Geheimnisse über Geheimnisse

by Geschichtenerzähler Adrian

In dem Buch „Das Geheim­nis der Madame Yin“ von Autor Nathan Win­ter beglei­ten wir die Pin­ker­ton Detek­ti­vin Celeste Sum­mers­teen nach Lon­don, wo sie in eine Serie grau­sa­mer Morde hin­ein­ge­zo­gen wird. Geschich­ten­er­zäh­ler Adrian ist der Sache auf den Grund gegangen.

Eigent­lich sollte Celeste Sum­mers­teen Akten sor­tie­ren, so waren zumin­dest die aus­drück­li­chen Anwei­sun­gen von ihrem Boss, Mis­ter Pin­ker­ton – Grün­der der berühm­ten, ame­ri­ka­ni­schen Pin­ker­ton Detek­tei. Jedoch erhält sie, auf per­sön­li­chen Wunsch und zum Ärger Pin­ker­tons, den Auf­trag, die junge Doro­thea zu ihrer Fami­lie nach Lon­don zurückzubringen.
Was sich zuerst nach einem leich­ten Baby­sit­ter-Job anhört, ist aber etwas kom­pli­zier­ter als gedacht. Bis­her wurde Doro­thea immer noch im Unkla­ren dar­über gelas­sen, dass ihre Freun­din Estelle in Lon­don bru­tal ermor­det wurde, was Celeste ihr „im rich­ti­gen Moment“ eröff­nen soll. In Lon­don ange­kom­men, wird Celeste von Doro­theas Mut­ter gebe­ten, noch eine Weile auf ihre Toch­ter auf­zu­pas­sen und zu ver­su­chen, Estel­les Mör­der zu finden.

Wäh­rend­des­sen ereig­net sich ein wei­te­rer Mord, auf die­selbe Weise wie an Doro­theas Jugend­freun­din. Der­selbe Mör­der hat das Leben der Opium- und Bor­dell­kö­ni­gin Madame Yin genom­men und sie in die Themse gewor­fen. Bald sieht sich Celeste zu einer Zusam­men­ar­beit mit Scot­land Yard gezwun­gen, was auch dort auf gro­ßes Miss­fal­len stößt. Vor allem bei Inspec­tor Edwards, der den Fall der Madame Yin bear­bei­tet. Immer wie­der ver­sucht Edwards die läs­tige Ama­teu­rin los­zu­wer­den, was diese jedoch nicht an eige­nen Ermitt­lun­gen hin­dert. Was ist das namens­ge­bende Geheim­nis hin­ter der Opi­um­kö­ni­gin Madam Yin und wer ist der Mör­der? Fra­gen über Fra­gen, wel­che Stück für Stück beant­wor­tet werden.

Krimi-Wirr­warr

„Das Geheim­nis der Madame Yin“ wurde von einem Deut­schen, mit eng­li­schem Pseud­onym, geschrie­ben und erzählt die Geschichte einer Ame­ri­ka­ne­rin im vik­to­ria­ni­schen Lon­don. Die­ser Satz erklärt recht gut, was es mit der Geschichte, wel­che die­ses Buches erzählt, auf sich hat. An sich kann man es sehen wie einen deut­schen Krimi, ver­gli­chen etwa mit „Tat­ort“ oder Ähn­li­chem: Zuerst pas­siert der Mord, von da an tröp­felt die Geschichte so vor sich hin und endet am Schluss in einem tur­bu­len­ten Finale. Alles spielt sich mehr­heit­lich urban und teils düs­ter ab. Jedoch nimmt die Geschichte erst ab etwa der Hälfte – um Seite 200 – rich­tig Fahrt auf und beginnt, die Leser zu fesseln.

