Das Zitat der Woche
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Von der Freiheit des Daseins
Martin Heidegger
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Das Dasein könnte nicht als Seiendes von Seiendem durchstimmt und demzufolge z.B. von ihm umfangen, durch es benommen und von ihm durchschwungen sein, es entbehrte hierfür überhaupt des Spielraums, wenn nicht mit dieser Eingenommenheit vom Seienden ein Aufbruch von Welt, und sei es auch nur ein Weltdämmer, mitginge. Die enthüllte Welt mag dabei begrifflich wenig oder gar nicht durchsichtig sein, Welt mag sogar als ein Seiendes unter anderem gedeutet werden, ein ausdrückliches Wissen um das Transzendieren des Daseins kann fehlen, die den Weltentwurf mit sich bringende Freiheit des Daseins mag kaum wach sein – das Dasein ist doch nur als In-der-Welt-sein vom Seienden eingenommen. Das Dasein gründet (stiftet) Welt nur als sich gründend inmitten von Seiendem.
Im stiftenden Gründen als dem Entwurf von Möglichkeiten seiner selbst liegt nun aber, daß sich das Dasein darin jeweils überschwingt. Der Entwurf von Möglichkeiten ist seinem Wesen nach jeweils reicher als der im Entwerfenden schon ruhende Besitz. Ein solcher eignet aber dem Dasein, weil es als entwerfendes sich inmitten von Seiendem befindet. Damit sind dem Dasein bereits bestimmte andere Möglichkeiten – und zwar lediglich durch seine eigene Faktizität – entzogen. Aber gerade dieser in der Eingenommenheit vom Seienden beschlossene Entzug gewisser Möglichkeiten seines In-der-Welt-sein-könnens bringt erst die «wirklich» ergreifbaren Möglichkeiten des Weltentwurfs dem Dasein als seine Welt entgegen. Der Entzug verschafft gerade der Verbindlichkeit des verbleibenden entworfenen Vorwurfs die Gewalt ihres Waltens im Existenzbereich des Daseins. Die Transzendenz ist entsprechend den beiden Weisen des Gründens überschwingend-entziehend zumal. Daß der jeweils überschwingende Weltentwurf nur im Entzug mächtig und Besitz wird, ist zugleich ein transzendentales Dokument der Endlichkeit der Freiheit des Daseins. Und bekundet sich hierin gar das endliche Wesen von Freiheit überhaupt? ♦
Aus Martin Heidegger: Vom Wesen des Grundes (1929), Vittorio-Klostermann-Verlag 1973
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