Zehn Meter oben im Himmel Deutscher Jugendliteraturpreis 2019

by Worteweberin Annika

Romane wer­den nor­ma­ler­weise in Prosa erzählt, Kapi­tel, ganze Sätze, alles ganz „nor­mal“. In „Ich weiß, heute Nacht werde ich träu­men“ macht Ste­ven Her­rick alles ein biss­chen anders und wurde des­halb für den Deut­schen Jugend­li­te­ra­tur­preis 2019 nomi­niert. Worte­we­be­rin Annika hat den Roman in Ver­sen gelesen.

„Ich weiß, heute Nacht werde ich träu­men“ erzählt vom Erwach­sen­wer­den, vom Glück und Schmerz des Lebens, von der ers­ten Liebe. Die Mut­ter von Harry und Keith ist ver­stor­ben, nun sind die bei­den Jungs mit ihrem Vater alleine. Jeden Abend sit­zen sie im Gar­ten und essen eine Was­ser­me­lone – erst wird sie vom Vater in Stü­cke geschnit­ten, spä­ter, nach sei­nem Unfall, ist es der ältere Bru­der Harry, der die Auf­gabe übernimmt.

Er ist der Ich-Erzäh­ler die­ses Romans, der mit ver­schie­de­nen Situa­tio­nen der Jugend zu kämp­fen hat. Seine sehr gute Freun­din Linda ver­un­glückt beim Schwim­men, doch in Har­rys Erin­ne­rung ist sie wei­ter prä­sent. Aller­dings gibt es noch einen wei­te­ren Jun­gen, der immer wie­der an ihr Grab kommt. Und natür­lich gibt es auch andere Strei­tig­kei­ten zwi­schen den Jugend­li­chen, Freund­schaf­ten, Eifer­sucht. Außer­dem ent­hält die­ses Buch ein ganz wun­der­ba­res Kapi­tel über das Lesen, das das Herz jedes Bücher­wurms höher­schla­gen lässt:

„Dad ist weit weg
auf einer Farm,
in einem Dschungel,
auf einem schau­keln­den Schiff. […]
Dann hält er mir das Buch hin
und meint:
‚Lohnt sich,
den Ort zu besu­chen, Harry.
Weißt du das?
Ein schö­ner Ort,
bevor du ein­schläfst.‘“ (S. 182–183)

Dass Her­ricks Roman in Ver­sen erzählt ist, bedeu­tet nicht, dass sich die­ser Text reimt, dass es Stro­phen oder gar Refrains geben würde. Her­ricks ver­wen­det ledig­lich eine sehr rhyth­mi­sche Spra­che und lässt seine Sätze über meh­rere Verse flie­ßen. Natür­lich wird hier nicht alles aus­er­zählt und ‑fabu­liert wie in einem „nor­ma­len“ Roman – „Ich weiß, heute Nacht werde ich träu­men“ ist ein poe­ti­scher Text vol­ler Leer­stel­len, vol­ler magi­scher Sprach- und Glücks­mo­mente, der sich auf ein­zelne Situa­tio­nen und Details kon­zen­triert, die sich dafür umso tie­fer einprägen.

„Meine Stadt
erzählt mir ihre Geheimnisse,
wäh­rend ich
still dasitze,
zehn Meter oben
im Him­mel.“ (S. 72)

Wer bereit ist, die eige­nen Lese­ge­wohn­hei­ten zu über­lis­ten und einen etwas ande­ren Roman zu lesen und wer Freude an Spra­che hat, sollte zu die­sem tol­len Buch grei­fen. Der Text liest sich trotz der unge­wöhn­li­chen Form flüs­sig, über­rascht und macht glück­lich! Nun heißt es Dau­men drü­cken, dass das auch mit dem Deut­schen Jugend­li­te­ra­tur­preis 2019 belohnt wird. Wel­cher Titel den Preis gewinnt, wird am 18. Okto­ber 2019 auf der Frank­fur­ter Buch­messe bekannt gegeben.

Ich weiß, heute Nacht werde ich träu­men. Ste­ven Her­rick. Aus dem aus­tra­li­schen Eng­lisch von Uwe-Michael Gutzsch­hahn. Thie­ne­mann. 2018.

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