LiteraTour Nord 2016/17: Ein Rückblick

by Erzähldetektivin Annette

Die Lite­ra­Tour Nord ist been­det und nun steht auch der Preis­trä­ger fest: Til­man Ramms­tedt konnte mit „Mor­gen mehr“ Jury wie Publi­kum über­zeu­gen. Bevor am 04. Mai die Preis­ver­lei­hung in Han­no­ver statt­fin­det, bli­cken Erzähl­de­tek­ti­vin Annette und Buch­schatz­meis­te­rin Rosi zurück auf die letzte Lesereise.

Bei der Lite­ra­Tour Nord bege­ben sich sechs deutsch­spra­chige Autoren auf Lese­reise durch die nord­deut­schen Uni­ver­si­täts­städte Olden­burg, Bre­men, Lübeck, Ros­tock, Lüne­burg und Han­no­ver. Wäh­rend sie in Lesun­gen das Publi­kum für ihr Werk ein­zu­neh­men ver­su­chen, ist es vor allem die Jury der VGH-Stif­tung, die über die Ver­gabe des mit 15.000 € dotier­ten Prei­ses entscheidet.

Gemüt­li­che Loca­tion und enga­gierte Autoren

In Bre­men fin­den die Lesun­gen im Café Ambi­ente am Oster­deich statt. Die gemüt­li­che Loca­tion ver­mit­telt eine hei­me­lige Atmo­sphäre, die dem Genuss der Lesun­gen sehr zu Gute kommt. Mit einer damp­fen­den Tasse Tee vor sich lässt es sich ent­spannt im Stuhl zurück­leh­nen und den Autoren lau­schen. Die Lesun­gen bestehen dabei in der Regel aus meh­re­ren Text­aus­schnit­ten sowie einer von Prof. Axel Dun­ker mode­rier­ten Gesprächs­runde, wäh­rend der auch das Publi­kum Fra­gen stel­len darf. Je nach Gemüts­ver­fas­sung der Autoren fal­len die Ant­wor­ten mehr oder weni­ger aus­führ­lich aus.

Wer an allen Lesun­gen teil­ge­nom­men hat, darf schließ­lich eine Stimme für den Favo­ri­ten abge­ben. Hin und wie­der gibt diese Publi­kums­stimme den Aus­schlag für die Ent­schei­dung. In die­sem Jahr dürf­ten Jury- und Publi­kums­ent­schei­dung nicht allzu weit aus­ein­an­der gele­gen haben. Ledig­lich die Lesung von Bene­dict Wells konnte eine ähn­lich über­schwäng­li­che Publi­kums­re­so­nanz erzeu­gen wie Ramms­tedts „Mor­gen mehr“. Im Anschluss an seine Lesung signierte Wells noch für gut 1 ½ Stun­den die Bücher sei­ner Fans.

Ein brei­tes Spektrum

Doch die Kon­kur­renz war stark. Neben Til­man Ramms­tedt waren Olga Mar­ty­n­ova („Der Engel­herd“), Teresa Präauer („Oh Schimmi“), Bene­dict Wells („Vom Ende der Ein­sam­keit“), Kath­rin Rög­gla („Nachts­en­dung. Unheim­li­che Geschich­ten“) und Sabine Gru­ber („Dal­dossi oder Das Leben des Augen­blicks“) nomi­niert. Ihre Werke erzäh­len dabei ganz unter­schied­li­che Geschichten.

So wird „Der Engel­herd“ zum Fan­gen eben jener titel­ge­ben­den Geschöpfe ver­wen­det, die wie­der­rum die Welt und im Beson­de­ren den altern­den Schrift­stel­ler Cas­par Wai­deg­ger, seine junge Geliebte und seine behin­derte Toch­ter beob­ach­ten. „Oh Schimmi“ hin­ge­gen ver­knüpft The­men und Gefühle des 21. Jahr­hun­derts zu einem unge­wöhn­li­chen, bei­nahe aggres­si­ven Sprach­tep­pich. „Nachts­en­dung“ skiz­ziert in ebenso unheim­li­chen wie absur­den Kurz­ge­schich­ten aktu­elle Poli­tik und Gesell­schafts­kri­tik und offen­bart Risse im all­täg­li­chen Gesche­hen. Auch „Dal­dossi oder Das Leben des Augen­blicks“ befasst sich mit der Frage, in was für einer Gesell­schaft wir leben wol­len. Flücht­lings­po­li­tik und neo­li­be­rale Moral­kri­tik wer­den aus Sicht des abge­half­ter­ten Kriegs­fo­to­gra­fen Bruno Dal­dossi erör­tert. „Vom Ende der Ein­sam­keit“ zeigt schließ­lich anhand dreier Geschwis­ter, wie unter­schied­lich sich Leben nach einem Schick­sals­schlag ent­wi­ckeln kön­nen und wie fami­liäre Bande doch nie­mals ganz verschwinden.

Und der Preisträger?

Til­man Ramms­tedts „Mor­gen mehr“ ver­fügt zumin­dest über die inter­es­san­teste Ent­ste­hungs­ge­schichte. Für drei Monate lie­ferte der Autor täg­lich ein nur wenige Sei­ten umfas­sen­des Kapi­tel, das noch am glei­chen Abend lek­to­riert und am nächs­ten Mor­gen an all jene ver­schickt wurde, die für 8 € ein Abon­ne­ment abge­schlos­sen hat­ten. Der aukt­o­riale Erzäh­ler steht 1972 kurz vor sei­ner erhoff­ten Zeu­gung. Genauer gesagt bleibt ihm ein Tag, um seine mit­ein­an­der unbe­kann­ten Eltern zusam­men­zu­brin­gen und seine Zeu­gung zu initi­ie­ren. Bei die­ser unkon­ven­tio­nel­len Geschichts­idee über­rascht die Begrün­dung der Jury kaum:

„Til­man Ramms­tedts Roman Mor­gen mehr ist zutiefst komisch und bewe­gend schön. Seine Figu­ren sind als slap­stick­hafte Typen ange­legt und ent­wi­ckeln gleich­wohl Tiefe, die ihre Leser anzu­rüh­ren ver­mag. Der Autor führt bekannte Sujets zu neuer Wahr­heit, die über­ra­schende Ein­sich­ten ermög­licht. Seine Prosa ist schlank und ele­gant, stets auf den Punkt erzählt. Sein Timing über­zeugt dabei ebenso wie seine Text­öko­no­mie, seine Mensch­lich­keit ebenso wie sein Humor.“

Gerne mehr

Dass die Lite­ra­Tour Nord mit Til­man Ramms­tedt ihren gran­dio­sen Abschluss fand, war ein ange­neh­mer Zufall. Atmo­sphäre, Loca­tion, die Diver­si­tät des Publi­kums sowie die infor­ma­ti­ven Ein­füh­run­gen des Lite­ra­tur­pro­fes­sors Axel Dun­ker haben gemein­sam mit der abwechs­lungs­rei­chen Aus­wahl der Werke zum Gelin­gen der dies­jäh­ri­gen Lite­ra­Tour Nord bei­getra­gen. Erzähl­de­tek­ti­vin Annette und Buch­schatz­meis­te­rin Rosi wer­den auch beim nächs­ten Mal wie­der dabei sein.

Wei­tere Infor­ma­tio­nen zur Lite­ra­Tour Nord und der anste­hen­den Preis­ver­lei­hung fin­det ihr hier:
www​.lite​ra​tournord​.de, www​.vgh​-stif​tung​.de (Pres­se­mit­tei­lung)

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