Das neue Musik-Kreuzworträtsel (März 2016)

Der Buchstaben-Musik-Rätselspass !

Glarean Magazin - Musikrätsel - März 2016.Copyright© 2016/03 by Walter Eigenmann

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Musik-Kreuzworträtsel vom Juli 2016

… sowie das Musik-Rätsel vom Juli 2009

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Das neue Musik-Kreuzworträtsel (Januar 2016)

Der Buchstaben-Rätselspass aus der Musik-Welt

von Walter Eigenmann

Musik - Kreuzworträtsel - Januar 2016 - Glarean Magazin - Walter Eigenmann

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Musik-Kreuzworträtsel vom März 2016

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Das Musik-Weihnachtsrätsel (Dezember 2015)

Musik-Kreuzworträtsel zu Weihnachten

von Walter Eigenmann

Musik-Weihnachts-Kreuzwortraetsel 2015 - Glarean Magazin - Walter Eigenmann

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… sowie das grosse Musik-Kreuzworträtsel vom Juli 2020

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Liska & Honzak: Bercheros & Uncertainty (CD)

Auf Linie gebracht: Bassisten als Bandleader

von Michael Magercord

Ein Komponist für Filmmusik, der seine Wurzeln im Jazz verortet, gestand mir einmal, dass er, wenn er partout keinen Einfall für eine Melodie-Linie bekomme, zunächst entsprechend der filmischen Vorgaben eine Bass-Linie einspielt, auf der sich dann alles weitere finden lässt.
Musik, die bewegten Bildern unterlegt wird, folgt einer zuvor festgelegten Dramaturgie. Und ein wenig wirken die beiden vorliegenden Alben, in denen die Bassisten jeweils den Ton angeben, auch wie Filmmusik. Obwohl es keine Platten mit Filmmusik sind, sondern eher das, was man einmal „Konzeptalben“ nannte: eine dreiviertel Stunde zusammenhängende Klanggebilde – das kann entweder grossartig werden oder ganz besonders repetitiv enden.

Gratwanderungen für Jazz-Bassisten

Bercheros - Odyssey - Glarean MagazinMit Tomas Liska und Jaromir Honzak, haben sich zwei versierte Jazz-Bassisten und ihre jeweiligen Formationen in ihren neuen Einspielungen – beide bei Supraphon – auf genau diese Gratwanderung begeben. „Bercheros Odyssee“ nennt Tomas Liska, der jüngere von beiden, seine Komposition, die der Absolvent des Berliner Jazz-Instituts zusammen mit seinen Kommilitonen Fabiana Striffler (Geige), Simon Marek (Cello), Markus Ehrlich (Klarinette) und Natalie Hausmann (Tenorsaxophon) unter dem Bandnamen Pente eingespielt hat. Das Album folgt ganz und gar der Konzeptidee. Die sechs einzelnen Passagen heissen auch konsequenterweise „Parts“, die ein zusammenhängendes Ganzes bilden sollen.
Liska war zuvor eher in der Weltmusik und im Bluegrass unterwegs. Mit dem Studium begann wohl die Reise durch philosophische und ästhetische Tiefen seines Faches. Seine CD gewordene Odyssey mit einem Titel, der aus den Namen seines Studienortes und dem des Indianerstammes der Cherokee zusammengesetzt wurde, kommt zunächst etwas intellektuell und ernst daher, verliert sich ab und zu im Free Jazz, um dann doch immer wieder kürzere Aufenthalte an bekannten Orten einzulegen: wenn nämlich die Geige oder das Cello folkloristisch ertönen, die Klarinette einen Gospel andeutet oder uns das Saxophon auf dem Balkan Station machen lässt – und trotzdem findet es zu einer lyrischen, unprätentiösen Einheit.

Meditative Dichte ohne Instrumenten-Akrobatik

Honzak - Uncertainty - Glarean Magazin
Honzak: „Uncertainty“

Etwas traditioneller erscheint aufs erste Hören das Album des versierten Altjazzers Jaromir Honzak zu sein. Auch er hatte einst studiert, nur liegt das schon bald 30 Jahre zurück. Zehn Jahre zuvor hatte er seinen Militärdienst in einer Armeeband in Prag absolviert, und danach begann seine Laufbahn in der Jazzszene der Stadt. Sein Studienort war dann Boston. Nach dem USA-Aufenthalt begann seine internationale Karriere als Bassist, Bandleader – und Komponist.
„Uncertainty“ heisst die Zusammenstellung von acht eigenen Titeln, die er mit den wesentlich jüngeren E-Gitarristen David Doruzka, Pianisten Vit Kristan, dem französischen Saxophonisten Antonin-Tri Hoang und schwedischen Schlagzeuger Jon Fält eingespielt hat. Jedes Stück steht für sich, hat eine andere instrumentale Zusammensetzung. Und ist das erste Stück mit dem deklamatorischen Titel „Smell of change“ noch flotter E-Gitarren-Jazz, so ist im zweiten der Wandel da und im dritten schliesslich vollzogen: hin zu einer meditativen und lyrischen Dichte, die sich weitgehend der Instrumenten-Akrobatik enthält, und die man durchaus als Ausflug in die „Ungewissheit“ erleben kann.

FAZIT: In ihren jüngsten Aufnahmen folgen Altjazzer Jaromir Honzak („Uncertainty“) und Neujazzer Tomas Liska („Bercheros Odyssey“) weiterhin den Vorgaben der Bass-Linien. Dass diese Wahrung einer guten Musik-Tradition dem Treiben der doch so freiheitsliebenden Improvisations-Musiker erst die Form gibt, in der sich dann ihre sprühenden Ideen oder – im Gegenteil – ihre Hingabe in tiefe Gefühlswelten ergiessen können, beweisen einmal mehr diese beiden lyrischen, ja meditativen Alben.

Beide Alben haben – bei allen Unterschieden – schliesslich doch eines gemeinsam: Es sind ihre klaren bass-lines, die ihre musikalische Fantasien auf Linie halten. Sie erst machen aus der Gratwanderung zwischen Klängen und Atmosphären, aus den Stückchen und den Teilen ein zusammenhängendes Ganzes. Vielleicht ist dies ja auch das höchste an der hohen Kunst des Bass-Spiels. Und sollte den beiden Bassisten darum gegangen sein: mission accompli. ♦

Tomas Liska & Pente: Bercheros-Odyssey, Audio-CD, Supraphon / Jaromir Honzak & Band: Uncertainty, Audio-CD, Supraphon

Lesen Sie im Glarean Magazin auch die CD-Rezension von
Corazón-Quartett: Wasser, Licht & Zeit
… sowie zum Thema Jazz auch über
Electronic Chamber Music (CD & Vinyl)

Kent Nagano: Erwarten Sie Wunder! (Klassik)

Die Rettung der Klassik

von Christian Busch

„Expect the Unextpected“

Die Klänge der Eröffnungskonzerte der neuen Pariser Philharmonie via ARTE noch im Ohr, weiss man in der Welt der Klassischen Musik schon lange, welche Töne angeschlagen werden müssen. Längst ist die Zeit der eitlen und sich um sich selbst und die Gründung immer neuer Plattenfirmen und Vermarktungs-Strategien drehenden Stardirigenten vorbei. Boomte die Klassik in den 80er und 90er Jahren noch dank der neuen digitalen CD-Scheiben mit ihrem viel transparenteren und hörfreundlichen Klangbild, gehen die Nachfahren von Beethoven & Co. an vielen Orten längst am Stock.

Kent Nagano - Erwarten Sie Wunder - Cover - Berlin VerlagIn den Zeiten knapper Kassen und allgegenwärtigem Multimedia-Rausch müssen die Liebhaber komplexer filigraner Orchesterkultur mitunter gesucht werden wie die berühmte Stecknadel im Heuhaufen. Das Durchschnittsalter in den Konzertsälen steigt bedrohlich und degeneriert zur exklusiven Matinée für Betagte und Betuchte. Da wird ein fast 400 Millionen schweres Projekt wie das der Pariser Philharmonie, welches das städtische Orchester von seiner angestammten – nahe dem Arc de Triomphe gelegenen – Salle Pleyel vertreibt, auch schon mal in die suburbane Zone des Parc de la Villette verlagert, in die schon fast prekär zu nennende soziale Randzone, wo jüngst die Attentäter von „Charlie Hebdo“ ihr Fluchtauto wechselten. Und statt der VIP-Zone legt man jetzt Wert auf ein Lernzentrum „Abteilung Education“, in der kulturelle Brücken zu Schulen und bildungsfernen Schichten geschlagen werden sollen. Ist die Lage wirklich so ernst?

