Grandioser Auftakt

by Bücherstadt Kurier

Wie­der ein­mal wurde mir bewusst, wie viel Wert die Emp­feh­lun­gen eines Buch­händ­lers haben. Als ich „Das Lied des Blu­tes“ in den Hän­den hielt und mir den Inhalt anschaute, klang die­ser wie tau­send­mal gele­sen, auf­ge­wärmt und in den Schrank gestellt: Fan­tasy mit Krie­gern, Könige und Adlige, Herr­schafts­an­sprü­che, Sol­da­ten, Krieg und Liebe. Doch das Buch ent­puppte sich als eine wahre Perle.

Vie­len Dank auch, Herr Anthony Ryan, denn wegen Ihnen waren meine Schla­fens­zei­ten weit unter­schrit­ten und ich wurde nicht nur unaus­steh­lich, son­dern auch unan­pas­sungs­fä­hig an das soziale Gefüge. Sei es, dass ich in der S‑Bahn ver­suchte mein „Mit­schnal­zen“ der Cha­rak­tere zu unter­drü­cken oder „Ja, gleich“ zum Bus­fah­rer sagte, als er zum wie­der­hol­ten Male meinte, es sei „End­sta­tion“. Ich kenne die­sen Zustand eigent­lich nur von ver­lieb­ten puber­tie­ren­den Teen­agern und ja, ich gestehe, ich bin verliebt.
Jetzt ist es raus.
Aber in was bin ich da eigent­lich verliebt?

Es ist die Geschichte von Vae­lin al Sorna, den wir bei sei­ner Über­fahrt zu sei­nem letz­ten Kampf beglei­ten sol­len. Ebenso als Beglei­tung ist ein Geschichts­schrei­ber, der nach kur­zem Zögern zum Stift greift und dem Rede­schwall von al Sorna minu­tiös nie­der­schreibt. Denn wenn der berühm­teste Kämp­fer des Rei­ches sei­nen Auf­stieg bis zu jenem schick­sal­haf­ten Augen­blick zum Bes­ten gibt, hat man ein­fach nur die Auf­gabe, die­ses Wis­sen für die Nach­welt festzuhalten.
Vae­lin al Sorna wird von sei­nem Vater, ein Schwert des Königs, im zar­ten Alter von elf Jah­ren an das Tor des 6. Ordens geführt und in des­sen Obhut über­ge­ben. Mit Gleich­alt­ri­gen bil­det er den Nach­wuchs des Ordens. Und schnell wird klar, dass der Rohr­stock und die har­ten Lehr­me­tho­den der Meis­ter sie gna­den­los auf die kom­mende Zukunft als Super­krie­ger des Glau­bens und zum Wohle des Rei­ches vor­be­rei­ten wird. Egal zu wel­chem Preis. Sei es der Schwert­kampf, das Fähr­ten­le­sen, das Aus­wen­dig­ler­nen der Geschichte des Ordens oder das nackte Über­le­ben im Wald. Alle paar Monate ste­hen Prü­fun­gen an, wobei einige der Jun­gen auf der Stre­cke blei­ben. Sei es meta­pho­risch oder wortwörtlich.
Kein Wun­der, dass sich aus den Mit­schü­lern schnell eine kleine ver­schwo­rene Gemein­schaft bil­det. Denn das ist das Ziel des Ordens. Er bil­det Brü­der aus, die sich blind auf den ande­ren ver­las­sen kön­nen und um ihre Fähig­kei­ten wis­sen. Gut genug, um sich auch als Vae­lin al Sorna bewusst zu sein, dass man nicht in allem der Beste sein kann und so kommt es, dass er ver­letzt wird, sein Hab und Gut ver­liert, oder gar gerade so durch eine der Prü­fun­gen kommt, wofür er hat schwit­zen müssen.

Wie es als Neu­ling in so einer Maschi­ne­rie üblich ist, pras­seln so einige Namen und Begriff­lich­kei­ten auf den Leser ein. Wobei ich sagen muss: Wenn ein Name mit so viel Gefühl in ein sozia­les Gefüge ein­ge­floch­ten wird, erscheint die Dis­kus­sion um seine Berech­ti­gung sinnlos.
So schlägt man sich zusam­men mit Vae­lins Brü­dern durch die Prü­fun­gen, um den Orden hin­ter sich zu las­sen, um dann gleich in die ers­ten Schar­müt­zel zu gera­ten, die einen nur noch mehr Ärger ein­brin­gen. Ruhm ist eine Last, die schwer bür­det. Und genau des­sen wird sich auch Vae­lin bewusst. Obwohl er das Talent hat, an der rich­ti­gen Stelle zu ste­hen, ist es ein ste­ti­ger Kampf. Nicht nur mit den Fein­den, son­dern auch mit sei­ner Moral, sei­nem eige­nen Gewis­sen und der Frage, wo das hinführt.
So erzählt er mun­ter seine Geschichte, wobei er nicht immer jedes Detail dem Schrei­ber­ling vor­wirft und sich das Recht wie jeder andere gute Geschich­ten­er­zäh­ler her­aus­nimmt, so man­ches für sich zu behal­ten. Nicht nur diese Ehr­lich­keit macht die­ses Buch so ein­zig­ar­tig. Es gibt Bücher, die durch ihre Story her­vor­ste­chen und es gibt Bücher, die sich mit einer Leich­tig­keit durch­le­sen las­sen. Dane­ben gibt es noch wel­che, die durch her­vor­ra­gende Erzähl­weise bestechen. Und es gibt Bücher, die gekonnt diese drei Eigen­schaf­ten ver­ei­nen, und die tau­chen nur alle paar Jahre auf. „Das Lied des Blu­tes“ gehört zu sol­chen Büchern. Ich bedanke mich huld­voll bei Anthony Ryan für die wun­der­vol­len Stun­den und erwarte sehn­süch­tig den nächs­ten Band.

