Sara Mrozek im Interview

by Satzhüterin Pia

„Ich möchte eine Welt zei­gen, wie ich sie mir idea­ler­weise vor­stelle: Mäd­chen und Frauen sind ganz selbst­ver­ständ­lich stark, selbst­be­wusst und gleich­be­rech­tigt.

Rol­len­kli­schees und alt­ba­ckene Gen­der­ste­reo­type … Die Autorin Sara Mro­zek hat genug von Kin­der­bü­chern die­ser Art und nimmt es kur­zer­hand selbst in die Hand. Satz­hü­te­rin Pia hat sich mit Sara bei einem (Video-)Kaffeedate getrof­fen und mit ihr über „Emis Welt“ und Frau­en­power gesprochen.

BK: Hallo Sara! Schön, dass wir uns heute hier digi­tal sehen können.

SM: Ich freue mich auch sehr!

BK: Du bist Mama zweier Töch­ter, arbei­test Voll­zeit in einem renom­mier­ten Job und bist nun auch noch Autorin. Dein Debüt „Emi und der Süßig­kei­ten­räu­ber“ ist kürz­lich erschie­nen. Bitte erzähle doch ein­mal, wie es dazu kam!

SM: Ursprüng­lich fing es schon vor Jah­ren damit an, dass ich in mei­nem Beruf Chan­cen­gleich­heit für Frauen schaf­fen und beson­ders Frauen in Füh­rungs­po­si­tio­nen för­dern wollte. Das Thema beschäf­tigt mich schon so lange. Nach­dem ich meine erste Toch­ter bekom­men habe, wurde das Thema Rol­len­kli­schees in Kin­der­bü­chern noch ein­mal anders prä­sent. Viele Bücher sind sehr alt­mo­disch stereotyp.

BK: Das ist mir als Mama einer Toch­ter auch schon sauer auf­ge­sto­ßen. Kli­schees wie die schöne Prin­zes­sin und der aben­teu­er­lus­tige Pirat sind viel zu omnipräsent.

SM: Ja, genau. Rol­len­bil­der begin­nen schon bei Kin­der­bü­chern und Spiel­sa­chen. Mir gefällt es nicht, wie diese schon so früh eng vor­ge­ge­ben wer­den. Als Mäd­chen bist du lieb, ruhig und stellst dich hin­ten an – als Junge darfst du toben und wild sein. Das hat einen gro­ßen Ein­fluss auf unsere Töch­ter – und natür­lich auch auf die Söhne.

BK: …und am Ende ist das Ergeb­nis genau die­ses: Es gibt die „für­sorg­li­chen Frauen“ und die „star­ken Män­ner“, die uns beschüt­zen – etwas über­spitzt dargestellt. 

SM: Wir haben Geschich­ten beim Vor­le­sen auch mal umge­dich­tet, um sie viel­fäl­ti­ger zu gestal­ten. Dann haben die Eltern zum Bei­spiel die Mäd­chen und die Jun­gen vom Rei­ter­hof abge­holt. Ich meine, warum sind es bei so etwas immer nur die Mädchen?

BK: Also hast du dir gedacht, das geht bes­ser und es selbst in die Hand genom­men! Erzähle doch bitte etwas über dein Buch „Emi und der Süßigkeitenräuber“. 

SM: Ich möchte Geschich­ten über starke Mäd­chen schrei­ben, ohne dies in den Fokus zu set­zen. Emi, die Haupt­fi­gur, trifft in den Geschich­ten auf andere starke Frau­en­fi­gu­ren – im ers­ten Band zum Bei­spiel eine Poli­zis­tin. Dabei soll es kei­nen erho­be­nen Zei­ge­fin­ger geben, son­dern ich möchte ein­fach eine Welt zei­gen, wie ich sie mir idea­ler­weise vor­stelle: Mäd­chen und Frauen sind ganz selbst­ver­ständ­lich stark, selbst­be­wusst und gleichberechtigt.

BK: Wie kommt das bei dei­nen Töch­tern an?

SM: Meine Große ist vier und ganz stolz! Die bei­den Geschwis­ter in den Büchern, Emi und Leni, sind auch etwas an meine Töch­ter ange­lehnt. Sogar die Kleine freut sich schon dar­über und zieht das Buch aus dem Regal, damit wir es anschauen können.