Wirtschafts- und Sinnkrise

In dem jüngst erschienenen Buch „Expect the unexpected!“ („Erwarten Sie Wunder“) behandelt der amerikanische Dirigent Kent Nagano, unterstützt von der Koautorin Inge Kloepfer, mit soziologischen Sachverstand genau dieses Problem der schwindenden Stellung der klassischen Musik im Kulturleben. Aus unmittelbarer Nähe berichtet er am Beispiel von Detroit vom Niedergang der nordamerikanischen Orchesterlandschaft und den fatalen Folgen für die kulturelle Entwicklung in den Städten. Er empört sich gegen die schonungslose Ausbreitung von Materialismus, Konsumismus und reinem Utilitarismus in der westlichen Zivilisation, welche in der PISA-Studie ihren deutlichsten bildungspolitischen Niederschlag findet: Was zählt, sind Fähigkeiten, die den Menschen auf ihren funktionalen Nutzen reduzieren. Fächer wie Kunst und Musik, welche Kreativität, Vorstellungsvermögen und Inspiration fördern, kommen dort nicht vor. Dabei steht schon im Matthäus-Evangelium: Der Mensch lebt nicht vom Brot allein.

Plädoyer für die Rückbesinnung auf die Klassik

Er zeigt an vielen Beispielen seiner langjährigen, intensiven und fruchtbaren Auseinander-setzung mit den unsterblichen Werken auf, dass die schönen Künste vor dem Hintergrund eines generellen Wertewandels in den westlichen Industrieländern eine Antwort auf die Sinnkrise darstellen: „Sie […] machen den Alltag mehr als nur erträglich. Sie inspirieren uns, öffnen den Geist. Sie helfen uns, Unbegreifliches und Unerträgliches anzunehmen und als Teil unseres Lebens zu akzeptieren, daraus Kraft zu schöpfen und nicht daran zu verzweifeln.“ Dabei erweist er sich als energischer und nimmermüder Verfechter der Quellen menschlicher Inspiration., der längst begriffen hat, dass heute die wichtigste Aufgabe der Dirigenten und Intendanten nicht in der Selbstverwirklichung egoistischer Eitelkeiten besteht, sondern in der Vermittlung zwischen Kunstwerk und Publikum: „Nennen Sie mich jetzt einen Träumer, einen Utopisten, wenn ich mir wünsche, dass ein jeder in seinem Leben unabhängig von Bildungsstand und Herkunft die sinnstiftende Kraft der Kunst erfahren können soll.“

Kindheit ohne neue Medien – dafür mit Klavier und Klarinette

Fazit-Banner - Glarean Magazin
Zweifellos ist Kent Naganos Klassik-Plädoyer „Erwarten Sie Wunder“ das richtige Buch zur rechten Zeit – in seiner gesellschaftspolitischen Verantwortung weitreichend, in seinen Zielsetzungen ehrgeizig. Den Autoren gebühren Dank und Beachtung!

So beginnt Nagano seine Ausführungen in seiner Kindheit an und erzählt von den Anfängen in Morro Bay, einem in den 50er Jahren multikulturell besiedelten Fischerdorf an der kalifornischen Pazifikküste, und von seinem ersten musikalischen Erzieher, dem Professor Korisheli. Im Vordergrund stehen dabei von Beginn an nie persönliche Erfolge, öffentliche Anerkennungen oder gar Preisverleihungen, sondern stets die ungetrübte Freude am gemeinschaftlichen Musizieren, am Gemeinsinn stiftenden Konzert- oder Probenerlebnis, bei dem Konflikte und Unterschiede an Bedeutung verloren: „Alle Menschen werden Brüder, wo dein sanfter Flügel weilt“. Welche Zeit hätte dessen nicht bedurft, so könnte man fragen – liefert Nagano hier doch einen entschiedenen Gegenentwurf zu den stets von manipulativer Sprache der Medien und leicht konsumierbarer Unterhaltungselektronik geprägten aktuellen Kultur-Landschaft.

Strauss‘ „Heldenleben“ in der Eushockey-Arena

Hier und da blitzen die Erfahrungen aus seinen vielen Stationen (Lyon, Manchester, Los Angeles, Berlin, München, Montreal, Hamburg) auf, offenbart er den Lesern in eingestreuten Intermezzi seinen eigenen Zugang zu den grossen Komponisten, von Bach, Beethoven und Bruckner bis zu Schönberg, Messiaen, Ives und Bernstein. Wenn er über das Rätselhafte in Beethovens achter Symphonie spricht, enthüllt sich nebenbei: Der Weg ist das Ziel, das auch ungewöhnliche Wege rechtfertigt, indem Nagano mit seinem OSM (Orchestre symphonique de Montreal) volksnah in der Eishockey-Arena Richard Strauss’ „Heldenleben“ präsentiert. Abgerundet wird sein Aufruf durch die Gespräche mit Zeitgenossen wie Helmut Schmidt (Politik), Kardinal R. Marx (Kirche), Yann Matei (Literatur), Julie Payette (Wissenschaft) und William Friedkin (Film). Was letzterer über Beethovens Symphonien sagt, gilt für die ganze Klassik: „Wer einmal […] die Tiefe der Musik erahnen konnte, wird sich ein Leben lang nach dieser Erfahrung sehnen. Es wird ihn immer wieder dorthin zurückziehen.“
Zweifellos ist Kent Naganos Klassik-Plädoyer „Erwarten Sie Wunder“ das richtige Buch zur rechten Zeit – in seiner gesellschaftspolitischen Verantwortung weitreichend, in seinen Zielsetzungen ehrgeizig. Den Autoren gebühren Dank und Beachtung! ♦

Kent Nagano (Inge Kloepfer): Erwarten Sie Wunder – Expect the Unexpected, Berlin Verlag, 320 Seiten, ISBN 978-3827012333

Lesen Sie im Glarean Magazin zum Thema „Klassik“ auch über
Ingo Harden: Klassische Musik

Heinrich Laufenberg: Kingdom of Heaven (CD)

„Stand vf, stand vf, du sele min“

von Wolfgang-Armin Rittmeier

Der grosse Mediävist Ferdinand Seibt hat zu Beginn seines bedeutenden Buches „Glanz und Elend des Mittelalters“ aus dem Jahre 1999 die denkwürdige Aussage getätigt, dass er nicht hätte im Mittelalter leben wollen, wüsste man doch heute sehr genau, dass Krankheiten, Seuchen, Armut, Krieg, religiöser Wahn, Unterdrückung und menschliches Leiden die grossen Konstanten jenes Zeitraumes waren, den man heute – je nach Schule – zwischen dem 6. und dem 15. Jahrhundert nach Christus verortet.
Und doch ist die Romantisierung des Mittelalters, die einst im 19. Jahrhundert begann, auch heute noch in vollem Schwange. Die Bilder vom edlen Recken, der schönen Jungfrau, der trutzigen Feste, vom bunten Turnier, dem weltvergessenen Kloster, dem rauen und dennoch guten Leben sind tief ins kollektive Bewusstsein der Populärkultur eingebrannt und werden in Belletristik, Musik, Film und Parallelgesellschaften wie der „Society of Creative Anachronism“ immer wieder wohlfeil bedient.

Kein romantisierender Mittelalter-Kitsch

Kingdom of Heaven - Musik von Heinrich Laufenberg und seinen Zeitgenossen, Ensemble Dragma

Nicht, dass die vorliegende CD romantisierender Mittelalter-Kitsch wäre. Die Produktion – die sicher nur zufällig den Titel mit einer Kreuzfahrerschmonzette von Ridley Scott aus dem Jahre 2005 teilt – ist durch und durch hochklassig und akademisch im besten Sinne, besteht das Ensemble Dragma mit Agnieska Budzińska-Bennett (Gesang, Harfe, Drehleier), Jane Achtmann (Vielle, Glocken) und Marc Lewon (Gesang, Plektrumlaute, Vielle) doch aus drei arrivierten Spezialisten für mittelalterliche Musik. Sie konzentriert sich thematisch auf das Werk von Heinrich Laufenberg, jenes alemannischen Mönches, der wohl um das Jahr 1390 in Freiburg im Breisgau geboren wurde und am 31. März 1460 in Johanniterkloster zu Strassburg verstorben ist. Hinzu treten Werke zeitgenössischer Liederdichter.