Diungo

Das Lied des Blu­tes, Anthony Ryan, Han­nes Rif­fel (Über­set­zer), Sara Rif­fel (Über­set­zer), Klett-Cotta, 2014

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6 comments

Elvira 15. Oktober 2014 - 19:55

Ich bin Quer­beet­le­ser und muss geste­hen, dass eine Lei­den­schaft der Fan­tasy-Lite­ra­tur gehört. Warum das so ist, wüsste ich sel­ber sehr gerne. Ich kenne nicht viele Men­schen, die sechs Jahr­zehnte auf dem Buckel haben und offen zuge­ben, Fan­tasy und SF zu mögen. Jeden­falls habe ich mir nach die­ser „Lob­hu­de­lei“ noch wei­tere Kri­ti­ken durch­ge­le­sen und, da ich nur posi­tive fin­den konnte, das Buch eben auf mei­nen E‑Reader run­ter­ge­la­den. Ich war erst skep­tisch, ob mein Buch­händ­ler das auch in sei­nem Online­shop führt (ich meide die Ver­sand­krake und sein Lese­me­dium), aber das Buch war auch bei ihm als ebook erhält­lich. Nun werde ich mir ein Glas Rot­wein ein­gie­ßen und bin gespannt, ob das Buch mich ebenso ver­schlin­gen wird wie Dich. Inter­es­sante Frage: wer ver­schlingt hier wen?
Danke für die­sen Tipp!
Mit freund­li­chen Grüßen
Elvira

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Bücherstadt Kurier 22. Oktober 2014 - 15:56

Liebe Elvira, hast du das Buch mitt­ler­weile ver­schlun­gen? Oder: es dich? Wir sind gespannt auf deine Meinung!

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Elvira 22. Oktober 2014 - 16:19

Das Netz ist vol­ler Kri­ti­ken, die voll des Lobes sind. Und das mit Recht! Wären nicht mit­un­ter Schlaf­pau­sen not­wen­dig gewe­sen, hätte ich das Buch nicht aus den Hän­den legen mögen. GsD hatte ich Urlaub! Nun warte ich sehn­süch­tig auf den zwei­ten Teil. Ich hoffe auf der einen Seite zwar, dass der Autor sich die not­wen­dige Zeit nimmt, damit die Fort­set­zung die­ses hohe Niveau hal­ten kann. Auf der ande­ren Seite kann ich es aber, wie gesagt, kaum erwar­ten, wie es mit Vae­lin al Sorna und sei­ner Geschichte weitergeht.
Sicher­lich liegt das Lese­er­leb­nis auch an einer sehr guten Über­set­zung. Ich kenne das Ori­gi­nal nicht, ver­mute aber, dass Anthony Ryan das Buch, wäre er ein deutsch­schrei­ben­der Autor, genau diese Wort­wahl getrof­fen hätte.
Das Buch kann ich jedem Leser, nicht nur dem Fan­ta­sy­fan, ans lite­ra­ri­sche Herz legen!

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Sonja 16. Oktober 2014 - 11:06

Hm, das hört sich schon sehr span­nend an.
Ist schon eine Weile her, dass ich ein gutes Buch aus die­sem Genre gele­sen habe – werde es mir mal zu Gemüte führen.
Viel­leicht sollt ich aber auch selbst mal eins schreiben 😛

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Bücherstadt Kurier 22. Oktober 2014 - 15:53

Selbst ein Buch schrei­ben – das klingt nach einer guten Idee! Machst du auch beim NaNo­WriMo mit? 😉 Bücher­städ­te­rin Maike ist dabei: 

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Sonja 22. Oktober 2014 - 23:25

ich bin ja schon Autorin und hab Bücher, Kurz­ge­schich­ten und Arti­kel auf dem Markt. Aber ich werd trotz­dem beim nano­wrimo mit­ma­chen, um bei mei­nem neuen Roman bes­ser voranzukommen 🙂

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