Das Set­ting im Lon­don der 1877-Jahre und die Her­an­ge­hens­weise an die Ermitt­lun­gen erin­nern an das typisch Eng­li­sche. Zum einen die rabiate Methode von Inspec­tor Edwards, wel­cher durch die Hafen­k­nei­pen zieht und durch den Lon­do­ner Unter­grund wan­dert. Ande­rer­seits den vor­erst ruhi­ge­ren und heim­li­che­ren Weg, wel­chen Celeste bei ihren Ermitt­lun­gen wählt. Eben­falls ist die Auf­lö­sung des Mor­des größ­ten­teils recht eng­lisch. So über­ra­schend wie „der Buttler/Gärtner war’s“ ist es nicht, doch erst im letz­ten Drit­tel des Buches wird genug Mög­lich­keit gege­ben, dem Täter lang­sam auf die Schli­che zu kommen.

In der Action und den schnel­len Sequen­zen erkennt man dann den ame­ri­ka­ni­schen Teil der Geschichte, denn – wie schon oben genannt – wird ab der Hälfte der „Ame­ri­can way of crime solu­tion“ gezeigt. Dies ist nicht schlecht, da Win­ter die posi­ti­ven Aspekte der ein­zel­nen Krimi-Gat­tun­gen recht gut getrof­fen hat. Zudem sind die Über­gänge zwi­schen ihnen flie­send und nur offen­sicht­lich, wenn man genau hinschaut.

Eman­zi­pa­tion im vik­to­ria­ni­schen London

Schon ziem­lich am Anfang wird klar, was den Grund­stein die­ser Geschichte dar­stellt: Die Eman­zi­pa­tion einer star­ken Frau gegen­über der vor­herr­schen­den, chau­vi­nis­ti­schen Män­ner­welt (zu die­ser Zeit). Es geht sehr viel um Zwangs- und Zweck­ehen sowie Frauen in damals typi­schen Män­ner­rol­len. Diese Rol­len­kli­schees zu durch­bre­chen und umzu­ge­stal­ten, wirkt erfri­schend und anders – vor allem, wenn man bei vik­to­ria­ni­schem Lon­don eher an Sher­lock Hol­mes oder Jack the Rip­per denkt. Aller­dings sind die Eman­zi­pa­ti­ons­ver­su­che und der Chau­vi­nis­mus teils so offen­sicht­lich und über­trie­ben dar­ge­stellt, dass es zum einen ins Lächer­li­che abdrif­tet, ande­rer­seits bei­nahe schon anstrengt.
So wird klar geäu­ßert, dass Celes­tes Ermitt­lun­gen beacht­lich sind, jedoch im nächs­ten Moment gleich wie­der mit „sie sind nur eine Frau“-Äußerungen zunichte gemacht wer­den. Manch­mal hatte ich beim Lesen das Gefühl, Celeste könnte vor den Augen dor­ti­ger Män­ner eine ganze schwer­be­waff­nete Armee im Allein­gang nie­der­schie­ßen und sie würde trotz­dem noch als schwa­che Frau behandelt.

Kein Geheim­nis um ein Fazit

„Das Geheim­nis der Madame Yin“ ist ein Ver­such, etwas Ande­res und Fri­sches zu bie­ten. Das Zusam­men­spiel von Figu­ren und Set­ting hat mich neu­gie­rig gemacht und war auch recht unter­halt­sam. Von die­ser Seite aus wurde ich nicht ent­täuscht. Jedoch blüh­ten die bei­den Haupt­cha­rak­ter – Celeste und Inspek­tor Edwards – erst rich­tig in den paar Sze­nen auf, in denen sie zusam­men und nicht gegen­ein­an­der arbei­te­ten. Das hätte ich gerne häu­fi­ger gese­hen. Auch, dass das Buch erst ab der Hälfte so rich­tig Fahrt auf­nimmt, stieß mir etwas sauer auf. Es fiel mir wirk­lich schwer, das Buch vor Seite 200 nicht ein­fach im Regal ver­stau­ben zu las­sen. Im Gro­ßen und Gan­zen ist „Das Geheim­nis der Madame Yin“ ganz in Ord­nung. Etwas für lange Rei­sen oder vor dem Schlafengehen.

Das Geheim­nis der Madame Yin. Natan Win­ter. Pro-Talk. 2017.

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