Wie man Flaschengeister in Briefe sperrt „I Get a Bird“

by Worteweberin Annika

„I Get a Bird“ von Anne von Canal und Heikko Deutsch­mann ist ein Brief­ro­man, des­sen Ent­ste­hungs­ge­schichte Worte­we­be­rin Annika gleich neu­gie­rig gemacht hat. Warum sie den Roman trotz Län­gen bezau­bernd fand, ver­rät sie hier.

Zwei Jahre lang schrie­ben sich die Schriftsteller*innen Anne von Canal und Heikko Deutsch­mann als Jana und Johan Briefe, ohne die darin erzähl­ten Wen­dun­gen vor­her mit­ein­an­der abzu­spre­chen oder den Schreib­pro­zess zu kom­men­tie­ren. Aus­gangs­punkt des Schrei­bens sollte ein ver­ges­se­ner Gegen­stand sein, den der eine an die andere zurückschickt.

Ret­tungs­an­ker per Post

Dar­aus ist ein in einer Tele­fon­zelle ver­ges­se­ner Kalen­der gewor­den, den Johan an Jana sen­det, nach­dem er ihn jah­re­lang auf­be­wahrt hatte. Jetzt schmeißt er alles aus der Woh­nung raus, räumt auf und schreibt. Jana schreibt zurück – so viel hätte es ihr bedeu­tet, den Kalen­der frü­her zu bekom­men, doch jetzt? Nach und nach ler­nen die bei­den Figu­ren ein­an­der in ihren Brie­fen ken­nen, offen­ba­ren sich ihre Schwä­chen und Sor­gen, sind neu­gie­rig auf­ein­an­der. Sie stel­len fest, dass sie ähn­li­che Ver­luste erlebt haben, dass ihnen bei­den das Was­ser bis zum Hals steht. Über die Ent­fer­nung ver­su­chen sie, ein­an­der Ret­tungs­an­ker zu sein und fül­len die Leere zwi­schen Frei­burg, Visby und Neu­müns­ter mit Wor­ten. Sie erzäh­len Geschich­ten, die hei­len, so gut es geht.

„Geschich­ten sind wie Fla­schen, in die wir die Geis­ter und bösen Träume sper­ren. Schau­dernd spie­len wir mit dem Gedan­ken, den Kor­ken zu zie­hen, kön­nen die häss­li­chen Wesen, ang­st­ein­flö­ßen­den Frat­zen, schmerz­haf­ten Trug­bil­der durch das dicke Glas betrach­ten. Und sind doch immer sicher, dass sie uns nicht in die Nase bei­ßen.“ (S. 249)

Fes­selnd mit klei­nen Längen

Die Briefe sind span­nend und wen­dungs­reich, sprachmäch­tig. Nach­dem ich „Mein Öland“ von Anne von Canal sehr ver­zau­bernd fand, hatte ich mir von die­sem Roman viel­leicht noch eine Spur mehr erwar­tet, trotz­dem bewei­sen die bei­den Autor*innen auch hier, dass sie schrei­ben kön­nen. Teil­weise hatte ich das Gefühl, es würde noch etwas feh­len, ein gewis­ses Etwas, ein wenig mehr. Mög­lich, dass hier die Ent­ste­hungs­ge­schichte der Hand­lung den Wind aus den Segeln genom­men hat, sich die Figu­ren und ihre Erfinder*innen im Kreis dreh­ten? Ohne Abspra­chen mag es schwie­rig sein, auf den Punkt und durch­gän­gig fes­selnd zu erzählen.

Gegen Ende schla­gen die Briefe dann eine die Fan­ta­sie prei­sende Schleife um die­sen Brief­ro­man, die mich über­zeugt hat. „I Get a Bird“ war für die Schrei­ben­den sicher­lich ein span­nen­des, auf­re­gen­des Expe­ri­ment – und es ist geglückt! Auch für uns Leser*innen ist dar­aus ein Erleb­nis gewor­den, dem man kleine Län­gen gerne verzeiht.

I Get a Bird. Anne von Canal und Heikko Deutsch­mann. Mare. 2021.

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