Laufenberg-Lieder im Deutsch-Französischen Krieg 1870 zerstört

Heinrich von Laufenberg (aus der Handschrift des Buchs der Figuren, die 1870 in Strassburg verbrannt ist)
Heinrich von Laufenberg (aus der Handschrift des Buchs der Figuren, die 1870 in Strassburg verbrannt ist)

Dass wir heute überhaupt Lieder von Heinrich Laufenberg hören können, grenzt an ein Wunder, sind die mittelalterlichen Codices, die seine Lieder ursprünglich enthielten (es waren wohl um die 120 Stück), doch beim Angriff auf Strassburg im Deutsch-Französischen Krieg 1870 zerstört worden. Kurz vorher jedoch hatte der Kirchenliedforscher Philipp Wackernagel in einer umfangreichen Edition Laufenbergs Texte herausgegeben. Auch sind über viele unterschiedliche Wege Melodien zu 17 Texten auf uns gekommen, sodass es heute möglich ist, Laufenberg in Text und Musik zu erleben. Allerdings wissen wir – und darauf weist Marc Lewon in seinem höchst informativen Booklet-Text ganz deutlich hin – nicht, wie die Noten dem Text tatsächlich zuzuordnen sind, und zwar weil nur Noten ohne jegliche Strukturierung oder Textbezug überliefert worden sind. Zudem ist nicht klar, ob die Noten komplett überliefert wurden oder ob manch eine nicht von einem Forscher des 19. Jahrhunderts – eine damals durchweg gängige Praxis – „nachempfunden“ wurde. Die vorliegende nun Rekonstruktion kann sich durchweg hören lassen. So tönt Agnieska Budzińska-Bennett in den der Christusminne zugehörigen Liedern wie „Es taget minnencliche“ oder im berühmten „Benedicite“ des Mönchs von Salzburg förmlich wie vom Himmel her, so glatt, gleissend hell und dennoch mit einer gewissen Grundwärme timbriert klingt ihr Stimme. Ausgesprochen anregend und abwechslungsreich gestaltet auch Mark Lewon seine Lieder, beispielsweise „Ein lerer rúft vil lut „, einem Diskurs über das rechte Leben und den rechten Glauben.

Technisch und gestalterisch niveauvoll

Wolfenbütteler Lautentabulatur - Glarean Magazin
Ausschnitt der Wolfenbütteler Lautentabulatur

Aber auch die Instrumentalstücke, die sich auf dieser CD finden, werden von den drei Musikern des Ensemble Dragma (die in drei Tracks von Hanna Marti  und Elizabeth Ramsey unterstützt werden) auf technisch und gestalterisch höchstem Niveau musiziert. Auf ein besonderes Schmankerl, die diese CD dem Alte-Musik-Aficionado bietet, muss hier gesondert hingewiesen werden. Denn neben den Liedern und Instrumentalstücken Heinrich Laufenbergs und seiner Zeitgenossen bringt diese Produktion erstmals komplett jene Stücke, die der sogenannten „Wolfenbütteler Lautentabulatur“ entstammen, einer fragmentarischen Quelle aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts, die erst vor ein paar Jahren entdeckt wurde und die älteste bisher bekannte Lautentabulatur überhaupt darstellt. Marc Lewon präsentiert seine auf seiner intensiven Beschäftigung mit der Tabulatur basierende Rekonstruktion. Und auch dies ist ein echter Ohrenschmaus.

Fazit-Rezensionen_Glarean Magazin
Das Ensemble Drama präsentiert mit seiner Produktion „Kingdom of Heaven“ Lieder Heinrich Laufenbergs und seiner Zeitgenossen sowie das komplette Material der Wolfenbütteler Lautentabulatur. Die atmosphärisch ausgesprochen dichte, hervorragend musizierte und philologisch exquisit gearbeitete Produktion kann rundum und ohne Abstriche empfohlen werden.

Und so ist das, was dem Hörer hier 78 Minuten lang entgegentönt, so derartig perfekt musiziert, dass man am Ende den Eindruck hat, hier eben doch idealen Klängen aus einem idealisierten Mittelalter zu lauschen. Ob die Stimmen und Instrumente eines Mönches im kalten und zugigen Kloster oder die des über schlammige und schlechte Wege von Weiler zu Weiler ziehenden Spielmannes so geschniegelt geklungen haben mögen? Der Realität näher mögen wohl René Clemencics Aufnahmen mittelalterlicher Musik sein, doch die vorliegende CD ermöglicht es dem Hörer, einen Blick ins „Kingdom of Heaven“ zu erhaschen.♦

Kingdom of Heaven – Musik von Heinrich Laufenberg und seinen Zeitgenossen, Ensemble Dragma, Label Ramee (RAM 1402), Audio-CD

Lesen Sie im Glarean Magazin zum Thema Lautenmusik auch über
Frank Martin: Werke mit Gitarre

… sowie über die CD von
Lowell Liebermann: Little Heaven

Guillaume Connesson: Lucifer, Cellokonzert (CD)

Infernalisches Klangspektakel

von Wolfgang-Armin Rittmeier

Schlägt man das Booklet zu dieser Neuveröffentlichung aus dem Hause Deutsche Grammophon auf, so ist dort über den 1970 in einem Vorort von Paris geborenen Komponisten Guillaume Connesson folgendes zu lesen: „Der 1970 geborene Guillaume Connesson ist zu jung, um sich jenem ideologischen und ästhetischen Diktat beugen zu müssen, das die vorangegangene Generation von Komponisten eingeengt hat. Seine Musik, immer wohlklingend und oft spektakulär hat eine Vielzahl von Einflüssen in sich aufgesogen. Seine ganze persönliche Welt ist das ‚Work in Progress’, welches aus jener Mischung von Pragmatismus und Naivität erwächst, die das Markenzeichen aller grossen Schöpfer von Musik ist.“

Sorglos aus dem Vollen geschöpft

Guillaume Connesson: Lucifer (Cellokonzert) - Jerome Pernoo (Deutsche Grammophon)Obwohl man Elogen wie diese von Bertrand Dermontcourt nicht sonderlich lieben muss, so ist an diesen Worten schon etwas dran. Connesson, der heute eine Professur für Orchestration am Conservatoire National de Région d’Aubervilliers bekleidet, schöpft definitiv und vollkommen sorglos aus dem Vollen. Da beste Beispiel ist da das hier eingespielte Ballet en deux actes sur un livret du compositeur „Lucifer“, das 2011 uraufgeführt wurde. Die enorm farbenreiche, geradezu glitzernde Partitur des „Lucifer“ deckt stilistisch so ziemlich alles zwischen dem Sacre, Sandalenfilmmusik aus dem Hause Metro Goldwyn Mayer und groovigem Jazz ab. Ein buntes, wildes, ziemlich ungehemmtes Treiben, das in seiner gewissen Prinzipienlosigkeit rundum höchst unterhaltsam und darum auch – im Gegensatz zu so vielen, vielen Kompositionen der Moderne und Postmoderne – in jedem Falle massenkompatibel ist. Massenkompatibel sind übrigens auch die Thematik der Ballettmusik und auch das von der Deutschen Grammophon gestaltete Cover, das einen düsteren Wasserspeier an der Kathedrale Notre Dame in Paris zeigt. Frakturähnliche rote Buchstaben präsentieren den Namen „Lucifer“. Es ist das Dunkle, Gothicmässige, Gruselig-Abgründige, das hier mit Werk und Aufmachung bemüht, bedient und schlussendlich verkauft werden. Nicht umsonst wird das Konzert für Violoncello und Orchester, das ebenfalls auf der CD enthalten ist, verschwiegen. Die CD kommt also daher als böte sie eine Art Soundtrack für das Wave-Gothic-Festival Leipzig. Trifft die Phrase „Classic goes Pop“ irgendwo zu, dann sicher hier. Das dürfte auch im Sinne Connessons sein, der mit seiner Musik (nicht nur) in Frankreich bestens ankommt und eine Reihe unterschiedlichster Preise, beispielsweise den vom Institut de France vergebenen Cardin-Preis (1998), den Nadia und Lili Boulanger-Preis (1999) oder – im Jahre 2006 – den  Grand Prix Lycéen des Compositeurs erhalten hat. Guillaume Connesson hat von Beginn seiner Karriere an Elemente des Pop zu Themen seines Werkes gemacht hat, etwa in „Techno Parade“, „Disco-Toccata“ oder „Night Club“. Warum also nicht auch hier?

