Was haben Computerspiele mit Literatur zu tun?

by Seitenkünstler Aaron

Computerspiele und Literatur

Was haben Com­pu­ter­spiele mit Lite­ra­tur zu tun? Um Ant­wor­ten auf diese Frage zu fin­den, hat Sei­ten­künst­ler Aaron geforscht, stu­diert, gele­sen und gespielt.

Am Com­pu­ter spie­len – nur was für gelang­weilte Jugendliche?

Vor über 40 Jah­ren begann die Ent­wick­lung des Com­pu­ter­spiels mit so simp­len Pro­gram­men wie Pong. Heute ist es ein mul­ti­me­dia­les Leit­me­dium und steht in eini­gen Län­dern in sei­ner kul­tu­rel­len und wirt­schaft­li­chen Bedeu­tung (E-)Buch und Film in nichts nach. Und obwohl in Deutsch­land das Durch­schnitts­al­ter von Com­pu­ter­spiel-Nut­zern inzwi­schen bei 35 Jah­ren liegt, wird die­ses Thema im kul­tu­rel­len Hoch­dis­kurs noch immer recht sel­ten besprochen.
Die geringe gesell­schaft­li­che Akzep­tanz in der Öffent­lich­keit liegt hier­zu­lande unter ande­rem daran, dass nicht offen dar­über kom­mu­ni­ziert wird. Viele Spie­ler tau­schen sich nur mit ande­ren Spie­lern zu dem Thema aus und einige Nicht-Spie­ler wol­len auf­grund von alten Vor­ur­tei­len nichts davon wis­sen. Com­pu­ter­spiele sind nicht ein­fach nur das Hobby von gelang­weil­ten Jugend­li­chen, son­dern ein Phä­no­men, über das auf­grund sei­ner wach­sen­den Bedeu­tung zu reden nötig ist.

Was hat das mit Lite­ra­tur zu tun?

Zuge­ge­ben, diese Frage muss bei jedem Com­pu­ter­spiel ein­zeln ent­schie­den wer­den, da es nicht das eine Com­pu­ter­spiel gibt. Gerade in den letz­ten Jah­ren wer­den von Auto­di­dak­ten und klei­nen Stu­dios viele neu­ar­tige Spiele ent­wi­ckelt, die mit inno­va­ti­ven Stra­te­gien neben den alt­be­kann­ten und ver­pön­ten Gen­res glän­zen. Und dies hat meis­tens mit Nar­ra­tion – und oft auch mit Spra­che zu tun. Als „Game Over“-Schriftzug, als inter­ak­ti­ver Dia­log mit pro­gramm­ge­steu­er­ten Spiel­fi­gu­ren, als Geräusch, im Chat­fens­ter mit ande­ren Spie­lern – in den meis­ten Spie­len spielt Spra­che eine wich­tige Rolle. Ebenso fin­den sich häu­fig Bezüge auf Lite­ra­tur – in Namen von Figu­ren und Orten, in der Glie­de­rung in Akten und Chap­tern [Kapi­teln], bei aven­tû­re­haf­ten Ques­ten und bei Adap­tio­nen von lite­ra­ri­schen Vorlagen.

Also braucht das Com­pu­ter­spiel die Literatur?

Das Com­pu­ter­spiel ent­wi­ckelte sich nicht aus dem Nichts und Spie­ler mögen auch Bezug auf Bekann­tes. Doch auch wenn einige Gen­res nicht ohne Erzäh­lung und Spra­che aus­kom­men, sind Com­pu­ter­spiele im Kern nicht von der Lite­ra­tur abhän­gig. Das Game­play, das inter­ak­tive Steu­ern im EVA-Prin­zip nach einem Regel­sys­tem in einem Pro­gramm­ab­lauf, ist der Kern. Dies zei­gen zahl­rei­che Spiele, wie z.B. „Nais­sancee“.
Mit neuen tech­ni­schen Mög­lich­kei­ten erge­ben sich auch immer neue Chan­cen für Com­pu­ter­spiele. So ver­bin­det das Inter­net Spie­ler glo­bal und das Ocu­lus Rift ermög­licht beein­dru­ckende vir­tu­elle Rea­li­täts­er­fah­run­gen. Neben der tech­ni­schen Seite spielt auch der Erfin­der­geist der Game­de­si­gner eine wich­tige Rolle. Inno­va­tion führt zu sen­sa­tio­nel­len Ergeb­nis­sen einer­seits bei Kunst-Com­pu­ter­spie­len wie bei „Sun­set von tell­tale“, ande­rer­seits bei teils not­ge­drun­ge­nen – teils pro­fit­gei­len, Stra­te­gien des Geld­ver­die­nens, wie zahl­rei­che Fre­e­mi­um­ga­mes und In-App-Käufe zei­gen. Viel­leicht bedarf das Com­pu­ter­spiel der Erfah­rung, die Lite­ra­tur­bran­che und Leser seit Jahr­hun­der­ten sam­meln, um nicht alte Feh­ler erneut zu begehen.

