27 Juni 2010, Das unheimliche Dachbodenwesen, 7.37 Uhr

Morgenkaffee. Zigarette.
Stand vor wenigen Minuten auf. Seraphe folgte mir.
Sie flüsterte: „Ich muss dir eine Geschichte erzählen.“
„Eine Geschichte?“, fragte ich.
„Ja, ja!“
Wir saßen auf dem Balkon. Ich rauchte mit müden, zusammengekniffenen Augen eine Zigarette, während sie die Geschichte vom Wesen auf dem Dachboden erzählte.
„Ich wurde in der Nacht plötzlich wach, schlug die Augen auf und blickte direkt in die Augen des Kindes, die sich über mich beugte. Ich zuckte zusammen. Damit hatte ich natürlich nicht gerechnet.“
„Was wollte sie denn? Ist sie krank?“
„Nein, sie hätte Geräusche auf dem Dachboden gehört. Kratzende laute Geräusche, die direkt über ihr wüteten. Ich versuchte sie natürlich zu beruhigen. Erklärte ihr, es sei eine Ratte oder ein Waschbär.“
„Ein Waschbär?“
„Keine Ahnung. – Ich ging also mit ihr nach drüben. Ich legte mich einige Minuten zu ihr ins Bett. Ich packte ihre Hand, damit sie sich beruhigte. Alles ruhig. Ich war schon fast dabei in ihrem Bett einzuschlafen, da hörte ich es auch. Kratzende Geräusche. Das Kratzen war direkt über uns. Als ob sich da etwas nach unten graben wollte.“
„Warum hast du mich nicht geweckt?“
Ich klopfte meine Asche ab.
„Du kennst doch deinen Schlaf. Ich brachte das Kind im Zimmer der Jungen unter.“
„Ist sie da im Moment auch noch?“
„Ja, sie schläft.“
„Du brachtest sie also im Jungenzimmer unter, und dann …?“
„Legte ich mich natürlich wieder in mein Bett. Aber das war es noch nicht. Ich lag eine Weile so da, starrte an die Decke, überlegte, was wir tun könnten, da hörte ich die Geräusche plötzlich über mir. Wieder dieses Kratzen. Ein lautes Kratzen wie von einem sehr großen Tier. Und wieder klang es, als würde es sich durch die Decke graben wollen. Ich stand auf, schloss die Tür zum Balkon. Ich hatte richtig Angst. Egal, welches Tier es auch war, ich wollte es ja nicht plötzlich in der Nacht an unserem Bett stehen haben.“
Ich drückte die Zigarette aus, blickte nach oben.
„Es ist also immer noch da?“
„Vermutlich“, sagte Seraphe. „Wir werden nachsehen müssen.“
„Scheiße“, sagte ich.
„Aber das ist eine schöne Geschichte für die Pathologie“, sagte ich.
Ich schaltete den Computer an, setzt mich an die Tastatur, schrieb dies. Zwischendurch brachte mir Seraphe noch einen Kaffee.
„Danke!“
Sie lächelte mich an.
„Die Prinzen kommen heute“, sagte ich.
„Ja, das ist sehr schön.“

Seraphes Schwester Gauß ist gestern Vormittag abgereist. Wir fuhren mit dem Kind in die Stadt, kauften einen DVD-Film, den wir bereits gesehen haben und auf den ich hier nicht weiter eingehen werde. Ich las in einem Buch über die Filme Lars von Triers. Außerdem eine kurze und kluge Abhandlung von Marcus Stiglegger über das sogenannte „Terrorkino“. Ich werde darüber etwas für „Textem“ schreiben.
So, jetzt noch rasch den Kaffee trinken, dann duschen.
Ich blicke kurz zur Decke, nur kurz. Da oben ist etwas.

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