Über den Geruch von Büchern

by Zeilenschwimmerin Ronja

Wenn mir jemand sagt „Immer der Nase nach!“, ist die Wahr­schein­lich­keit hoch, dass ich am Ende vor einem Bücher­re­gal lande. Dafür kann ich nichts, der Geruch von Büchern ist nun ein­mal unwi­der­steh­lich für eine biblio­phile Per­son wie mich! Papier, Tinte, Ein­band … End­lich ist klar, was „die Nase tief in ein Buch ste­cken“ wirk­lich bedeu­tet, sagt Zei­len­schwim­me­rin Ronja.

Der Geruchs­sinn ist in der Natur über­le­bens­wich­tig. Auch wir moder­nen Men­schen sind stär­ker von ihm abhän­gig, als wir viel­leicht glau­ben. Unsere Nase sagt uns nicht nur, wenn das Essen ver­dor­ben ist oder das Brot im Toas­ter gerade anbrennt, sie hat auch gro­ßen Ein­fluss auf unser sozia­les Umfeld. Wenn wir jeman­den nicht rie­chen kön­nen, dann ist das oft nicht nur ein Sprich­wort, son­dern genau so zu ver­ste­hen: Der Geruch die­ses Men­schen stößt uns ab, macht ihn uns unsym­pa­thisch. Umge­kehrt kann ein bestimm­ter Geruch uns natür­lich auch anzie­hen. Unser Gehirn kann sich Dinge oder Erleb­nisse bes­ser mer­ken, je mehr Sinne daran betei­ligt sind. Der Geruchs­sinn spielt dabei eine ganz große Rolle. Wie oft pas­siert es, dass wir etwas rie­chen und uns sofort daran erin­nern, bei wem oder was wir die­sen Geruch das erste Mal in der Nase hat­ten? Dabei kön­nen wir mehr Gerü­che unter­schei­den, als wir uns vor­stel­len können.

Der Geruch von Büchern ist nur einer davon. Falsch: Die Gerü­che von Büchern sind nur ein paar davon. Schon recht. Gerü­che. Nicht jedes Buch riecht gleich. Und damit meine ich nicht nur den Unter­schied von einem neuen zu einem alten Buch.

Ver­lags­ge­ruch und ver­gan­gene Leben

Ein neues Buch, frisch aus der Ver­pa­ckung, riecht beson­ders inten­siv. Je nach­dem, wel­ches Papier, wel­che Tinte, wel­cher Kle­ber benutzt wurde, riecht das Buch anders. Ich würde fast behaup­ten, jedes Ver­lags­haus hat sei­nen eige­nen Buch­ge­ruch. Manch­mal kommt es vor, dass ich ein neues Buch auf­schlage und den Geruch, der mir ent­ge­gen­fliegt, wie­der­erkenne. Dann rie­che ich so lange an dem Buch, bis mir ein­fällt, bei wel­chem ande­ren Buch ich ihn das erste Mal gero­chen habe.

Alte Bücher rie­chen ganz anders. Es kommt auf die Qua­li­tät der Mate­ria­lien an, auf den Stand­ort, die Luft­feuch­tig­keit und vor allem auf den Vor­be­sit­zer. Ab der Inbe­sitz­nahme eines Buches ist der Besit­zer – das heißt: du – für den Geruch ver­ant­wort­lich. Je nach­dem, wie inten­siv der Geruch dei­nes Lebens­raums ist (Ja, deine Woh­nung riecht nach dir, dei­nem Essen, dei­nen Hob­bies, dei­nem Deodo­rant, auch wenn du selbst es nicht merkst) hält sich der ursprüng­li­che Buch­ge­ruch viel­leicht noch sehr lange. Irgend­wann wird das Buch aber einen Teil dei­nes Geruchs auf­ge­nom­men haben. Viel­leicht kaum wahr­nehm­bar, aber du wirst ihm anhaf­ten. Und natür­lich der Staub. Alte Bücher haben eine pracht­volle Staub­note. Wer noch nicht weiß, was ich damit meine, sollte drin­gendst ein Anti­qua­riat auf­su­chen. Ein Anti­qua­riat, das nach den ver­gan­ge­nen Leben riecht, die sich rings um die Bücher abge­spielt haben. Und eben nach Staub.