BK: Wir hat­ten schon kurz dar­über gespro­chen, dass auch für Jun­gen viel­fäl­ti­gere Vor­bil­der wich­tig sind. Warum setzt du in dei­ner Reihe den Fokus auf Mädchen?

SM: Weil ich Töch­ter habe und durch sie inspi­riert werde. Aber auch Jungs soll­ten ihre Geschich­ten bekom­men – sie dür­fen weich sein, Rosa tra­gen oder eben die Prin­zes­sin sein! Rol­len­bil­der schrän­ken so ein. Sowohl die Jun­gen als auch die Mäd­chen sol­len wis­sen, dass sie dies­be­züg­lich machen dür­fen, was sie wollen.

BK: Das finde ich auch. Beson­ders beim Kauf von Baby­klei­dung fand ich es damals sehr frag­wür­dig, wie eng und vor­ge­fer­tigt die Kate­go­rien da sind. Ich habe auf einem Kin­der­floh­markt sogar einen rosa Body mit Tutu gesehen.

SM: Ja, die Kli­schees sind wirk­lich krass. Warum gibt es nicht ein­fach eine Baby­ka­te­go­rie? Warum muss alles immerzu in Jun­gen oder Mäd­chen unter­teilt wer­den? Wir bekom­men diese Gen­der­kli­schees sicher­lich nicht so schnell aus der Gesell­schaft raus, aber wir kön­nen im Klei­nen anfan­gen und das Bewusst­sein auf­bauen, dass es natür­lich okay ist, die Prin­zes­sin zu sein, das Kind aber auch der Bau­ar­bei­ter sein darf.

BK: Im Klei­nen kön­nen wir Eltern dies den Kin­dern mit auf den Weg geben, auch wenn die Hür­den in der Gesell­schaft immer noch groß sind. Wenn man da allein an Kitas und Co. denkt…

SM: Mein Mann und ich leben es den Kin­dern auch schon modern vor. Wir arbei­ten beide in Voll­zeit und tei­len uns die Auf­ga­ben in Fami­lie und Haus­halt gleich­be­rech­tigt auf. So kön­nen wir uns beide gut ver­wirk­li­chen. Wich­tig ist mir jedoch auch, dass das etwas ist, was für uns gut funk­tio­niert. Es muss aber nicht hei­ßen, dass es für jeden das rich­tige Modell ist.

BK: Wir hal­ten es da genauso und ich denke auch, dass die Nor­ma­li­tät in allen Berei­chen gege­ben sein sollte. Wenn es für eine Fami­lie und alle Fami­li­en­mit­glie­der das Beste ist, in einem „klas­si­schen“ Modell die Rol­len zu ver­tei­len, ist auch das gut so. Schade ist es nur, wenn das die gefor­derte Nor­ma­li­tät ist und beson­ders Frauen in die ent­spre­chen­den Rol­len gedrängt werden.

SM: Genau. Beson­ders schlimm finde ich auch die­ses Den­ken, dass Frauen sich nicht gegen­sei­tig unter­stüt­zen und Neid bei uns vor­herr­sche. Seit ich für meine Buch­reihe auch ver­mehrt Social Media nutze, habe ich gemerkt, wie sehr es dort Rück­halt gibt. Über­haupt: Frauen soll­ten sich immer gegen­sei­tig unter­stüt­zen! Netz­werke für Frauen sind so wichtig.

BK: Dass du selbst eine Frau bist, die mutig und stark ist, zeigt sich auch dadurch, dass du dei­nen eige­nen Ver­lag gegrün­det hast – wenn ich das rich­tig ver­stan­den habe?

SM: (lacht) Naja, fast. In der letz­ten Eltern­zeit habe ich mir über­legt, diese Buch­reihe her­aus­zu­brin­gen. Gene­rell möchte ich gerne alles in einer Hand haben! Der Ver­lag soll noch ent­ste­hen, um die­ser Lite­ra­tur eine Platt­form zu bie­ten. Im Moment bin ich damit selbst­stän­dig. Es ist sehr, sehr viel Arbeit für einen allein. An Träu­men und Ideen man­gelt es nicht, aber die Kapa­zi­tä­ten sind nicht unendlich.

