#Meinungstheater: Big Fish & Begonia #BKtastisch | Ein Film – viele Meinungen

by Bücherstadt Kurier

Im Juni war auch das Mei­nungs­thea­ter #BKtas­tisch – aus ver­schie­de­nen phan­tas­ti­schen Fil­men wurde der chi­ne­si­sche Anime „Big Fish & Bego­nia“ aus­ge­lost. Worte­we­be­rin Annika, Geschich­ten­er­zäh­ler Adrian, Bücher­städ­te­rin Michelle-Denise und Zei­chen­set­ze­rin Alexa haben sich an den Strei­fen herangewagt.

Worte­we­be­rin Annika: Unter unse­ren Ozea­nen liegt eine Welt der Wesen, die unsere Natur steu­ern. Hier lebt Chun. An ihrem 17. Geburts­tag wird sie, wie es die Tra­di­tion will, für eine Woche als roter Del­fin in die Welt der Men­schen geschickt und begeg­net dort dem Jun­gen Kun, der sie aus einem Fischer­netz befreit. Doch Kun kommt bei der Aktion ums Leben und Chun beschließt, ihn ins Leben zurück­zu­ho­len. In ihrer magi­schen Welt ist das mög­lich, kos­tet aber viel Kraft.

Auch wenn gleich zu Beginn des Films die Erzäh­le­rin einige Regeln ihrer Welt erklärt, sind für mich in Bezug auf das World­buil­ding und die Schwelle zwi­schen der magi­schen und der real­fik­ti­ven Welt einige Fra­gen offen geblie­ben. So fiel es mir schwer, in die­ser phan­tas­ti­schen Geschichte anzu­kom­men und die vie­len – und so unter­schied­li­chen! – Figu­ren zu ver­ste­hen. Rela­tiv schnell bin ich abge­drif­tet und hab den chi­ne­si­schen Anime „Big Fish & Bego­nia“ nur mit einem Auge ver­folgt. Also viel­leicht habe ich nicht alles mit­be­kom­men, aber waren das nicht ganz schön viele Wen­dun­gen? Und hätte man die Emo­tio­nen nicht auch etwas weni­ger auf­bau­schen kön­nen? „Big Fish & Bego­nia“ wird mir sicher­lich nicht lange in Erin­ne­rung blei­ben. Ähm, Moment… was war das noch gleich für ein Film…?

Geschich­ten­er­zäh­ler Adrian: Als ich den chi­ne­si­schen Ani­ma­ti­ons­film „Big Fish & Bego­nia“ 2019 in einem Off-Kino zum Deutsch­land-Release gese­hen habe, ging ich mit einem gro­ßen Fra­ge­zei­chen in den Film. Der Trai­ler war für mich recht nichts­sa­gend. Wäh­rend ich den Film schaute, wuchs in mir immer mehr das Gefühl, dass, obwohl die Ani­ma­tio­nen und Zeich­nun­gen wirk­lich gelun­gen waren, etwas fehlte. Jedoch konnte ich nicht wirk­lich sagen, was mich genau störte. Viel­leicht war es die extreme Hilf­lo­sig­keit des Fisches Kun? Stän­dig geriet er in lebens­be­droh­li­che Situa­tio­nen, aus denen er dra­ma­tisch geret­tet wer­den musste, nur, um einige Sze­nen spä­ter erneut in Gefahr zu gera­ten. Dies ver­lieh dem Film solch ein stän­di­ges, dra­ma­tur­gi­sches Auf und Ab, dass es bald schon anstren­gend wurde, wirk­lich noch mitzufiebern.

Es hätte auch die Geschichte sein kön­nen, bei der ich so wenige Punkte fand, in die ich mich ein­fin­den konnte. Irgend­wie machte der Film auf mich den Ein­druck, als wür­den Sze­nen feh­len, die der Story einen ange­neh­men Flow gege­ben hät­ten. Oder waren es die ver­schie­de­nen Figu­ren? Ich war mir nicht sicher, ob der Film einen real-exis­tie­ren­den, mytho­lo­gi­schen Grund­stein hatte, auf dem er auf­baute oder nicht. Zumin­dest setzte er vor­aus, dass ich all diese mythi­schen Figu­ren, mit ihren beson­de­ren Fähig­kei­ten, ken­nen sollte. Zwar führte der Film diese Figu­ren in die Geschichte ein, ließ sie anschlie­ßend jedoch links lie­gen. Die Größe und Macht, wel­che die Geschichte ihnen zusprach, war kaum bis gar nicht zu spü­ren. Dies ver­ur­teilte jene Figu­ren dazu, schnell wie­der in Ver­ges­sen­heit zu geraten.

Es war jedoch erst gegen Ende des Films, als mir auf­fiel, was mich am meis­ten an die­sem Film störte: die Welt. Auf mich machte „Big Fish & Bego­nia“ den Ein­druck, dass er so gerne eine mytho­lo­gisch-zau­ber­hafte Welt auf­ge­baut hätte, ähn­lich wie die in „Chi­hi­ros Reise in Zau­ber­land“ oder „Der Junge und das Biest“. Was Miya­saki bezie­hungs­weise Hosoda mit ihren Meis­ter­wer­ken schaff­ten, war, dass sich ihre phan­tas­ti­schen Wel­ten leben­dig und gefüllt anfühl­ten. Dies fehlt in „Big Fish & Bego­nia“. Die prä­sen­tierte Welt erscheint rie­sig, doch es fehlt an wei­te­ren Figu­ren und Tie­ren, um sie mit Leben und einem geschäf­ti­gen Trei­ben zu fül­len. Die paar, die es gibt, wir­ken auf ver­lo­re­nem Pos­ten ste­hend in die­ser rie­si­gen, lee­ren Welt.

