Der kleine Mensch: Denn Liliput ist überall

by Bücherstadt Kurier

Kin­der gel­ten all­ge­mein als klein und nied­lich, doch wie schnell wer­den diese Won­ne­prop­pen groß! Schon in der Puber­tät über­ra­gen sie ihre Eltern und manch ein Mäd­chen kann mit 16 Jah­ren und einer Größe von 1,80m ins Modell­busi­ness ein­stei­gen. Zu die­sem Phä­no­men gehört aber auch lei­der die Kehr­seite der Medaille. Teen­ager, wel­che über ihre 1,61 Meter Kör­per­größe nicht hin­weg­kom­men. Die Eltern machen Mut, sagen so was wie: „Kind, das wird schon. Deine Mut­ter wirst du bald über­ra­gen“, aber kein sicht­ba­res Ergeb­nis rückt in Reich­weite. Man streckt und dehnt sich, legt sich auf die Streck­bank und bit­tet um Zen­ti­me­ter. Aber das Wachs­tums­hor­mon bleibt uner­bitt­lich. Da hel­fen auch keine Frucht­zwerge, wel­che ihr gan­zes Kal­zium am Ske­lett abla­gern. Das führt nur zu schwe­ren Kno­chen, oder wie es umgangs­sprach­lich auch heißt: „Ich wachse nur noch in die Breite.“

Unan­ge­nehm wird es, wenn man auf den neuen Toi­let­ten in Restau­rants die Beine bau­meln las­sen kann, oder auf Zehen­spit­zen klet­tern muss, damit man sich mor­gens im Spie­gel die Pickel aus­drü­cken kann. Nicht sel­ten führt Klein­wüch­sig­keit zu depri­mie­ren­den Erleb­nis­sen im Super­markt. Natür­lich steht die begehrte Ware ganz oben oder so weit hin­ten, dass man trotz Sprün­gen nicht dran­kommt. Hil­fe­su­chend wen­det man sich an grö­ßere Mit­men­schen, die einem zwar gerne hel­fen, jedoch nicht mit dem „och-wie-niedlich-die-Kleine-kommt-nicht-an-den-Joghurt“-Blick gei­zen. Wer nun über seine Nied­lich­keit jubi­liert, der sollte schleu­nigst seine Arme wie­der sen­ken. Mit 27 Jah­ren wird man trotz­dem an der Kasse nicht mehr nach dem Per­so­nal­aus­weis gefragt, denn die müh­sam ange­lach­ten Fal­ten bleiben.

Rich­tig pein­lich wird es erst, wenn man ein Kauf­haus ver­las­sen möchte, die auto­ma­ti­sche Tür einen jedoch nicht wahr­nimmt. Man springt, wedelt mit den Armen, geht vor und zurück und wird meis­tens zum Gespött sei­ner Umge­bung. Irgend­wann, mag es durch Zufall oder Erbar­men sein, möchte noch ein grö­ße­rer Mensch hin­aus und man kann mit aus der Tür schlüpfen.
Regen­schirme… ja, das ist die dritte Plage. Große Men­schen bekom­men sie ins Gesicht gedrückt, kleine Men­schen kön­nen sie nicht ordent­lich über sich hal­ten, weil sie damit allen ande­ren den Schirm ans Kinn drü­cken. Man ent­schul­digt sich und ver­sucht, sei­nen eige­nen Schirm wie ein Schild vor sich her­zu­schie­ben, bis man es auf­gibt, und die Schirme der ande­ren Men­schen mit nutzt. Wie ein rie­si­ges Zelt sozusagen.
Dass kleine Men­schen neu gekaufte Hosen meis­tens umnä­hen müs­sen, davon möchte ich gar nicht erst spre­chen. In der heu­ti­gen Zeit wird doch erwar­tet, dass man bei einer Kör­per­größe von 1,80m nur Größe S trägt. Vor allem kleine Damen ver­su­chen ihre man­gelnde Größe mit hohen Absät­zen wett zu machen, aber sieht ein Pudel auf Stel­zen wirk­lich gut aus? Geschmackssache.

Ein Trost bleibt jedoch allen klei­nen Men­schen: Unter Hob­bits wäre man ein Riese.

Ramona Helm­rich
Illus­tra­tion: Aaron

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