Was sind Open World Games? Themenreihe: Open World Games

by Satzhüterin Pia

Breath of the Wild (Screen­shot: Zei­chen­set­ze­rin Alexa)

Eine über­flüs­sige Frage? Der Name sagt doch eigent­lich schon alles, möchte man mei­nen: Ein Open World Game beschreibt ein Spiel mit einer offe­nen Spiel­welt. Aber… wann genau ist eine Spiel­welt offen? Sind Spiele nicht allein schon wegen ihres pro­gram­ma­ti­schen Hin­ter­grunds immer „geschlos­sen“? Satz­hü­te­rin Pia wirft zum Ein­stieg in die Reihe zu Open World Games anhand eini­ger Bei­spiele einen genauen Blick darauf.

Eine offene Spiel­welt klingt fan­tas­tisch – gren­zen­lose vir­tu­elle Frei­heit! Der Trend geht nicht umsonst immer mehr in diese Rich­tung. Selbst Spiele, deren Kon­zept seit vie­len Jah­ren ein linea­rer und strin­gent vor­ge­ge­be­ner Ver­lauf war, wer­den mehr und mehr in Rich­tung offene Spiel­welt ent­wi­ckelt. Zum Bei­spiel die neuen Reboot-Teile von „Tomb Rai­der“ (TR) Lara Croft. Genauso wie die Zelda-Reihe waren es bis­her Spiele, die vor allem linear ver­lie­fen. Mit „Breath of the Wild“ (BotW) hat Nin­tendo näm­lich auch die Spiel­welt von Zelda mehr denn je geöffnet.

Natür­lich sind Spiel­wel­ten immer begrenzt – schon auf­grund ihrer pro­gram­ma­ti­schen Her­kunft. Im Gegen­satz zu Jump’n’Run-Spielen, die einen aus­schließ­li­chen Weg vor­ge­ben, wir­ken viele Spiele wie Open-World-Spiele. Doch ab wann kön­nen wir wirk­lich von einer offe­nen Spiel­welt sprechen?

Unge­hin­derte Bewegungsfreiheit

Eine ein­deu­tige Defi­ni­tion gibt es hierzu wie so oft in der Games Bran­che nicht. Wiki­pe­dia nennt im Grunde drei ele­men­tare Punkte, anhand derer eine offene Welt fest­ge­macht wer­den kann: So wür­den Spie­ler und Spie­le­rin­nen „über­durch­schnitt­lich viele Frei­hei­ten und Mög­lich­kei­ten“ besit­zen, das Spiel zu spie­len. Wei­ter­hin hät­ten sie von „Spiel­be­ginn an unge­hin­derte Bewe­gungs­frei­heit“ und immer die eigene Ent­schei­dung, „was [sie] wann und wie in der Spiel­welt erkun­den möchte[n].“

In sei­ner Dok­tor­ar­beit beschreibt der Tsche­che Thomás Plch den Cha­rak­ter der Open-World-Spiele fol­gen­der­ma­ßen: „Open World Games (OWGs) kön­nen als vir­tu­elle Umge­bun­gen ver­stan­den wer­den, die dem Spie­ler maxi­male Bewe­gungs­frei­heit und Aktio­nen bie­ten. Ein­fach gesagt, sollte der Spie­ler über­all hin­ge­hen kön­nen. Ein OWG im gro­ßen Maß­stab ist eine kon­ti­nu­ier­li­che Welt, in der alles gleich­zei­tig geschieht. Häu­fig sind es Spiele, die eine umfang­rei­che vir­tu­elle Land­schaft abde­cken, bis zu hun­derte von Qua­drat­ki­lo­me­ter.“ (Plch 2017)

Man­gels einer ein­deu­ti­gen Defi­ni­tion machen wir also ein Open World Game an bestimm­ten Merk­ma­len fest, die es uns erleich­tern, zwi­schen gewis­sen Frei­hei­ten im Spiel und einer rich­ti­gen offe­nen Spiel­welt unter­schei­den zu können.