Packende Musik auch für Klassik-ferne Hörer

Komponist Guillaume Connesson (links) und Dirigent Jean-Christophe Spinosi während der Aufnahmearbeiten zu "Lucifer"
Komponist Guillaume Connesson (links) und Dirigent Jean-Christophe Spinosi während der Aufnahmearbeiten zu „Lucifer“

Tritt man nun einen Schritt vom Marketing zurück und hört der Musik aufmerksam zu, dann präsentiert sich „Lucifer“ als durchaus packende neue Musik, als eine neue Musik, die in der Lage ist, auch den der arrivierten „Klassik“ nicht ganz so nahe stehenden Hörer zu fesseln. Das Werk, im Prinzip zwar eine Ballettmusik, aber laut Connesson gleichzeitig eine „grosse Symphonie“, ist in sieben Abschnitte unterteilt, denen der Komponist einen Titel und jeweils einen kleinen Text voranstellt. Es wird – die Überraschung ist nicht gross – von „Le Couronnement du Porteur de Lumière“ bis zum „Épilogue“ der Fall Luzifers vom grössten aller Engel zum verstossenen König der Hölle „erzählt“, allerdings verquickt mit Elementen der Prometheus-Sage. Es ist die Liebe zu einer Menschenfrau, die seine Verurteilung und seinen Fall herbeiführt. Im Épilogue tritt schliesslich der Mensch „an sich“ auf, der die Krone des Luzifer findet und sich – hier hat die Symbolik etwas unschön Gewolltes – von dieser dunklen Macht enorm fasziniert zeigt.

Wilde Skalen, orientalische Klänge

Zur Musik: Das Werk eröffnet mit der Krönungsszene Lucifers („Le Couronnement du Porteur de Lumière“). Musikalisch ist das zunächst schon ziemlich packend. Wilde Skalen in allen Instrumentengruppen, entfernt orientalische Klänge und starke Betonung des Rrhythmischen. Dann ein plötzlicher Stimmungswechsel. Streicherglissandi leiten einen nach Science Fiction klingen Abschnitt ein, eine liebliche Oboenmelodie schleicht sich ein, der Gesang wird von Celli ausgenommen. Das Orchester wird satter und baut einen Höhepunkt von düsterer Grösse im üppigsten Cinemascope-Sound auf. Zu dieser Musik hätte Cecil B. DeMilles Moses problemlos das Rote Meer teilen können. Dann Rückkehr zum Bacchanal. Der zweite Satz „Le voyage de Lucifer“ ist als Scherzo angelegt. Streicher, Holzbläser und der üppig bestückte Percussionsapparat rasen in wilder Jagd jazzig dahin. „La Recontre“, die Begegnung Lucifers mit der Menschenfrau, sieht Connesson als das „Herz“ des Werkes. Tatsächlich ist auch dies ein höchst hörenswertes Stück Musik. Geheimnisvoll tastend der Beginn, langsam etabliert sich – um Verdi zu zitieren – eine „melodie lunghe, lunghe, lunghe“ in den Violinen. Der Satz gewinnt zusehends an Fülle, an Körper und entwickelt sich zu einer rauschhaft-orgiastischen Liebesmusik, die sich erneut auf eine wuchtige Metro-Goldwyn-Mayer Klimax hinwälzt, die nicht nur von fern an den frühen Mahler erinnert.

Guillaume Connesson

Nach „La Recontre“ ist es dann aber mit dem Einfallsreichtum vorbei. Sicher, auch die sich anschliessenden Sätze „Le Procès“, „La Chute“, „L’Ailleurs“ und „Épilogue“ klingen gut, aber sie bringen nichts Neues. Immer und immer wieder rasende Skalen, Jazzrhythmen, Breitwandklänge. Hinzu kommt, dass der Eklektizismus überhand nimmt. Immer wieder fühlt man sich erinnert. Mal klingt Connesson nach Howard Shore (Le Procès) und mal nach Vaughan Williams’ „Sinfonia antartica“ und dem „Sacre“ (L’Ailleurs). Schliesslich scheint der Épilogue des „Lucifer“ klanglich und atmosphärisch fast den „Epilogue“ der „London Symphony“ (ebenfalls Vaughan Williams) imitieren zu wollen. Nach knapp 40 Minuten, die den Hörer angesichts des durchaus ansprechenden Klangspektakels wohl bei Laune halten,  stellt man sich dennoch unweigerlich die Frage, ob das nun Musik ist, die über ihren knallbunten Eventcharakter hinaus etwas aussagt, etwas trägt oder ob sie das überhaupt will. Das etwas aufgepfropft wirkende „Programm“ legt es zwar nahe, zurück bleibt aber der schale Geschmack einer eigentümlichen Leere.

Atemberaubendes Orchestre Philharmonique de Monte-Carlo

Uneingeschränkt zu loben ist das atemberaubende Spiel des Orchestre Philharmonique de Monte-Carlo unter der Leitung von Jean-Christophe Spinosi, das sich mit Elan auf diese musikalische Spielwiese wirft und sich mit rechtem Gusto austobt, sodass die Funken nur so fliegen. Wenn Connessons „Lucifer“ lediglich den Anspruch hätte, ein Werk sein zu wollen, das zeigen möchte, was an Klang und Virtuosität aus einem grossen Orchester herausgekitzelt werden kann, dann wäre dieses als Plädoyer für die Möglichkeiten des Orchester bestens gelungen.

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Das Cellokonzert und die Balletmusik „Lucifer“ von Guillaume Connesson sind packende, glitzernde, virtuose Musikstücke, deren spektakulärer Charakter jedoch nicht unbedingt einen lang anhaltenden Eindruck hinterlässt. Die Ausführung durch den Cellisten Jérôme Pernoo und dem unter Jean-Christophe Spinosi spielenden Orchestre Philharmonique de Monte ist tadellos.

Viel Klangzauber bietet auch das 2008 entstandene Cellokonzert in fünf Sätzen, die – so Connesson wiederum auf „zwei Akte“ aufzuteilen sind. Auch hier finden sich im Beiheft allerlei Erklärungen dazu, wie das Werk zu verstehen sei und das, obwohl das Stück durchaus ohne Verstehenshinweise auskommt. Auch das Cellokonzert ist im Wesentlichen ein virtuoses Stück, das nicht nur den Cellisten, sondern auch das Orchester vor recht heikle Aufgaben stellt, und zwar nicht nur die nackte Spieltechnik betreffend, sondern ganz besonders, was die Vielfältigkeit und rasante Wechselhaftigkeit im Audruck angeht. Kaum sind die blockhaft-vehementen ersten Minuten des ersten Satzes „Gratinique“ (hier sollen kalbende Eisberge inspirierend Pate gestanden haben) vorbei, schon gilt es eine zauberhaft klagende Atmosphäre im Mittelteil zu erschaffen. Das sich direkt anschliessende „Vif“ bringt Atemlosigkeit und unglaubliche Rasanz. Dann eine grosse „naturmagische“ Musik im „Paradisiaque“, in der das Cello zu einem grossen Gesang anhebt, der nostalgischer, sentimentaler und bittersüsser kaum daher kommen könnte. Die „Cadence“ fordert dem Solocellisten alles ab, was menschenmöglich ist, rausgeschmissen wird im letzten Satz „Orgiaque“ mit Bacchanal-Stimmung, Jazz und Dixiland-Reminiszenzen.

„Irrsinnige Spielfreude“: Solo-Cellist Jérôme Pernoo

Cellist Jérôme Pernoo leistet hier spielerische und gestalterische Schwerstarbeit und wird dieser ausufernden, mäandernden, ja schon bald überladenen Cellopartie mit einer schon fast irrsinnigen Spielfreude gerecht. Das Orchestre Philharmonique de Monte-Carlo unter der Leitung von Jean-Christophe Spinosi stehen dem in nichts nach.
Und doch stellt sich im Anschluss die Frage: Was bleibt? ♦

Guillaume Connesson: Lucifer & Cellokonzert, Orchestre Philharmonique de Monte-Carlo, Jean-Christophe Spinosi, Jérôme Pernoo, Deutsche Grammophon 481 1166. 1, Audio-CD

Lesen Sie im Glarean Magazin zum Thema Cello-Musik auch über
Rostropowitsch: Cello-Suiten von J. S. Bach

… sowie zum Thema Orchestermusik über
Franz Schreker: Das Weib des Intaphernes

Michael Dartsch: Musik lernen, Musik unterrichten

Aktueller Stand der musikpädagogischen Dinge

von Walter Eigenmann

In der modernen Diskussion über Musikpädagogik hat der 1964 geborene Autor dieser neuen Einführung „Musik lernen, Musik unterrichten“ eine einflussreiche Stimme. Denn als Mitglied der bundesrepublikanischen „Arbeitsgemeinschaft der Leitenden musikpädagogischen Studiengänge“ sowie als Musikrat-Mitglied im „Bundesfachausschuss Musikalische Bildung“ gestaltet Michael Dartsch massgeblich Inhalte und Strukturierungen der aktuellen akademischen Musiklehrer-Ausbildung mit und findet damit  Beachtung im ganzen deutschsprachigen Raum.