BK: Das ist wohl wahr! Wir ken­nen das mit unse­rer Arbeit beim Kurier und im Ver­ein auch sehr gut. Also ist dein nächs­tes Ziel die Ver­lags­grün­dung vom „Win­ter­kind Verlag“?

SM: Das nächste Ziel ist erst ein­mal das nächste Buch zu schrei­ben. Die Geschichte soll noch die­ses Jahr erschei­nen – wahr­schein­lich wie­der zum Herbst hin.

BK: So ein Buch ist sicher­lich mehr Arbeit, als man erst ein­mal denkt. Und bei Bil­der­bü­chern ist es nicht der Text allein. Wie kamst du zu dei­ner Illus­tra­to­rin Sabine Marie Körfgen? 

SM: Stimmt, das ist jede Menge Arbeit. Eigent­lich war meine tat­säch­li­che Haupt­ar­beit, die­ses Buch her­aus­zu­ge­ben, nicht es zu schrei­ben! (lacht) Ganz am Anfang habe ich ein­fach erst­mal recher­chiert und nach Kin­der­buch­il­lus­tra­to­ren und ‑illus­tra­to­rin­nen gegoo­gelt. Der Stil sollte mir gefal­len und zu den Figu­ren pas­sen. Dann habe ich Sabine Marie Körf­gen gefun­den, und die Che­mie hat gleich gepasst. Sie hat mir einen Ent­wurf von Emi geschickt und das hat für mich gut funk­tio­niert. Sabine hat Emis Geschichte ins Leben geholt!

BK: Text und Bild müs­sen bei einem Bil­der­buch beson­ders gut har­mo­nie­ren, das stimmt. Wie lief denn so die Zusam­men­ar­beit mit der Illustratorin?

SM: Das lief wirk­lich super. Wir sind vorab alles durch­ge­gan­gen, dann kamen die Skiz­zen und Ent­würfe von Sabine zu mir und wir haben dann dar­über gespro­chen. Ich gehe immer sehr ins Detail. Aber Sabine hat super mit­ge­macht und hat die Essenz in der Geschichte gut getroffen.

Text und Illus­tra­tio­nen stim­mig hin­zu­be­kom­men war auch eine zeit­li­che Her­aus­for­de­rung. Aber es war für mich auch das erste Mal, fürs nächste Mal weiß ich dann schon mehr.

Übri­gens haben die Illus­tra­tio­nen tat­säch­lich die Geschichte beein­flusst. Anfangs hat Emi sich zum Bei­spiel Gum­mi­stie­fel und Regen­ja­cke ange­zo­gen, ehe sie raus­geht, und bei den Illus­tra­tio­nen haben wir gemerkt, dass das über­haupt nicht gepasst hat. Dann wurde es eben ein war­mer Som­mer­tag. Sabine hat Emi ein tol­les Out­fit verpasst!

BK: Ein ech­tes Frauenteam!

SM: Ich habe auch mit einer tol­len Lek­to­rin zusam­men­ge­ar­bei­tet. Das wurde zu einer wirk­lich guten und inten­si­ven Aus­ein­an­der­set­zung mit der Geschichte. Am Anfang bin ich da ganz naiv ran­ge­gan­gen. (lacht) Ich dachte, ich bräuchte kein Lek­to­rat – das biss­chen Text … Ehe ich mei­nen Anspruch ange­ho­ben habe und mir auch ein Lek­to­rat gesucht habe – was ja mehr als nur die Über­prü­fung der Recht­schrei­bung ist. Heute würde ich es nicht mehr anders machen.

BK: War es Absicht, nur Frauen im Team zu haben?

SM: (lacht) Sie waren ein­fach die Bes­ten! Nein, es war tat­säch­lich keine Absicht, aber diese Frauen haben ein­fach gut gepasst.

BK: Ich finde es vor dei­nem Hin­ter­grund auch nur kon­se­quent! Noch ein­mal zurück zu der Zeit der Ent­ste­hung dei­ner Geschichte. Das letzte Jahr war sicher­lich eine beson­dere Her­aus­for­de­rung für dich, in mehr­fa­cher Hin­sicht, oder?

