Zweimal Jane Austen zum Hören „Mansfield Park“ & „Überredung“

by Worteweberin Annika

Worte­we­be­rin Annika ist nicht nur Fan der eng­li­schen Schrift­stel­le­rin Jane Aus­ten, auch die Hör­spiel­adap­tio­nen ihrer Romane aus dem Hör­ver­lag haben es ihr ange­tan. Mit „Mans­field Park“ und „Über­re­dung“ hat sie jetzt gleich zwei neue Hör­rei­sen in Aus­tens Werk unternommen.

„Mansfield Park“

Fanny Price kommt als Zehn­jäh­rige in das Haus ihres wohl­ha­ben­den Onkels Sir Bert­ram, da ihre Eltern ihr bei den vie­len Geschwis­tern nicht gerecht wer­den kön­nen. Zwi­schen ihren vier Cou­sins und Cou­si­nen muss Fanny aber wei­ter­hin zurück­ste­cken. Ihr Cou­sin Edmund ist lange ihr ein­zi­ger Ver­bün­de­ter. Die Geschichte nimmt Fahrt auf, als mit den Craw­fords eine neue Fami­lie aufs Land kommt. Sofort schla­gen die Her­zen von Fan­nys Cou­si­nen Julia und Maria höher. Es fol­gen ver­schie­dene Ver­wick­lun­gen um Thea­ter­pro­ben und einen Ball, Ver­liebt­hei­ten und … Aber hier müsst ihr bes­ser selbst nach­hö­ren (oder lesen?).

Blasse Hel­din trifft auf domi­nante Musik

Dass „Mans­field Park“ nicht zu Aus­tens belieb­tes­ten Roma­nen zählt, räumt das Book­let die­ses Hör­spiels gleich ein. Die Prot­ago­nis­tin Fanny Price kann mit ihren Kol­le­gin­nen um Eliza­beth Ben­nett nicht mit­hal­ten, wenn es um Esprit, Witz oder Charme geht: Fanny ist Aus­tens schlich­teste und bravste Hel­din. An meine Lek­türe von „Mans­field Park“ aus Tee­ang­er­zei­ten hatte ich haupt­säch­lich gute Erin­ne­run­gen – damals konnte ich mich mög­li­cher­weise gut mit Fanny iden­ti­fi­zie­ren –, doch beim Hören des Hör­spiels war ich von die­ser Prot­ago­nis­tin oft genervt.

Das Hör­spiel punk­tet mit sehr über­zeu­gen­den Geräu­schen und eigens kom­po­nier­ter Musik, die in die dama­lige Zeit trans­por­tiert. Die Musik wird aller­dings für mei­nen Geschmack zu viel und jeweils zu lange ein­ge­setzt und passt in ihrer Domi­nanz so wenig zu Fanny Price. In Kom­bi­na­tion mit der empha­ti­schen Erzäh­le­rin­nen­stimme von Sophie Rois ent­steht durch die Musik in mei­nen Ohren nicht sel­ten der Ein­druck von zu viel Pathos.

Rei­gen der Sprecher*innen

Zu viel dürfte es Hörer*innen übri­gens auch manch­mal in ande­rer Hin­sicht wer­den: Das Per­so­nal von „Mans­field Park“ ist umfang­reich, die Sprecher*innen wech­seln sich häu­fig ab und wer­den eher sel­ten von der Erzäh­le­rin ihrer Rolle zuge­ord­net. Gerade, wer Aus­tens Roman­vor­lage nicht kennt, dürfte hier Pro­bleme bekom­men. Auch wenn ich den Roman kannte, brauchte ich eine Weile, um mich in die Figu­ren­welt einzufinden.

Die Sprecher*innen die­ser Hör­spiel­pro­duk­tion machen eine tolle Arbeit und die Beset­zung mit Sina Mar­tens als Fanny Price und Timo Weis­schnur als Edmund Bert­ram ist treff­lich gelun­gen. Doch trotz­dem ist bei mir der Funke nicht über­ge­sprun­gen. Für mich war „Mans­field Park“ durch die Vor­lage, aber auch durch die sehr klas­si­sche Hör­spiel­be­ar­bei­tung von Regis­seu­rin Iris Drö­ge­kamp, der bis­her schwächste Teil in der Aus­ten-Hör­spiel-Edi­tion. Gerade bei einem ten­den­zi­ell unbe­lieb­ten Roman wäre eine expe­ri­men­tel­lere Bear­bei­tung viel­ver­spre­chend gewesen.