Assassin’s Creed Syn­di­cate (Screen­shot: Satz­hü­te­rin Pia)

Unend­li­che Weiten

Zual­ler­erst haben wir also eine offene Spiel­welt, die sich beson­ders durch immens große Land­schaf­ten aus­zeich­net. Durch einen weit ent­fern­ten Hori­zont (zum Bei­spiel „Far Cry Pri­mal“, des­sen urzeit­li­che Wild­nis nicht zu enden scheint), wird es Spie­le­rin­nen und Spie­lern immer wie­der bewusst, wie viel Raum sich ihnen für so viele Spiel­stun­den eröff­net. Denn man kann sich in Open World Games stun­den­lang ver­lie­ren, mehr oder weni­ger „sinn­lose“ Hand­lun­gen aus­füh­ren und die Haupt­hand­lung nach Belie­ben wei­ter­füh­ren. (Mehr zu den Neben­auf­ga­ben wei­ter unten im Text.)

Diese offene Spiel­welt kann (in Tei­len) von Anfang an erforscht wer­den. In Tei­len, weil sel­ten eine Spiel­welt von Beginn an kom­plett offen ist, son­dern zumeist mit der Zeit erschlos­sen wird. Erschlos­sen wird sie vor allem dann, wenn die Spiel­fi­gur sich auf­rüs­ten kann, Erfah­rungs­punkte gesam­melt wer­den oder nach bestimm­ten Sequen­zen ein wei­te­rer Teil der Welt frei­ge­schal­tet wird. Gilt „in Tei­len“ also? Sehen wir es ganz streng, wären zum Bei­spiel die „Assassin’s Creed“-Spiele (oder wenigs­tens einige dar­aus, ich habe nicht alle gespielt) eher Open World Games als zum Bei­spiel die neu­es­ten Teile von TR.

Wäh­rend wir zum Bei­spiel bei „Assassin’s Creed Syn­di­cate“ (ACS) Lon­don prin­zi­pi­ell kom­plett von Beginn an berei­sen kön­nen (auch wenn sich das nicht unbe­dingt emp­feh­len mag), schal­ten sich bei TR die Berei­che erst nach und nach frei – wir kön­nen nie von Beginn an auf alle Berei­che zugrei­fen. Fai­rer­weise behaup­tet TR auch nicht von sich, ein Open World Game zu sein. In BotW ist nach einem ein­füh­ren­den Tuto­rial alles jeder­zeit mög­lich (man kann auch direkt zum End­boss gehen und ver­su­chen, ihn zu besie­gen, wird aller­dings ver­mut­lich schei­tern, weil man noch nicht die nöti­gen Skills hat; aber die Mög­lich­keit wäre da.)

Den­noch kann auch TR (wir spre­chen hier immer vom Reboot von 2013, 2015 und 2018), im Gegen­satz zu linea­ren Spie­len, die aus ein­zel­nen Leveln und aus einer fest­ge­leg­ten Rei­hen­folge an Auf­ga­ben bestehen, in Tei­len als Open World Game bezeich­net wer­den. Dazu wird es im Ver­lauf die­ser The­men­reihe noch wei­tere Texte geben.

Nur eine Illusion?

Beson­ders bei den von Spie­lern zu erle­di­gen­den Auf­ga­ben (=Quests), merkt man, dass es haupt­säch­lich um den Ein­druck einer offe­nen Spiel­welt geht: Hier wird ver­sucht, eine fest­ge­legte Abfolge der Auf­ga­ben zu ver­mei­den, aber alleine auf­grund der Hand­lung, für die die Auf­ga­ben wich­tig sind, ist eine voll­kom­men frei­ge­stellte Rei­hen­folge nicht mög­lich. So ganz lässt sich die nar­ra­tive Ebene also nicht aus­klam­mern: Eine Geschichte ent­wi­ckelt sich über auf­ein­an­der auf­bau­ende Ereig­nisse. Sehr viel ein­fa­cher ist dies in linea­ren Video­spie­len zu erfül­len. Der Punkt zur Ent­schei­dungs­frei­heit, „was [Spie­ler] wann und wie in der Spiel­welt erkun­den möchte[n]“ (Plch 2017), ist also zumin­dest nicht auf die Quests zu über­tra­gen. Aus nar­ra­ti­ver Sicht muss immer auch eine Vor­gabe herr­schen. Neben­auf­ga­ben, also Side Quests, sind dage­gen optio­nal und nicht unmit­tel­bar wich­tig für den Spiel­ver­lauf, haben also keine direkte Aus­wir­kung dar­auf. Man kann sich damit län­ger in der Spiel­welt auf­hal­ten, die Spiel­fi­gur hoch leveln, oder bestimmte Res­sour­cen erhal­ten, greift aber nicht in die Hand­lung direkt ein.