Michael Dartsch: Musik lernen, Musik unterrichten - Eine Einführung in die MusikpädagogikDie vorliegende Monographie unternimmt denn auch nicht nur den Versuch einer breiten theoretischen Einführung in praktisch alle wichtigen Disziplinen der Thematik inklusive ihre musikhistorischen Bezüge, sondern referiert ebenso teils sehr ausführlich die didaktisch-praktische Umsetzung der jüngsten wissenschaftlichen Erkenntnisse.

Breites Spektrum an Inhaltsfeldern

Prof. Dr. Michael Dartsch an einer Podiumsdiskussion 2010
Prof. Dr. Michael Dartsch an einer Podiumsdiskussion 2010

Der Band grundiert seinen Überblick mit einer Beleuchtung der zentralen psychologischen bzw. gesellschaftlichen Einflussfaktoren auf das Musiklernen: Begabung, Sozialisation, Übeeinsatz und Motivation heissen da die wesentlichen Stichworte. In der Folge werden eine Reihe von spezifischen Inhaltsfeldern behandelt: Elementare Musikpraxis, Erfinden von Musik, Musikverstehen, Interpretieren, Üben seien hier nur als die wichtigsten Themata angeführt. Der praxisorientierte Bezug ist ausserdem vertreten in Abschnitten wie „Methoden“ oder „Zielgruppen und Unterrichtsformen“. Ein Blick auf die Institutionen der nicht-akademischen Musikerziehung in der BRD – Stichworte: Öffentliche Musikschulen, Selbstständige Musiklehrerschaft, Laienmusizieren u.a. – rundet den 248-seitigen Band ab.

Überzeugende Schau auf den Forschungsstand

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Michael Dartschs „Musikpädagogik“ ist eine sowohl hinsichtlich Strukturierung wie inhaltlicher Gewichtung überzeugende Gesamtschau auf den aktuellen Forschungsstand.

Dartschs „Musikpädagogik“ ist eine sowohl hinsichtlich Strukturierung wie inhaltlicher Gewichtung überzeugende Gesamtschau auf den aktuellen Forschungsstand. Von der Systematik des musikpädagogigschen Begriffsapparates und seiner kulturhistorischen Fundamente über die lernpsychologischen bzw. neurophysiologischen Grundlagen moderner wissenschaftlicher Untersuchungen bis hin zur konkreten didaktischen Umsetzung in der täglichen Instrumentalpraxis vermittelt der Autor seinen umfangreichen Stoff mit klarer thematischer Gliederung und in wohltuend „einfacher“ Sprache, was dieses Einführungs- und Lehrwerk nicht nur für Musik-Studierende und -Lehrende, sondern durchaus auch für Pädagog/inn/en anderer, wenngleich involvierter Schulbereiche interessant macht. Insgesamt also eine Bereicherung der aktuell relevanten musikpädagogischen Literatur. ♦

Michael Dartsch: Musik lernen, Musik unterrichten – Eine Einführung in die Musikpädagogik, 248 Seiten, Breitkopf & Härtel Verlag, ISBN 9783765103995

Lesen Sie im Glarean Magazin zum Thema Instrumentalunterricht auch über Michael Dartsch: Der Cellokasten

Ausserdem zum Thema Musikschule über die Pädagogik-Studie: Musizieren fördert das mathematische Denken


W. A. Mozart: Grandes Oeuvres à quatre mains (CD)

Mozart im Zwiegespräch

von Christian Busch

Das vierhändige Klavierspiel, die vielleicht intimste Form der Kammermusik, gehört zu den technisch heikelsten und interpretatorisch anspruchvollsten Herausforderungen, welche die Musik an die Ausführenden stellt. Zwei vermeintlich gleichberechtigte Partner treten auf engstem Raum – eine vollkommene Synthese suchend – in einen wirklichen Dialog. Ein Terrain für Geschwister, Paare und freundschaftlich verbundene Seelen – weniger für titanische Tastenlöwen mit ausgeprägtem Hang zur Selbstdarstellung.

Mozart als Wegbereiter der Gattung

Schon von seinem geltungssüchtigen Vater Leopold etwas plakativ als „Erfinder der vierhändigen Klaviersonate“ präsentiert, zählt Mozart unbestritten zu den Wegbereitern dieser Gattung der hohen Kunst mit überschaubarem Repertoire.
Was für den kleinen Wolferl auf dem Schosse eines Johann Christian Bach beginnt und sich in frühen Kompositionen für das geschwisterliche, durchaus auch publikumswirksame Zusammenspiel fortsetzt, findet in der F-Dur-Sonate KV 497 seine Krönung und Vollendung. Gerne als „Krone der Gattung“ (Einstein) und „gewaltige Seelenlandschaft“ bezeichnet, steht sie zeitlich und thematisch der „Prager“ Symphonie (KV 504), aber auch dem „Don Giovanni“ nahe. Als Mozart sie im August 1786 schreibt, verleiht er der subtilen Bespiegelung in Dur und Moll daher auch symphonische Dimensionen.

Einer Professoren-Tochter gewidmet

Aline Zylberajch und Martin Gester
Aline Zylberajch und Martin Gester

Die Franziska von Jacquin, Tochter des befreundeten Wiener Botanikprofessors, gewidmete C-Dur-Sonate KV 521 übersendet er Ende Mai 1787 – am Todestag seines Vaters – an Gottfried von Jacquin mit den mahnenden Worten: „Die Sonate haben Sie die Güte ihrer frl: Schwester nebst meiner Empfehlung zu geben; – sie möchte sich aber gleich darüber machen, denn sie seye etwas schwer.“ Das virtuose Werk, das den späten Wiener Klavierkonzerten verwandt ist, trumpft gleichfalls mit orchestralem Klang auf, ohne den dank der Solopassagen aller vier Hände – kammermusikalischen Rahmen zu verlassen. Ob er es mit ihr, einer seiner besten Schülerinnen, auf Schloss Waldenburg gespielt hat? Mit Sicherheit.

Präzise Abstimmung und orchestrale Pracht

Das Spiel des Pianisten-Ehepaares Aline Zylberajch & Martin Gester lässt bei Mozarts KV 479 & KV 511 keine Wünsche offen, ist geprägt von präziser Abstimmung, das den weiten Bogen von orchestraler Pracht symphonischen Ausmasses bis zur privaten Intimität mühelos spannt.
Das Spiel des Pianisten-Ehepaares Aline Zylberajch & Martin Gester lässt bei Mozarts KV 479 & KV 511 keine Wünsche offen, ist geprägt von präziser Abstimmung, das den weiten Bogen von orchestraler Pracht symphonischen Ausmasses bis zur privaten Intimität mühelos spannt.

Das Strassburger Musikerehepaar Aline Zylberajch & Martin Gester (Bild) hat sich nun in ihrer zweiten auf CD veröffentlichen Gemeinschaftsproduktion dieser beiden viel zu selten zu hörenden Sonaten Mozarts angenommen – zusammen mit dem Rondo in a-moll KV 511 (Martin Gester) und dem Andante und Variationen in G-Dur KV 501 (Label K 617).
Ihr Spiel lässt dabei keine Wünsche offen, ist geprägt von präziser Abstimmung, das den weiten Bogen von orchestraler Pracht symphonischen Ausmasses bis zur privaten Intimität mühelos spannt. Das kraftvoll drängende Allegro, die galant singende Melodie, der leise, klagend-resignative Ton, all das spiegelt sich stimmig im blendend hellen Mozart-Sound. Da mag einer sagen, dies komme ihm bekannt vor, jedoch nicht in der Form des auf Salon-Frivolitäten verzichtenden, vertrauten Zwiegesprächs – im ständig wiederkehrenden Suchen und Finden – zweier ebenbürtiger Partner. Damit bietet die CD mit Werken aus der grossen Schaffensperiode (zwischen „Figaro“ und „Don Giovanni“) einen weiteren Höhepunkt Mozart’schen Schaffens – für so manchen sicher eine Entdeckung. ♦

Wolfgang Amadeus Mozart: Grandes Oeuvres à quatre mains (KV 497 & KV 501), Martin Gester and Aline Zylberajch, CD-Label K617 (Harmonia Mundi)

Lesen Sie im Glarean Magazin zum Thema Klassische Klaviermusik auch über Leopold Koželuch: Klavier-Sonaten (Band 1)
… sowie zum Thema Kammermusik die Ausschreibungen zu den Kompositionswettbewerben des Alvarez Chamber Orchestra und der Musik-Abteilung der Universität Illinois

Ulrich Kaiser: Gehörbildung (Musikunterricht)

Gehörbildung mit Satzlehre, Improvisation, Höranalyse

von Walter Eigenmann

Gehörbildung als wichtige Einzeldisziplin der klassischen professionellen Musikausbildung weist längst eine Fülle an pädagogischer bzw. didaktischer Literatur auf. Der Karlsfelder Musiktheoretiker Prof. Dr. Ulrich Kaiser erweitert in seinem neuem Gehörbildungs-„Lehrgang mit historischen Beispielen“ den Begriff noch um die Bereiche „Satzlehre“, „Improvisation“ und „Höranalyse“, wobei das zweibändige, 480-seitige Unterrichtswerk zwar durchaus als „Grundkurs“ beginnt, aber schon im 1. Band schnell zu komplexen Analysen hinsichtlich typischer melodischer, rhythmischer, harmonischer und satztechnischer Ausprägungen der Chor- und Instrumentalmusik übergeht.