„Überredung“

Einen sol­chen expe­ri­men­tel­len Ansatz hat Regis­seu­rin Chris­tine Nagel für die Hör­spiel­fas­sung von Aus­tens „Über­re­dung“ genutzt. „Über­re­dung“, das auf Deutsch auch unter dem Titel „Anne Elliot“ ver­legt wurde, erzählt von einer gebro­che­nen Ver­lo­bung. Die Prot­ago­nis­tin Anne ist mit ihren 28 Jah­ren deut­lich älter als Aus­tens andere Roman­hel­din­nen: Statt zu tan­zen, über­nimmt sie inzwi­schen die Kla­vier­be­glei­tung, ihre große Schön­heit ist jetzt ver­bli­chen und sie blickt einem Leben als alte Jung­fer entgegen.

Dabei sah doch alles so gut aus: Vor acht Jah­ren ver­lobte sich Anne mit Fre­de­rick Went­worth, der als Mari­ne­ka­pi­tän in der Welt des Adels jedoch kei­nen guten Stand hatte. Die große Liebe ließ Anne sich also von ihrer müt­ter­li­chen Ver­trau­ten Lady Rus­sell aus­re­den. Seit­dem ist viel Zeit ver­gan­gen, doch die gebro­che­nen Her­zen sind noch immer nicht geheilt, als Anne Elliot und Fre­de­rick Went­worth wie­der auf­ein­an­der­tref­fen. Wie sol­len sie jetzt mit­ein­an­der umge­hen? Sowohl Anne als auch Mr. Went­worth suchen ihr Glück jeweils bei ande­ren mög­li­chen Heiratskandidat*innen. Und doch: Immer wie­der gibt es viel­sa­gende Bli­cke. Annes Frage ist daher nicht unbe­rech­tigt: „Wen­det sich sein Herz mir wie­der zu?“

Jane Aus­ten mit E‑Gitarre und Schlagzeug?

Sowohl in der Art des Erzäh­lens als auch bei der Musik und den Geräu­schen wurde hier etwas ganz Neues aus­pro­biert. Beglei­tet wird das Hör­spiel näm­lich oft von moder­nen Klän­gen: einem Schlag­zeug, einer E‑Gitarre, einem gezupf­ten Kon­tra­bass, Jazz­mu­sik mit Saxo­phon. Hin und wie­der hat aber auch ein Kla­vier mit Gesangs­be­glei­tung einen Auf­tritt, der an die dama­lige Zeit erinnert.

Hinzu kom­men eher spär­lich ein­ge­setzte Geräu­sche, die … nun ja: auf­fal­len. Rei­sen in der Kut­sche oder mit dem Pferd wer­den durch Zun­gen­schnal­zen ange­zeigt, ein Krieg wird mit „pew pew“ kom­men­tiert. Das ist gewagt und funk­tio­niert für mich teil­weise gut, aller­dings ist auch klar, dass etwas, das sich nur als Kla­vier­ge­klim­per bezeich­nen lässt, schnell ablen­kend sein kann. Diese Musik macht oft Spaß, aber wer ganz in die Sze­nen abtau­chen möchte, dem macht es die­ses Hör­spiel nicht leicht.

Ach Jane!

Und das noch aus einem ande­ren Grund: Über der Erzähl­ebene, in der die Spiel­sze­nen und die Erzäh­le­rin, gespro­chen von Sascha Icks, ihren Platz haben, legt das Hör­spiel eine Meta-Ebene, auf der eine Kom­men­ta­to­rin aus heu­ti­ger Sicht über „Über­re­dung“ spricht. Aber mei­ner Mei­nung nach ist das eine tolle Idee, weil wir so sehr viel über Jane Aus­tens Zeit erfah­ren und durch das Hör­spiel geführt wer­den. Außer­dem wird so die Auf­merk­sam­keit hochgehalten.