SM: Ja, das Jahr war schwie­rig. Der Lock­down für sich und dazu dann mein noch so fri­sches Baby. Aber ich habe für mein Pro­jekt so sehr gebrannt, dass ich jede freie Minute daran gear­bei­tet habe. Es ist aber ein Mara­thon und kein Sprint und mit der eige­nen Ener­gie muss man gut haus­hal­ten. Rück­bli­ckend war es viel­leicht gut, dass ich am Anfang nicht gewusst habe, wie viel Arbeit auf mich zukom­men würde.

BK: Das ging uns bei der Ver­eins­grün­dung ähn­lich! Gibt es etwas, das du den Men­schen mit auf den Weg geben möch­test, die vor ähn­li­chen Her­zens­pro­jek­ten stehen?

SM: Wenn du einen sol­chen Her­zens­wunsch hast, mach es! Glaube an dich! Mach dir einen Plan, fange an, suche dir Unter­stüt­zung auf dei­nem Weg und schaffe dir ein Netz­werk für den Erfah­rungs­aus­tausch. Aber grund­sätz­lich: Trau dich! Das heißt nicht, dass es immer leicht sein wird, aber das Ergeb­nis am Ende ist es ein­fach wert. In mei­nem Fall gibt es mir so viel, Kin­dern eine Freude damit zu machen. Das ist so ein gro­ßer Dank!

BK: Wie pas­send, dass unser BK-Motto „Mach doch ein­fach“ ist! Zurück zu dei­nem Buch: Magst du mir ver­ra­ten, was es mit den klei­nen Kobol­den auf sich hat, die dort auf den Sei­ten zu fin­den sind?

SM: (lacht) Dar­auf werde ich häu­fig ange­spro­chen. Die Wich­tel sol­len zei­gen, dass es keine Geschichte ist, die in unse­rer Rea­li­tät spielt. Sie sol­len zei­gen, dass dies Emis Welt ist und ein paar Dinge der Fan­ta­sie zu über­las­sen sind. Die Kin­der haben auf den Sei­ten so auch etwas zu suchen und zu ent­de­cken. Die Wich­tel sor­gen für Gesprächs­stoff, weil vor allem die Erwach­se­nen sich fra­gen, was sie in der Geschichte für eine Funk­tion haben. Aber die Kin­der stel­len es nicht infrage, sie freuen sich dar­über. Ich mag sol­che fan­tas­ti­schen Ele­mente. Sie bie­ten die Gele­gen­heit, auch mal rich­tig krea­tiv zu werden.

BK: Dar­auf bin ich auch direkt rein­ge­fal­len! Meine Toch­ter ist zwar noch etwas zu jung für dein Buch, fand die Wich­tel aber auch schon toll. Nun würde mich noch inter­es­sie­ren, wel­che Bücher du neben „Emi“ emp­feh­len würdest?

SM: Ich liebe auch Bücher wie „Julian ist eine Meer­jung­frau“! Und andere Bücher über starke Mäd­chen oder Frauen, wie zum Bei­spiel „Good night sto­ries for rebel girls“. Meine eigene Geschichte wollte ich aber weni­ger ‚edgy‘ erzäh­len. Ich wollte ein­fach eine Nor­ma­li­tät erzäh­len, wie ich sie mir wün­sche. Davon gibt es mei­ner Mei­nung nach viel zu wenige Kinderbücher.

BK: Als Abschluss stel­len wir Gäs­ten in der Bücher­stadt immer zwei Fra­gen: Wel­che Frage hast du dir in einem Inter­view schon immer gewünscht und wir wäre deine Ant­wort darauf?

SM: (über­legt) Das ist wirk­lich keine ein­fa­che Frage… Viel­leicht die Frage: „Womit möch­test du Men­schen in Erin­ne­rung blei­ben?“ Und ich würde ant­wor­ten: „Ich möchte als jemand in Erin­ne­rung blei­ben, der ande­ren Frauen Mut gemacht, sie geför­dert, unter­stützt, inspi­riert und Türen geöff­net hat.“ Das zu errei­chen wäre toll.

BK: Und die zweite Frage: Wenn du ein Buch wärst, wel­ches wärst du?

SM: (über­legt nicht lange) Ich glaube, ich wäre ein Wim­mel­buch: Es ist immer viel los, wenn man genauer hin­schaut, ent­deckt man wie­der etwas Neues.

BK: Das ist eine schöne Ant­wort! Liebe Sara, herz­li­chen Dank für das berei­chernde Gespräch!

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