Das Par­füm­buch und ein Pappkarton

Im Gegen­satz zum char­man­ten Anti­qua­ri­ats­ge­ruch und dem sanf­ten Nach­hall des Vor­be­sit­zers, der nicht nur erträg­lich, son­dern manch­mal auch inter­es­sant ist, gibt es auch Bücher, die mir wegen ihres Geruchs (bzw. Gestanks) nie­mals ins Regal kom­men würden.

Eine Geruchs­sünde war das Par­füm­buch. Das Par­füm­buch war ein bil­li­ges Taschen­buch, nicht anders als andere möchte man mei­nen. Es wurde aller­dings einer wich­ti­gen Eigen­schaft beraubt: sei­nes Eigen­ge­ruchs. Wir wer­fen uns tag­täg­lich künst­li­che Gerü­che über, um unsere kör­per­ei­ge­nen zu über­de­cken. Nichts dage­gen ein­zu­wen­den, aber man­che über­trei­ben maß­los. Die­ses Buch jeden­falls muss eine volle Fla­sche Par­füm abbe­kom­men haben. Anders kann ich mir nicht erklä­ren, wie etwas so par­fü­miert stin­ken kann.

Apro­pos Par­füm: Tat­säch­lich wurde schon ein Par­füm her­ge­stellt, das nach neuem Buch rie­chen sollte: „Paper Pas­sion “. Wer sich jetzt jedoch freut, end­lich selbst wie ein Buch rie­chen zu kön­nen, wird gleich drei schlechte Nach­rich­ten auf­neh­men müs­sen. Zum einen ist das Par­füm beim Her­stel­ler ver­grif­fen und nach einem ohne­hin schon nicht bil­li­gen Erst­ver­kaufs­preis von 85 Euro mit mitt­ler­weile fast 200 Euro und mehr ein­deu­tig etwas für Samm­ler. Zum ande­ren ist zu lesen, dass der Duft sehr schnell – so Zeit-Online – „wie ein Papp­kar­ton vol­ler Schei­ben­rei­ni­ger“ riecht.

Eine andere Geruchs­sünde ist für mich Rauch, ins­be­son­dere Ziga­ret­ten­rauch. Er bleibt lange im Papier hän­gen. Für mich ein wah­rer Kauf­ver­hin­de­rungs­grund. Viele Nicht­rau­cher wer­den das ver­ste­hen, ande­ren macht es dage­gen nichts aus.

Um unlieb­same Gerü­che aus Büchern zu ent­fer­nen, gibt es ver­schie­dene Metho­den. Ein Bei­spiel: Das Buch mit etwas Natron in einer Papier­tüte etwa eine Woche lang ste­hen las­sen. Bis­her habe ich noch nichts davon selbst aus­pro­biert, aber laut „der Bücher-Berg“ funk­tio­nie­ren drei beson­ders gut.

Comics und Geständnisse

Es gab eine Zeit, in der ich mich nicht getraut habe, zuzu­ge­ben, dass ich an Büchern rie­che. Als wäre Bücher­schnüf­feln etwas Ver­bo­te­nes. Dabei ist das keine Sel­ten­heit. Bücher­schnüf­feln ist nicht selt­sa­mer als andere mensch­li­che Vor­lie­ben. Und unge­fähr­li­cher oben­drein. [Es sei denn, du lässt das Buch dabei auf dei­nen Fuß fal­len.] Wer wei­tere Beweise dafür braucht, muss sich nur all die Comics, Bil­der, Videos und sogar Arti­kel anse­hen, die es dazu im Inter­net gibt. Fol­gende Stich­wör­ter für die Such­ma­schine sind in die­ser Hin­sicht emp­feh­lens­wert: „book snif­fer“ oder „book snif­fing“. Die eng­lisch­spra­chige Buch­schnüf­fel-Gemein­schaft scheint in die­ser Ange­le­gen­heit selbst­be­wuss­ter zu sein. Mit der deut­schen Über­set­zung der Such­be­griffe fin­det man vor allem Bücher über das Schnüf­feln von Hun­den (also Hunde, die schnüf­feln; nicht Men­schen, die an Hun­den schnüffeln).