Bücher­städ­te­rin Michelle-Denise: Bereits in den ers­ten Minu­ten hatte ich das Bedürf­nis, den Film sofort abzu­bre­chen. Wäh­rend ich Ani­mes aus den 80er Jah­ren durch­aus gerne geschaut habe, haben mich die neuen Ani­ma­tio­nen, die den Zei­chen­trick­fil­men aus frü­he­ren Zei­ten ähneln sol­len, abge­schreckt. Jedoch hat mich die ange­nehme Stimme von Dag­mar Dempe, die aus dem Off als Erzäh­le­rin agiert, dazu moti­viert, dem Film wei­ter zu fol­gen. Gedank­lich hat mich nun also Meryl Streep und nicht die Prot­ago­nis­tin Chun durch die Geschichte geführt.

Schau­platz des Films ist eine mys­ti­sche Par­al­lel­welt, in der die Natur­ge­setze gesteu­ert wer­den. In die­ser Welt herrscht aller­dings eine gewisse Skep­sis oder gar Abnei­gung gegen­über den Men­schen in der ande­ren Welt, die, wie mir scheint, nicht genauer begrün­det wird. Diese Ein­stel­lung zwingt die jugend­li­che Prot­ago­nis­tin zu einem anhal­ten­den Gewis­sens­kon­flikt. Sie plagt durch­weg eine Zer­ris­sen­heit zwi­schen der Zunei­gung zu einem Men­schen und ihrem gewohn­ten Lebens­um­feld. Um der Hand­lung gänz­lich bis zum Ende fol­gen zu kön­nen, muss man sich auf die skur­ri­len Wesen der Par­al­lel­welt und die stän­di­gen Dra­men ein­las­sen. Es ist ein Wun­der, dass die Prot­ago­nis­tin und der zum Fisch gewor­dene Mensch stets jede töd­lich erschei­nende Gefah­ren­si­tua­tion mit Bra­vour meis­tern und über­le­ben, nur um wenige Minu­ten danach mit einer ähn­li­chen Situa­tion kon­fron­tiert zu werden.

Ver­mut­lich soll „Big Fish & Bego­nia“ den Zuschau­en­den eine wich­tige Bot­schaft ver­mit­teln. Diese hat sich mir jedoch nicht erschlos­sen, weil ich den Film mehr­fach unter­bre­chen musste. Zu skur­ril und zu dra­ma­ti­siert wirkte die Hand­lung auf mich und ließ meine Gedan­ken abdrif­ten. Nächs­tes Mal schaue ich mir lie­ber ein span­nen­des und sehens­wer­tes Hol­ly­wooddrama an – mit Meryl Streep in der Hauptrolle.

Zei­chen­set­ze­rin Alexa: „Big Fish & Bego­nia“ wirkte auf den ers­ten Blick viel­ver­spre­chend: Eine inter­es­sante Story und anspre­chende Ani­ma­tio­nen in Ghi­bli-Ästhe­tik – das sind gute Vor­aus­set­zun­gen. Ich fand das ganze World­buil­ding samt Figu­ren span­nend, wenn auch lücken­haft und teil­weise unlo­gisch. Es fehlt dem Film an Strin­genz, sodass ich bis zum Ende nicht ver­stan­den habe, wie diese Welt funk­tio­niert. Dabei sind die Regeln die­ser Welt ele­men­tar für die Geschichte, weil sie die Hand­lung enorm beein­flus­sen. Mehr Zeit hätte dem Film gut­ge­tan – in Form von zusätz­li­chen Sze­nen, in denen in Gesprä­chen mehr über die Hin­ter­gründe ver­ra­ten wird, oder in denen ein­fach mal nichts pas­siert. Denn das ist der zweite Schwach­punkt des Films: Stän­dig stol­pert die Prot­ago­nis­tin in neue Gefah­ren und muss Kun retten.

Der Film ist daher über­la­den mit Span­nung und emo­tio­na­ler Dra­ma­tik. Letz­tere ganz beson­ders, weil es hier um eine Lie­bes­ge­schichte geht, die nicht nur unrea­lis­tisch erscheint, son­dern auch alle Außen­ste­hen­den in Gefahr bringt. Trotz die­ser Kri­tik möchte ich eine ein­ge­schränkte Emp­feh­lung aus­spre­chen, weil ich auch die Stär­ken des Films sehe: Eine Welt wie diese habe ich so noch nicht gese­hen, die Film­bil­der sind fas­zi­nie­rend und der Mut und das Selbst­be­wusst­sein der Prot­ago­nis­tin bemer­kens­wert. Wer herz­er­grei­fende, dra­ma­ti­sche Geschich­ten mag und sich auf diese mytho­lo­gisch ange­hauchte Welt ein­las­sen kann, wird mit „Big Fish & Bego­nia“ sicher­lich einen Film fin­den, der gut unterhält.

Big Fish & Bego­nia: Zwei Wel­ten – ein Schick­sal. Regie: Liang Xuan, Zhang Chun. Dreh­buch: Liang Xuan. Mit den Stim­men von Dag­mar Dempe, Tim Schwarz­maier, Wal­ter von Hauff u.a. China. Uni­ver­sum Film. 2016. FSK 6. // Bild: B&T.

Ein Bei­trag zum Spe­cial #BKtas­tisch. Hier fin­det ihr alle Beiträge.

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