­stap­le­rin Maike lange gefreut, hat sie doch sogar ihre Bache­lor­ar­beit über Fan­fic­tion geschrie­ben. Doch lei­der kann sie das Buch nicht so begeis­tern, wie erwar­tet. Woran das liegt, ver­rät sie gern.

Cath ist ein Fan­girl, wie es im Buche steht. Seit ihrer Kind­heit liebt sie die Roman­reihe um Zau­ber­schü­ler Simon Snow. Unter einem Pseud­onym schreibt sie im Inter­net schwule Fan­fic­tions über Simon und sei­nen Erz­feind, die von der Fan­ge­mein­schaft geliebt wer­den. Alles könnte per­fekt sein, wäre da nicht ihr Umzug ans Col­lege, mit dem die Pro­bleme anfan­gen. Cath zer­strei­tet sich mit ihrer Zwil­lings­schwes­ter, sie will keine neuen Freunde oder aus ihrer Kom­fort­zone hin­aus. Ihre Pro­fes­so­rin hat nichts als Ver­ach­tung für Fan­fic­tion übrig. Und wie soll Cath ihr Mam­mut­pro­jekt, das alter­na­tive Ende zur Simon Snow Reihe, fer­tig­stel­len, wäh­rend sie ihre Gefühle für Levi, den Freund ihrer Mit­be­woh­ne­rin verwirren?

Was ist „echte“ Lite­ra­tur? Was ist das „echte“ Leben?

Was locker und humor­voll klingt, ist viel­schich­ti­ger und kann durch­aus mit vie­len dunk­len Ecken auf­war­ten. Rowell cha­rak­te­ri­siert die Prot­ago­nis­tin Cath ein­fühl­sam als intro­ver­tierte, unsi­chere und ver­schlos­sene junge Frau, die ihren Frie­den im Fan­dom, dem Schrei­ben und ihrer extro­ver­tier­ten Schwes­ter Wren fin­det. Mit dem Wech­sel aufs Col­lege beginnt für Cath ein Jahr vol­ler Kon­flikte. Nach und nach zeigt sich, dass Cath aus einer zer­rüt­te­ten Fami­lie kommt: Die Kluft zwi­schen ihr und ihrer Schwes­ter wächst, bis sie unüber­brück­bar erscheint. Cath bereut, dass ihr psy­chisch kran­ker Vater nun allein zu Hause ist. Sie kann ihrer Mut­ter nicht ver­zei­hen, sie als Kind ver­las­sen zu haben. Zusätz­lich zwingt das Leben auf dem Cam­pus Cath dazu, sich aus ihrer Kom­fort­zone zu bewe­gen, nicht immer mit posi­ti­ven Kon­se­quen­zen. Cath fin­det sich in einem Geflecht wie­der, das das Inter­net dem „ech­ten“ Leben gegen­über­stellt, und ihre Fan­fic­tion der „ech­ten“ Lite­ra­tur. Die Folge sind Selbst­zwei­fel und Resignation.