Die Kom­men­ta­to­rin benennt die Figu­ren, erklärt, was man damals unter einem „Gen­tle­man“ ver­stand und von wel­chem Krieg eigent­lich gerade die Rede ist. Die Kom­men­tare von Heidi Hei­del­berg kom­men frei gespro­chen, mit eng­li­schem Akzent, in moder­ner Spra­che und, so scheint es, kennt­nis­reich aus dem Moment. Lei­der konnte ich aller­dings nicht her­aus­fin­den, ob es sich bei Hei­del­berg um eine Jane-Aus­ten-For­sche­rin han­delt oder wie es sonst zu der Beset­zung kam. Hier wäre eine Notiz zur Hör­spiel­be­ar­bei­tung im Book­let sehr hilf­reich gewesen.

An eini­gen Stel­len ist der Ein­satz der Kom­men­tare­bene weni­ger gut gelun­gen, wenn zum Bei­spiel ein Dia­log in den Hin­ter­grund tritt und wir der Kom­men­ta­to­rin anschei­nend beim Essen einer Möhre zuhö­ren und dabei, wie sie ab und zu zustim­mend „yes!“ oder „hmm“ mur­melt oder sich der Kom­men­tar und die Spiel­szene so mischen, dass keins von bei­den gut zu ver­ste­hen ist.

„Über­re­dung“ über­zeugt mit einer sehr guten Beset­zung mit Thea­ter­schau­spie­ler Mirco Krei­bich als Went­worth, Mala Emde als Anne oder Wanja Mues in der Neben­rolle des Admi­ral Croft. Die Spiel­sze­nen, die gerade den zwei­ten Teil des Hör­spiels domi­nie­ren, sind gelun­gen und von der Erzäh­le­rin Sascha Icks gut eingebettet.

Auf­ma­chung par excellence

Die Hör­spiel­reihe der Jane Aus­ten Romane im Hör­ver­lag über­zeugt durch eine tolle Gestal­tung mit flo­ral-gemus­ter­ten Covern und umfang­rei­chen Book­lets. Neben Infor­ma­tio­nen über die Autorin und die Mit­wir­ken­den ist jeweils ein län­ge­rer Auf­satz über den Roman ent­hal­ten. Im Falle von „Mans­field Park“ stammt der Auf­satz von Julika Griem, die Fanny Price in Aus­tens Werk und in die Welt­li­te­ra­tur ein­ord­net und „Mans­field Park“ raum­nar­ra­to­lo­gisch unter­sucht. Dadurch gerät ihr Text teil­weise für den Anlass zu wis­sen­schaft­lich und weit­schwei­fig, trotz­dem kann man viele inter­es­sante Infor­ma­tio­nen zum Bei­spiel über den Umgang mit dem Thema Kolo­nia­lis­mus im Roman nach­le­sen. Der Auf­satz zu „Über­re­dung“ von Über­set­zer Chris­tian Grawe liest sich leich­ter, denn er bie­tet einen Über­blick über ver­schie­dene The­men und bringt den Leser*innen auch die Hand­lung nahe. Nur schade, dass einige der Text­stel­len, die Grawe zitiert, durch die nöti­gen Kür­zun­gen nicht im Hör­spiel vorkommen.

Mans­field Park. Jane Aus­ten. Über­set­zung: Man­fred Allié und Gabriele Kempf-Allié. Bear­bei­tung und Regie: Iris Drö­ge­kamp. Mit Sophie Rois, Sina Mar­tens, Timo Weis­schnur u.a. Der Hör­ver­lag. 2021. Ca. 4 h 14 min.

Über­re­dung. Jane Aus­ten. Über­set­zung: Ursula und Chris­tian Grawe. Bear­bei­tung und Regie: Chris­tine Nagel. Mit Sascha Icks, Mala Emde, Mirco Krei­bich u.a. Der Hör­ver­lag. 2021. Ca. 1 h 49 min.

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