Vom Frechsein und Angsthaben

by Zeichensetzerin Alexa

Eigent­lich sind Dachse flei­ßige und ordent­li­che Tiere, aber Frech­dachs ist anders. Er zeigt die Zunge, spuckt auf den Boden, räumt seine Spiel­sa­chen nicht weg und hört nicht auf seine Eltern. Ent­ge­gen der Ermah­nun­gen sei­nes Vaters ver­lässt er den Wald und geht zum Bau­ern. Dort ärgert er die Hüh­ner und die Ziege und lässt die Hasen aus ihren Käfi­gen. In einem Käfig ent­deckt er schließ­lich einen Hasen, der fürch­ter­li­che Angst hat – einen Angst­ha­sen. Frech­dachs weiß zunächst gar nicht, was Angst ist, aber spä­ter lernt er das Gefühl selbst ken­nen. In dem Hasen hat er jeden­falls einen Freund gefun­den, was seine Eltern sehr freut.

Auf Frech­dachs‘ Ver­hal­ten wird am Ende jedoch nicht ein­ge­gan­gen. Beschrie­ben wird ledig­lich, dass es sei­nem Vater nicht gefal­len hat. Kon­se­quen­zen gibt es aber keine, was zu dem Gedan­ken führt, so ein Ver­hal­ten sei wohl in Ord­nung. Dabei hat sich Frech­dachs einer gro­ßen Lebens­ge­fahr ausgesetzt!

Was bleibt, ist viel Gesprächs­be­darf: Warum ist Frech­dachs so frech? Und warum ist er anders als andere Dachse, die doch eigent­lich flei­ßig und ordent­lich sind? Sind eigent­lich alle Hasen Angst­ha­sen? Hat Frech­dachs sonst keine ande­ren Freunde? Der Angst­hase scheint am Ende Dank Frech­dachs seine Angst ver­lo­ren und das Ver­hal­ten des Dach­ses ange­nom­men zu haben. Wenn man die Illus­tra­tio­nen genau betrach­tet, sieht man die Ver­än­de­rung in sei­nem Ver­hal­ten; am Ende ist Angst­hase min­des­tens genauso frech wie Frech­dachs. Denn wäh­rend sie am Tisch sit­zen und essen, wer­fen sie die Reste auf den Boden, anstatt sie, wie die ande­ren Fami­li­en­an­ge­hö­ri­gen von Frech­dachs, auf den Tel­lern zu lassen.

Frag­wür­dig sind dabei vor allem die all­ge­mein bekann­ten, kli­schee­haf­ten Bezeich­nun­gen „Frech­dachs“ und „Angst­hase“. Damit bestä­tigt der Autor nur unsere Vor­ur­teile und das Schub­la­den­den­ken. Warum Frech­dachs? Warum Angst­hase? Und warum nicht genau anders­herum? Es wirkt, als sei der Name es, der Frech­dachs erst zum Frech­sein ver­lei­tet. Als sei der Angst­hase nur ein Angst­hase, weil man ihn so bezeich­net. Sol­che Vor­ur­teile haben wir auch bei Mäd­chen- und Jun­gen­na­men. Beson­ders Kevin und Shan­tal rufen häu­fig den Gedan­ken her­vor: Ach, typisch, alle Shan­tals sind ver­hal­tens­auf­fäl­lig. Genau das bestä­tigt der Autor mit die­sem Buch und es macht auch kaum einen Unter­schied, dass „Dachse eigent­lich ordent­li­che und flei­ßige Tiere“ sind. Denn Frech­dachs ist am Ende doch nur ein „Frech­dachs“, und Angst­hase doch nur ein „Angst­hase“, auch wenn beide im Laufe der Geschichte die jeweils andere Cha­rak­ter­ei­gen­schaft ken­nen lernen.

Zei­chen­set­ze­rin Alexa

Frech­dachs und Angst­hase. Nico­las d‘ Aujour­d’hui. Orell Füssli. 2013.

Weiterlesen

Leave a Comment

Diese Seite verwendet Cookies. Mit der Nutzung unserer Website erklärst du dich damit einverstanden, dass wir Cookies verwenden. OK Erfahre mehr