Eine pro­ble­ma­ti­sche und eine ima­gi­näre Romanze

Für mich gibt es eine Sache, die dem Buch scha­det, all die Kon­flikte mit­rei­ßend und mit aus­rei­chend Raum zu ver­han­deln: Caths Romanze mit Levi. In gro­ßen Tei­len des Buches erscheint der extro­ver­tierte Natur­bur­sche eher wie ein Ersatz für die abwe­sende Wren. Ihm gegen­über kann Cath sich öff­nen und wie­der so in ihre Fan­fic­tion ein­tau­chen, wie zuvor mit ihrer Schwes­ter. Es ist also nicht die Tat­sa­che, dass es eine Romanze gibt, son­dern wie Levi eta­bliert und seine über­grif­fi­gen Hand­lun­gen als nor­mal und sogar roman­tisch ver­harm­lost werden.
Cath ist in roman­ti­scher und sexu­el­ler Hin­sicht uner­fah­ren, aber nicht unauf­merk­sam: Sie erkennt und benennt Levis pro­ble­ma­ti­sches Ver­hal­ten sogar, doch schnell wer­den die Warn­si­gnale mit des­sen gutem Aus­se­hen und freund­li­chem Wesen rela­ti­viert. Denn Levi ist beim genaue­ren Hin­schauen nicht der per­fekte Freund, als der er dar­ge­stellt wird: Immer wie­der über­schrei­tet er Caths Gren­zen. Das beginnt damit, dass er ihren Wunsch, Cath statt Cather genannt zu wer­den, den gan­zen Roman über nicht respek­tiert. Er lässt von ihr kaum Wider­rede zu: Was er möchte, setzt er um, indem er anzwei­felt, dass Cath wirk­lich weiß, was sie eigent­lich will. Mit freund­li­cher Beharr­lich­keit redet er solange auf sie ein, bis ihr Nein zu einem Ja wird. Die­ses Ungleich­ge­wicht ist nicht nur keine gute Grund­lage für eine Bezie­hung, son­dern wäre im „ech­ten“ Leben gefährlich.

Ein Fan­girl, wie es im Buche steht

Im Gegen­satz dazu gelingt es Rowell her­vor­ra­gend, das Phä­no­men Fan­dom und Fan­fic­tion leben­dig, vol­ler Witz und Ver­ständ­nis wie­der­zu­ge­ben. Cath ist der Pro­to­typ eines Fan­girls. Für Außen­ste­hende wird alles ganz neben­bei erklärt: „Bei Fan­fic­tion […] geht es nur darum, dass du mit der Welt eines ande­ren spielst. Die Regeln neu schreibst. Oder sie umgehst. Die Geschichte muss nicht zu Ende sein, wenn Gemma Les­lie es will. Du kannst in die­ser Welt blei­ben, der Welt die du liebst, so lange du willst“ (S. 134). Dass Rowell dabei mit Kli­schees spielt, etwa dem obses­si­ven Fan­ta­sie­ren von schwu­len Paa­ren, wäh­rend die Fan­girls selbst schüch­terne Jung­frauen seien, ist nicht ver­wun­der­lich. Für „Ein­ge­weihte“ ist Cath eine Iden­ti­fi­ka­ti­ons­fi­gur, die mit den Kli­schees auf­räumt und sich als inte­gre Per­son beweist, die ihre Gren­zen kennt.
Mit „Simon Snow“ kon­stru­iert Rowell eine fik­tive Welt und ein Fan­dom, die par­al­lel zu Harry Pot­ter ver­stan­den wer­den kön­nen. Frag­mente von Caths Geschich­ten um Simon und Baz las­sen das Fan­dom neben­bei leben­dig wer­den. Das geht soweit, dass Caths alter­na­ti­ver fina­ler Simon Snow Band, den sie mit ihrer Lieb­lings­au­torin um die Wette schreibt, ein Eigen­le­ben bekommt: Rain­bow Rowells „Auf­stieg und Fall des außer­or­dent­li­chen Simon Snow“ (dtv, 2017) ist nichts ande­res als Caths Meis­ter­werk in „Fan­girl“.

Von die­sem Buch werde ich selbst wohl kein Fan­girl. Obwohl mich die Dar­stel­lung von Cath und ihrer Liebe zum Fan­dom trifft und ich mich in vie­len Belan­gen in ihr wie­der­finde, ist „Fan­girl“ keine unein­ge­schränkte Emp­feh­lung. Einige pro­ble­ma­ti­sche Kon­flikte wer­den ver­harm­lost, die Auf­lö­sung ande­rer kommt viel zu kurz.

Fan­girl. Rain­bow Rowell. Über­set­zung: Bri­gitte Jako­beit. Han­ser. 2017. Erhält­lich im Buch­han­del vor Ort.

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1 comment

Magisches Jugendbuch, holprig übersetzt – Bücherstadt Kurier 3. November 2017 - 14:13

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