Über 1’400 Notationsbeispiele

Ulrich Kaiser: Gehörbildung - Satzlehre - Improvisation - Höranalyse - Ein Lehrgang mit historischen Beispielen - Bärenreiter VerlagGrundsätzlich strukturiert ist Kaisers Lehrwerk als Aufgaben-Lösungen-Seminar, aber anders als in herkömmlichen Kursen rekurriert Kaiser ausschliesslich auf originale Werk-Zitate – insgesamt sind es über 1’400 Notationsbeispiele aus der gesamten abendländischen Musikgeschichte. Damit angestrebt ist die Ausbildung eines differenzierten Bewusstseins für musikalische Stile bzw. Epochen, einhergehend mit einer „grundsätzlichen Steigerung der musikalischen Wahrnehmungsfähigkeit sowie eines intensiveren Erlebens von Musik, verbunden mit einem tieferen emotional-intellektuellen Verständnis für kompositorisches Denken unterschiedlicher Zeiten“.

Anbindung ans Computerzeitalter

Kaisers zwei Gehörbildung“-Bände bestachen schon 1998, zum Zeitpunkt ihrer 1. Auflage, durch thematische Differenziertheit, stringenten Aufbau und durch eine enorme, gleichzeitig klar typisierende Fülle an Beispielmaterial. Der Lehrgang konnte damals zwar im Selbststudium durchlaufen werden, gehörte aber hinsichtlich Anspruch und Aufbau ins akademische Umfeld. Der vorliegenden neuen (6. Auflage) wurden über 100 klingende Arbeitsbögen zu den Themen Rhythmus, Melodie und Satzmodell hinzugefügt. ausserdem ist jetzt die Anbindung ans Computerzeitalter vollzogen: Alle mitgelieferten PDF-Dateien auf der beiliegenden CD lassen sich interaktiv bearbeiten. Damit dürfte die 2-bändige „Gehörbildung“ aus dem Hause Bärenreiter auch inskünftig ihrer referentiellen Rolle in dieser musikerzieherischen Disziplin gerecht werden. ♦

Ulrich Kaiser: Gehörbildung – Band 1 (Grundkurs) & Band 2 (Aufbaukurs), 480 Seiten, mit CD, Bärenreiter Verlag, ISBN 9783761811597 & 9783761811603

Lesen Sie im Glarean Magazin zum Thema Musik-Erziehung auch über
Ralf Beiderwieden: Musik unterrichten

… sowie zum Thema Musik und Schule auch das Pamphlet von
Jürgen Sieberth: Die Musik braucht die Schule nicht!

Carl Philipp Stamitz: Klarinetten-Quartette (CD)

Der Meister des Andante im Schatten Mozarts

von Michael Magercord

Der Komponist Carl Philipp Stamitz hatte ein Musikerleben geführt, wie es dem romantischen Bild eines Künstlerlebens entsprach. Er selbst war kein Romantiker, dafür lebte er 50 Jahre zu früh. Doch rastlos war er seit seinem 25. Lebensjahr durch die damalige Welt der Musik gehetzt, von Paris bis Dresden, zunächst als Violinen- und Bratschenvirtuose, dann als versierter Komponist von hochmodischer Musik, die an den fürstlichen Höfen angesagt war. Achtzig Symphonien sind so entstanden, eine erhoffte Anstellung aber verschaffte ihm das unermüdliche Werken nicht. Nach zwanzig Jahren Wanderleben heiratete er, liess sich in Greiz, dem Heimatort seiner Frau nieder, zeugte vier Kinder, die alle früh verstarben, und schliesslich starb er 56-jährig 1801 in Jena, verarmt. Drängt sich da nicht langsam ein Vergleich auf mit einem anderen Musiker seiner Zeit?

Stamitz - Klarinettenquartette - Audite - CoverMozart hatte ein ähnliches Schicksal ereilt, und ebenso wie bei dem Salzburger spiegelt sich das rastlose Leben kaum in seiner Musik wieder. Es heisst, dass so mancher Laie die Symphonien der beiden kaum von einander unterscheiden könnte, wären nicht jene des etwas jüngeren Mozarts immer noch so häufig zu hören, während die von Stamitz nur selten aufgeführt werden. Beide waren zu ihrer Zeit versierte Musikarbeiter, die aus der Aufführungspraxis all die Tricks kannten, mit denen man Eindruck schinden konnte, ohne dass sich der Ausführende dabei die Finger an seinen Instrument brechen muss.

Als Sechzehnjähriger bereits Mitglied der Hofkapelle

Frühbegabung wie Mozart: Carl Philipp Stamitz
Frühbegabung wie Mozart: Carl Philipp Stamitz

Wie Mozart, war auch Stamitz ein Frühbegabter. Als Sohn eines böhmischen Komponisten, wurde er im Alter von sechzehn Jahren bereits Mitglied der renommierten Hofkapelle im heimatlichen Mannheim. In der nordbadischen Stadt war eine der wichtigsten Schulen der damaligen Musikwelt angesiedelt. Auch Mozart ist durch diese Schule gegangen. Ihre Neuerungen haben Wesentliches geleistet bei dem Übergang vom Barock in die Klassik. Hier wurde das erste Orchester in einer Instrumentenbesatzung zusammengestellt, die noch heute als der europäisch-abendländische Orchesterapperat gilt. Und dazu gehörte zum ersten Mal auch eine Klarinette.
Stamitz war der erste Komponist, der diesem Instrument eine Solofunktion zu billigte. Elf Klarinetten-Konzerte hatte er komponiert, und eben auch die in dieser CD zusammengestellten vier Quartette. Diese Quartette haben alle drei Sätze, schnell, langsam, schnell, wobei die erste Sätze in sich schon sonatenartig angelegt sind, was ihre etwas serielle Herstellung unterstreicht. Seine Zeitgenossen lobten besonders seine hohe Kompositionskunst beim Andante, die seien „meisterhaft gerathen – eine Folge seines gefühlvollen Herzens“, schrieb etwa der Kritiker Christian Friedrich Daniel Schubart.

Genial im Schatten der Zeit verbleibend

Eingespielt sind diese Quartette gewohnt souverän von dem amerikanischen Klarinettisten Athur Campell und seinen Lehrer-Kollegen von der Grand Valley State University in Michigan. Es ist bereits seine dritte Einspielung im deutschen Label Audite. Es zeichnet einen Kenner und Könner seines Instrumentes aus, auch mit den Leerstellen, die ein Komponist wie Stamitz dem Gestaltungswillen des Instrumentalisten immer liess, etwas anfangen zu können. Somit wird selbst die doch etwas repetitive Musikform schliesslich mit einer sehr persönlichen Note versehen.

Für Klarinettenfreunde ist diese Einspielung der Klarinettenquartette von Carl Philipp Stamitz ein Muss, für Freunde des Rokoko ebenso. Für alle anderen Musikliebhaber sind sie ein weiteres Zeugnis dafür, dass jenes Zeitalter vielleicht doch nur eine musikalische Übergangsperiode war zwischen dem Bachschen Barockzauber und der wuchtigen Klassik, eine für das Ohr allerdings besonders gefällige.
Für Klarinettenfreunde ist diese Einspielung der Klarinettenquartette von Carl Philipp Stamitz ein Muss, für Freunde des Rokoko ebenso. Für alle anderen Musikliebhaber sind sie ein weiteres Zeugnis dafür, dass jenes Zeitalter vielleicht doch nur eine musikalische Übergangsperiode war zwischen dem Bachschen Barockzauber und der wuchtigen Klassik, eine für das Ohr allerdings besonders gefällige.