Was Com­pu­ter­spiele Lite­ra­tur­lieb­ha­bern bie­ten können

Es gibt bereits Ver­schmel­zun­gen mit der Lite­ra­tur, wie Hyper­texte, Ent­schei­de­sto­rys ana­log oder im Inter­net. Auch las­sen man­che AutorIn­nen in ihren Büchern Games eine wich­tige Rolle spie­len. Viele erfolg­rei­che Publi­ka­tio­nen wie bei­spiels­weise „Das Lied von Feuer und Eis“ funk­tio­nie­ren bereits über den Medi­en­ver­bund mit dem Com­pu­ter­spiel. So kön­nen Leser ihre Lieb­lings­welt auch mit dem Aspekt der Inter­ak­tion und aus wei­te­ren Per­spek­ti­ven erle­ben. Für Pro­du­zen­ten erschöpft sich eine höhere Ver­mark­tungs­fä­hig­keit des Stof­fes und auch für Tex­ter und Illus­tra­to­ren bie­ten sich in der Games­bran­che Arbeitsmöglichkeiten.

Wer fürch­tet, dass das Buch „wegen die­ser neuen Tech­nik“ aus­sterbe, sei beru­higt: Natür­lich ersetzt ein Com­pu­ter­spiel das fan­ta­sie­for­dernde Lesen nicht. Auch sind Strom und Geräte erfor­der­lich, wo gedruckte Sei­ten in ihrer Schlicht­heit punk­ten. Es ist nicht sinn­voll, nur die Kon­kur­renz der bei­den Medien zu sehen. Frucht­ba­rer erscheint doch die Stra­te­gie, Bücher und Com­pu­ter­spiele in ihren Gemein­sam­kei­ten wahr­zu­neh­men. Des­we­gen möchte ich alle Leser ermu­ti­gen, den Blick über den Tel­ler­rand bzw. den Buch­rü­cken zu wagen. Wer weiß, was Leser und Gamer noch Gutes aus einem gemein­sa­men Dia­log zie­hen können...

Was denkt ihr dar­über? Und wie sieht es mit ana­lo­gen Spie­len wie Brett- und Kar­ten­spie­len aus?

Die­ser Text ist erst­mals in der 18. Aus­gabe erschienen.

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4 comments

Satzhüterin Pia 3. Juli 2016 - 14:38

Ein sehr tol­ler Ein­stiegs­text in das neue Res­sort! Ich finde den Ansatz sehr span­nend und mir fal­len spon­tan tau­send Mög­lich­kei­ten ein – ähn­lich dem Film­thea­ter – ein ver­meint­lich frem­des Res­sort mit Lite­ra­tur in Ver­bin­dung zu bringen!
Freue mich auf viele neue Ansätze 🙂

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3. Juli 2016 - 15:30

Juhu! Ich freue mich auch über die Mög­lich­keit, unter­schied­li­che Medien in Ver­bin­dung zu brin­gen und bin gespannt, was dabei herauskommt! 🙂

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Arina 21. November 2016 - 7:51

Ein sehr schö­ner Artikel!
Das Medium Com­pu­ter­spiel ist mitt­ler­weile erwach­sen gewor­den. Wie der Film und das Buch vor ihm auch, brauchte es eben seine Zeit, um kom­plexe, künst­le­ri­sche Züge zu entwickeln.
Es gibt Com­pu­ter­spiele, die zum ein­fa­chen Dad­deln ein­la­den (was auch seine Berech­ti­gung hat – der Mensch spielt nun mal gerne), ande­rer­seits gibt es mitt­ler­weile auch sol­che, die bewe­gend oder tief­grün­dig sind.

Ein Spiel, das mich noch nach Jah­ren umtreibt und für mich eigent­lich mehr ein Gedicht, ein lite­ra­ri­sches Werk das unter die Haut geht, ist „Dear Esther“ von The Chi­nese Room. Wer des Eng­li­schen mäch­tig ist sollte sich auf die­ses atmo­sphä­ri­sche Spiel unbe­dingt ein­las­sen und es gleich meh­rere Male durch­spie­len, da es bei jedem Durch­gang etwas ande­res zu sehen und zu hören gibt (etwas, was bei einem Buch so nicht mög­lich ist).

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Aaron 21. November 2016 - 23:30

@Arina Dan­ke für den schö­nen Kom­men­tar. Dann kommt ‘Dear Es­ther’ auf mei­ne per­sön­li­che Wunsch­lis­te – und be­stimmt auch bald hier auf die Spiel­stra­ße. Ist dies nicht ein Er­kun­dungs­spiel aus der Eg­o­per­spek­ti­ve, das auf ei­ner In­sel spielt? Ich mei­ne, das mal in ei­nem Let’sPlay ge­se­hen zu haben...
Was die­ses Gen­re an­geht, fand ich das Spiel ‘The Old City: Le­via­than’ sehr span­nend und ‘le­sens­wert’.

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