Also ste­hen wir dazu und sagen: Ich rie­che an Büchern und ich bin nicht allein!

Illus­tra­tio­nen: Geschich­ten­zeich­ne­rin Celina

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3 comments

Geheimnisse und Gemeinheiten – Bücherstadt Kurier 18. Mai 2018 - 19:48

[…] Das Buch riecht auch ziemlich […]

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Bücherwurm 2. Februar 2019 - 3:23

Eigent­lich hatte ich ja nach der Zusam­men­set­zung alter Tinte (um 1700/1800) gesucht... 

Ich geb’s zu: Auch ich rie­che an/in Büchern! – Schon immer! Du siehst, Du bist nicht allein! 😀 

Einige neue Bücher rie­chen wie­der wie die aus mei­ner Kind­heit in den 60-er Jah­ren! Lange gab‘ es den Geruch nicht mehr und die Bücher stan­ken eigent­lich nur noch! Aber nun ver­wen­den ein paar ganz wenige alter­na­tive Dru­cke­reien diese Far­ben und Kle­ber wie­der. Das erste Mal ist es mir in einem Kata­log eines Bio­mö­bel­her­stel­lers (Ende der 90-er Jahre) auf­ge­fal­len! – DAS war toll! Aber der Her­stel­ler lässt diese teu­ren Kata­loge auch nicht mehr dru­cken. Na ja, der Öko von damals hat mit dem Grü­nen von heute auch fast nichts mehr gemein... 

Wenn ein gebrauch­tes Buch stinkt, und ich es nicht unbe­dingt haben muss, nehme ich es nicht! 

Aber, wie „toll“: Es gibt einen eng­li­schen Aus­druck dafür! Ja, dar­auf hat die Welt gewar­tet... Gibt’s schon ’ne What’s App-Gruppe zum täg­li­chen Gedan­ken­aus­tausch dazu? Wenn man sonst keine Sor­gen hat... 

P.S.: Bei wel­chen dreien funk­tio­niert was gut? Bei drei Büchern in einer Tüte mit Natron­zu­gabe??? Aber doch bitte nicht das Natron direkt auf das Buch/die Bücher schüt­ten! Natron funk­tio­niert auch sonst als Geruchs­neu­tra­li­sie­rer und zieht prima die Farbe...

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Zeilenschwimmerin Ronja 4. Februar 2019 - 13:56

Die Wege des Inter­nets sind uner­gründ­lich ... Umso schö­ner, wenn sie in die Bücher­stadt füh­ren! Und es ist schön zu wis­sen, nicht allein zu sein. 🙂
Was die Tipps angeht, um unan­ge­nehme Gerü­che aus Büchern zu ent­fer­nen: Da hat sich wohl ein Link ver­flüch­tigt. Hier geht es zu der Seite, auf die ich ver­wei­sen wollte: http://​www​.bue​cher​samm​ler​.de/​w​i​e​-​w​e​r​d​e​-​i​c​h​-​m​u​f​f​i​g​e​n​-​g​e​r​u​c​h​-​b​e​i​-​b​u​c​h​e​r​n​-​l​os/
Per­sön­lich musste ich Ver­schie­de­nes pro­bie­ren, um ein extrem rau­chi­ges Buch, das nicht ein­fach zu bekom­men war, les­bar zu machen: ein­frie­ren, mit Natron in eine Tüte packen, ein­fach lie­gen las­sen ... Letzt­end­lich wurde es nur bes­ser, nach­dem es meh­rere Monate mit einem (ein­ge­pack­ten) Stück Seife in einer Tüte her­um­lag. Danach roch es nicht annä­hernd nach Seife, aber immer noch ent­fernt rau­chig. Es war aus­zu­hal­ten (mit einem gewis­sen Abstand zur Nase).

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