Das ist allerdings auch nötig, um dieser Musik noch heute etwas besonderes abzugewinnen. Ja, wäre da nicht Mozart, dann hätten wohl die Werke von Stamitz das Zeug gehabt, noch heute die Rolle der sicheren Konzertsaalfüller zu übernehmen. So aber werden sie doch eher selten gespielt oder eingespielt. Stamitz also erfüllt bis auf den heutigen Tag auf seine Weise das Bild des romantischen Künstlers: Genial, aber auch immer ein wenig im Schatten seiner und kommender Zeiten verbleibend. ♦

Carl Philipp Stamitz: Klarinetten Quartette / Quartets for Clarinet (Arthur Campell – Klarinette / Gregory Maytan – Geige / Paul Swantek – Bratsche / Pablo Mahave-Veglia – Cello), AUDITE – Audio SACD, 66 Minuten

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Franz Schubert & Jörg Widmann: Oktette (CD)

50-Euro-Musik-Preisrätsel (Juli 2013)

Schnelle Musik-Rätsel-Löser gewinnen 50 Euro !

Das 50-Euro-Preis-Kreuzworträtsel (Juli 2013)
Das 50-Euro-Preis-Kreuzworträtsel (Juli 2013)

Copyright© 2013/7 by Walter Eigenmann

Wer zuerst die komplette korrekte Lösung des Musik-Preisrätsels präsentiert, erhält wie immer 50 Euro. Einsende-Schluss ist am 31. Juli 2013 (12 Uhr). Für die Einsendung ist die untenstehende „Kommentar“-Funktion (Bildscan) zu benützen. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. – Viel Spass und Erfolg!

Lesen Sie im Glarean Magazin zum Thema Musik auch die Ausschreibung zum Kompositionswettbewerb 2020 für Streichtrio/Streichduo

ausserdem: Das neue Musik-Kreuzworträtsel im Mai 2020

Interessante Buch-Neuheiten – kurz belichtet

Drei beachtenswerte Novitäten

von Walter Eigenmann

Hit-Session – Weihnachtslieder für Keyboard

In Fortsetzung seiner neuen, bereits umfangreichen Serie „Hit-Session“ veröffentlichte der Musik-Verlag Bosworth nun unter dem Titel „Keyboard – Weihnachtslieder“ eine Sammlung der beliebtesten Christmas-Songs aus aller Welt. Neben zahlreichen traditionellen, vorwiegend europäischen Weisen – von „Adeste Fideles“ bis „Zu Bethlehem geboren“, von „Feliz Navidad“ bis zu „Stille Nacht“ –  versammelte der Verlag auch eine Fülle englischsprachiger bzw. amerikanischer Christmas-Hits.

Berühmte Namen für Unterrichtszwecke

Hit Session - Weihnachtslieder für Keyboard (Bosworth Edition)Als Autor(inn)en fungieren hier so berühmte Song-Makers wie Mariah Carey, Boney M, John Lennon, Bryan Adams, Elvis Presley, Chris Rea oder Celine Dion, um nur wenige zu nennen, und Titel wie „Last Christmas“, „Jingle Bell Rock“, „Driving home for Christmas“, „Happy X-mas (War is over)“, „Sleigh ride“, „Rudolph, the red-noised Reindeer“, „Winter wonderland“ oder „Let it snow“ gehören auch hierzulande längst zum festen Weihnachtslieder-Kanon. Jeder Song beinhaltet neben den obligaten Akkord- und Tempo-Angaben auch die Strophentexte, er ist ausserdem in handlichem Format gedruckt und mit sehr praktikabler Spiralheftung versehen. Für  Unterrichtszwecke hätte man sich noch die Fingersätze der einstimmigen Keyboard-Notationen gewünscht, aber insgesamt: Empfehlenswert. ♦

Hit-Session: Keyboard Weihnachtslieder, 140 Seiten, Bosworth Musikverlag, ISBN 978-3-86543-703-7

Lesen Sie im Glarean Magazin zum Thema Songbook auch über
Gospel for Pan – Die schönsten Gospels und Spirituals für 1 oder 2 Panflöte(n)


Hans Sahl: Der Mann, der sich selbst besuchte – Erzählungen

Hans Sahl: Der Mann, der sich selbst besuchte (Erzählungen)Mit dem vierten Sahl-Band „Der Mann, der sich selbst besuchte“ schliesst der Luchterhand-Verlag seine sehr verdienstvolle Werkausgabe Hans Sahls ab. Das Buch, basierend auf dem bereits vor 25 Jahren in deutscher Sprache publizierten Band „Umsteigen nach Babylon“, enthält sämtliche Erzählungen des Autors, darunter auch eine Reihe von bislang unveröffentlichten Texten aus dem Nachlass, sowie seine bereits zu Sahls Lebzeiten bekanntgewordenen Glossen. Diese oft an entlegenen Stellen veröffentlichten Miniaturen in dieser Ausgabe wieder verfügbar zu machen ist ein besonderes Verdienst dieser jüngsten und letzten Sahl-Anthologie.

Edition eines wertvollen Gesamtwerkes

Zurecht ist der Verlag stolz darauf, mit dieser Edition das erzählerische Werk Sahls in seiner Gesamtheit neu erschlossen zu haben – und damit das Werk „eines grossen Autors“, der in die Emigration getrieben wurde, und der „doch auch in der Ferne nichts von seinem Witz und seiner moralischen Feinfühligkeit verlor“. Für literarisch besonders Interessierte und für jeden Freund hochstehender Kurzprosa unbedingt ein Favorit für das Buchgeschenk unterm Weihnachtsbaum! ♦

Hans Sahl: Der Mann, der sich selbst besuchte, Erzählungen und Glossen, 416 Seiten, Luchterhand Verlag, ISBN 978-3-630-87293-3

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Joanna Lisiak: Spurlos berührt (Drei Gedichte)


Sarah Lark: Die Insel der roten Mangroven – Roman

Sarah Lark: Die Insel der roten Mangroven (Lübbe Verlag)Auf Jamaika schreibt man das Jahr 1753: Deirdre, die Tochter der Engländerin Nora Fortnam und des Sklaven Akwasi lebt behütet auf einer Plantage. Bis sie den jungen Arzt Victor Dufresne kennenlernt und heiratet. Gmeinsam schifft man sich ein nach Saint-Domingue auf der Insel Hispaniola – um sich dort plötzlich dramatischen Verwicklungen ausgesetzt zu sehen.

Publikumswirksame Mischung

Sarah Lark – Pseudonym der deutschen Bestseller-Autorin Christiane Gohl – legt hier den zweiten Band ihrer erfolgreichen Karibik-Saga vor – und bedient sich bei fast allen publikumswirksamen Ingredienzien des Genres: Historisch bewegter Hintergrund, exotischer Schauplatz, grandiose Heldenhaftigkeit, und selbstverständlich ein sattes Mass an Herz-Schmerz.
Für Kenner und Geniesser des sog. Historischen Romanes sind die „Mangroven“ kein Muss, doch für Lark-Fans sicher ein neuer Höhepunkt des Lesespasses. ♦

Sarah Lark: Die Insel der roten Mangroven, Roman, 668 Seiten, Lübbe Verlag, ISBN 978-3-7857-2460-6

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Rolf D. Sabel: Der Pompeji-Papyrus

 

Interessante Buch- und CD-Neuheiten – kurz belichtet

Cotton Reloaded: Der Beginn – E-Book-Roman

Mitte der 1950-er Jahre begann mit dem ersten Jerry-Cotton-Heft im Bastei-Verlag eine der kommerziell erfolgreichsten Krimi-Serien, deren weltweit verbreiteter Hype unter Mitwirkung von weit über 100 Autoren bis heute andauert. Nun legt der Lübbe-Verlag nach und transferiert den smarten amerikanischen FBI-Agenten mit einer Reloaded-Reihe ins moderne Zeitalter des digitalen E-Book-Lesens.