Tomb Rai­der (Screen­shot: Satz­hü­te­rin Pia)

Rie­sige Spielwelten

Ein wei­te­res Merk­mal für Open World Games ist die Größe der Spiel­welt, die zu Fuß meist kaum zu bezwin­gen ist. Ent­we­der hel­fen hier­bei Fort­be­we­gungs­mit­tel (bei ACS rei­sen wir, bezie­hungs­weise Jacob und Evie Frye, stil­echt, wie es sich für das 19. Jahr­hun­dert gehört, mit Kut­schen durch Lon­don), oder soge­nannte Schnell­rei­se­punkte. Sowohl TR, BotW als auch AC die­nen damit: Bei AC sind es die typi­schen Adler­aus­gu­cke auf Kirch­tür­men und ähn­li­chem, bei TR sind es die Lager­feuer, an denen Lara auch Klei­dung, Aus­rüs­tung und wei­te­res ein­se­hen und anpas­sen kann, bei BotW kann man sich zu akti­vier­ten Schrei­nen und Tür­men teleportieren.

Die jewei­li­gen Gebiete hän­gen zusam­men und bil­den so eine rie­sige Spiel­welt. Und vor allem kön­nen sie ohne Lade­bild­schirm betre­ten wer­den. Aus­nah­men bestä­ti­gen die Regel, zum Bei­spiel gehen die Schnell­rei­se­punkte immer mit Lade­bild­schir­men ein­her. Wenn wir aber mit der Kut­sche quer durch Lon­don rasen, pas­siert dies ohne Lade­stopps. Bei TR ist dies ganz tri­cky, so viel sei an die­ser Stelle schon ver­ra­ten: Hier haben die Ent­wick­ler ver­steckte Lade­bild­schirme ein­ge­baut und las­sen Lara ledig­lich beson­ders mühe­voll und lang­sam durch Fels­spal­ten krie­chen. Dahin­ter ver­birgt sich nichts ande­res als der Ladebildschirm.

Zum Wei­ter­le­sen:

  • Plch, Tomáš: Believ­a­ble Decision Making in Large Scale Open World Games for Ambi­ent Cha­rac­ters. Prag. 2017. (Eigene Übersetzung)
  • Open-World-Spiel (Wiki­pe­dia)
  • BK-Aus­gabe 24, S. 27 (FC Primal)

Wie fin­det ihr diese neue Ent­wick­lung? Mögt ihr es, euch in einer offe­nen Spiel­welt ver­lie­ren zu kön­nen und ewig durch die – zumeist gran­dios aus­se­hen­den – Land­schaf­ten zu strei­fen? (Ich per­sön­lich könnte alleine des­we­gen ewig Zeit bei „Far Cry Pri­mal“ ver­brin­gen.) Oder mögt ihr lie­ber die klas­sisch linea­ren Videospiele?

Ein Bei­trag zur The­men­reihe „Open World Games“. Vom 17. bis zum 25. Februar 2020 stel­len wir euch in der Spiel­straße anhand von auge­wähl­ten Open-World-Spie­len unter­schied­li­che Open-World-Kon­zepte vor. Hier wer­den alle Bei­träge gesam­melt. Wir wün­schen allen viel Freude beim Lesen und sind gespannt auf eure Kommentare!

Gra­fik (Open World Map): Satz­hü­te­rin Pia

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2 comments

Assassin’s Creed Origins – der Anfang der Assassinen 20. Februar 2020 - 12:09

[…] inzwi­schen zehnte Teil der „Assassin’s Creed (AC)“-Hauptserie ist der Nach­fol­ger von „Syn­di­cate“ und bringt viele neue Aspekte mit sich. Mit Bayek von Siwa, einem Med­jai, gehen wir in […]

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Heldenreise vs. Open World? – Bücherstadt Kurier 22. Februar 2020 - 21:20

[…] Bewe­­gungs- und Ent­schei­dungs­frei­heit (mehr zu den Merk­ma­len könnt ihr hier lesen: „Was sind Open World Games?“). Das ist in „Breath of the Wild“ mal mehr und mal weni­ger gege­ben. Meine Analyse […]

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