Mario Giordano - Cotton Reloaded - Der Beginn - Lübbe VerlagDie erste Story des „neuen“ Cotton titelt „Der Beginn“ und startet im New York des Jahres 2012, wo der modernisierte G-Team-Mann mitsamt seinen Nebenfiguren Phil Decker, Zeerookah, Mr. High u.a. einen Serienkiller jagt – in einer Welt des Terrorismus‘, des Cybercrime, der Drogen- und der Bankenkriminalität.
Der Verlag will Cotton monatlich „reloaden“, und jeder Band erscheint ausschliesslich als E-Book und als Hörbuch (in den Formaten ePub bzw. MP3), wobei die einzelnen Folgen in sich abgeschlossen sind. Den Start-Band „Der Beginn“ hat Bestseller- und „Tatort“-Autor Mario Giordano („Apocalypsis“) geschrieben, Verfasser der zweiten Folge „Countdown“ (geplant für Mitte November 2012) wird Peter Mennigen sein. ♦

Mario Giordano: Cotton Reloaded – Der Beginn, Kriminal-Roman, E-Book, Lübbe Verlag

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Buch- und CD-Dokumentation: Jazz unter Ulbricht und Honecker

Frieder W. Bergner - Jazz unter Ulbricht und Hocker - Mein musikalisches Leben in der DDRDer 1954 im sächsischen Zwickau geborene Jazz-Posaunist, Arrangeur, Komponist, Big-Band-Dirigent und Autor Frieder W. Bergner hat als Musiker und Kulturschaffender jahrzehntelang unterm DDR-Regime gelebt und gearbeitet. In seiner jüngsten, belletristisch-erzählerisch konzipierten Publikation „Jazz unter Ulbricht und Honecker“ berichtet er autobiographisch über sein „musikalisches Leben in der DDR“ und streift dabei mit grosser Detailfülle und sehr persönlich-authentischem Schreibstil die wichtigsten Stationen und Personen seiner Karriere. Der Band berichtet davon, „wie aus einem schüchternen, kleinen Jungen ein Mann wurde, der sich vor hundert Menschen auf eine Bühne stellt, um mit Musik und mit Worten seine Geschichten zu erzählen. Und davon, wie er sich über Jahrzehnte seines Lebens nicht von dieser Beschäftigung abbringen liess. Nicht von den Eltern, nicht von den Obrigkeiten in Schule und Staat…“ ♦

Frieder W. Bergner: Jazz unter Ulbricht und Honecker – Mein musikalisches Leben in der DDR, Prosa-Band & Audio-CD, 212 Seiten, Selbstverlag 2012

Lesen Sie im Glarean Magazin zum Thema „Kultur und Politik in der DDR“ auch über Manuel Friedel: Zwischen sportlicher Höchstleistung und staatlicher Ideologie


Ueli Schenker: Jagdgründe – Gedichte

Ueli Schenker - Jagdgründe - Gedichte - Isele VerlagSeit langem gehört der im Luzernischen Meggen lebende Schriftsteller Ueli Schenker zu den profiliertesten Poeten der Innerschweizer Literaturszene. Einst auch als Theater-Autor aktiv, verlegt sich der promovierte Anglistiker und Germanist Schenker nunmehr seit über 20 Jahren fast ausschliesslich auf die Lyrik. Sein jüngster Band „Jagdgründe“ muss unbedingt zum Besten seines bisherigen Schaffens gezählt werden. Unterteilt in fünf Kapitel, sind über 90 Gedichte versammelt, denen eine thematisch enorme Vielfalt, metaphorische Dichte und auch grosse stilitische Varianz eignet. Schenker ist ausserdem ein Meister des Bilderkontrasts und des Zusammendenkens heterogener Sinnkreise:

Im Freien
Schnorchelsommer Herbst
Laubhaufenkrieg Advent ver-
passte Schneeballschlachten
über den Heckenspass ver-
rauscht ein Schwanenpaar

Gedichte zum laut Vorlesen und still Nachdenken – empfehlenswert! ♦

Ueli Schenker, Jagdgründe, Gedichte, Isele Verlag, 108 Seiten, ISBN 978-3-86142-559-5

Lesen Sie im Glarean Magazin zum Thema Innerschweizer Literatur auch Vier neue Gedichte von Ueli Schenker

Drei Buch- und DVD-Neuheiten – kurz belichtet

Interessante Buch- und DVD-Novitäten

von Walter Eigenmann

Therese Bichsel: grossfürstin Anna – Roman

Die Emmentaler Schriftstellerin und Journalistin Therese Bichsel (*1956) ist seit 1997 v.a. als gut recherchierende und literarisch gewandte Porträtistin historischer Frauengestalten im Bewusstsein der literarischen Öffentlichkeit. Nun legt sie – wiederum im Zytglogge Verlag – die Roman-Biographie der Prinzessin Juliane von Sachsen-Coburg vor – jener Anna Feodorowna (1781-1860), die später als russische grossfürstin an die Seite eines Enkels von Katharina der grossen verheiratet wird, dann aber aus St. Petersburg flieht und in der Schweiz heimliche Geliebte und Mutter zweier Kinder wird.

Russischer Hochadel an der Berner Aare

Therese Bichsel: grossfürstin Anna - Flucht vom Zarenhof in die ElfenauBichsel rollt das Schicksal der 14-Jährigen Prinzessin Juliane einfühlsam und historisch informativ auf bis hin zu den wenigen glücklichen Tagen der schliesslich geschiedenen russischen Fürstin Anna auf ihrem prächtigen Gut „Elfenau“ nahe der Berner Aare. Die Autorin selber zur Entstehungsgeschichte ihres Buches: „Vor einiger Zeit stiess ich auf Anna Feodorowna und war bald fasziniert von dieser Frau, ihren schwierigen Männerbeziehungen und ihrem Kampf um die unehelichen Kinder in einer Zeit des Umbruchs.“ – Eine willkommene Bereicherung des an Interessantem momentan nicht so reichen Genres „Historischer Roman“.  ♦

Therese Bichsel: grossfürstin Anna – Flucht vom Zarenhof in die Elfenau, Roman, 304 Seiten, Zytglogge Verlag, ISBN 978-3-7296-0851-1

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Efrat Gal-Ed: Niemandssprache – Itzig Manger


DVD: Glenn Gould – Genie und Leidenschaft

Glenn Gould - Genie und Leidenschaft - DVD-DokumentationDas kanadische Musik-Phänomen Glenn Gould steht im Mittelpunkt des Dokumentarfilms „Genie und Leidenschaft“, unlängst in einer Doppel-DVD (inkl. eines „internationalen Director’s Cut“) bei „Mindjazz Pictures“ erschienen. Das Video präsentiert vielschichtig und über weite Strecken eindringlich präsentiert das Leben und Werk einer der faszinierendsten Persönlichkeiten der jüngeren Musikgeschichte. Pianist Gould – „Der Mann mit dem Mantel und dem Stuhl“ – ist bis heute Gegenstand sowohl internationaler Verehrung als auch unablässiger klavierinterpretatorischer Forschung, und auch 30 Jahre nach seinem Tode scheint die Faszination für diesen Ausnahmekünstler noch nicht nachgelassen zu haben.

Portrait einer vielschichtigen Persönlichkeit

Der Film beinhaltet unveröffentlichtes Archivmaterial, Interviews mit Gould-Freunden sowie Ausschnitte aus bisher noch nicht publizierten privaten Bild- und Tonaufnahmen. – Die beiden DVDs bringen die (so facettenreiche wie zerrissene) Pianisten-Ausnahmerscheinung Glenn Gould mit all ihrer Widersprüchlichkeit und musikalischen Obsession, aber auch mit ihrer intellektuellen Vielschichtigkeit und interpretatorischen Tiefe nahe. Empfehlenswert. ♦

Glenn Gould – Genie und Leidenschaft, Dokumentarfilm von Michele Hozer und Peter Raymont, Mindjazz Pictures, Doppel-DVD, 84 Min. & Bonusmaterial 106 Min.

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Alice Sara Ott (Piano): Chopin – Complete Waltzes


Ken Follett: Winter der Welt – Roman

Ken Follett: Winter in der Welt - Roman - Lübbe VerlagDie Irrungen und Wirrungen des Zweiten Weltkrieges, seine globalen wie einzelmenschlichen Schicksale nimmt Englands wohl berühmtester Bestseller-Autor Ken Follett („Die Nadel“) diesmal als historisches Panorama her für seinen jüngsten Wälzer „Winter der Welt“. Der über 1000-seitige Roman – Übersetzung: Dietmar Schmidt und Rainer Schumacher – ist als der zweite Teil einer „Jahrhundert-Saga“  gedacht – nach „Sturz der Titanen“ –  und breitet episch vor zeitgeschichtlich dramatischem Hintergrund mannigfaltige Handlungsstränge mit zahllosen fiktiven wie realen historischen Persönlichkeiten aus.

Teils rührselig, aber sozial engagiert

Für manche Leserschichten anspruchsvollerer Belletristik mag Ken Follett (*1949) teils etwas geschwätzig, teils etwas rührselig daherschreiben. Für die in die Millionen gehende Fan-Gemeinschaft des produktiven – und übrigens auch sozial sehr engagierten -, dabei äusserst detailreichen Schriftstellers ist selbstverständlich „Winter der Welt“ das literarische Muss dieses Herbstes. ♦

Ken Follett, Winter der Welt, Roman, Lübbe Verlag, 1020 Seiten, ISBN 978-3-7857-2465-1

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Philip Teir: So also endet die Welt