Guido Rohm - Aus der Pathologie

Atemlos

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Ehrlich: über 150 Seiten schaffe ich nie. Da greife ich lieber auf Ted Lewis, Jim Thompson, Daniel Woodrell zurück.

Rezensionsexemplare treffen ein. Der neue Roger Smith (Besprechung folgt). Ein Lichtblick im Dunkel, immerhin.

Zigaretten. Kaffee. Die eigenen Texte …

Und dann das. Nicht dieser Einheitsbrei, den man sonst vorgesetzt bekommt. Rohe, grobe Fleischklumpen. Serviert in würziger Minzsauce. Garniert mit den Sägespänen aus einem irischen Pub. Man setzt sich aufrecht hin, reißt die Augen auf. Liest!

„Der sichere Tod“, von einem gewissen Adrian McKinty.

Eine dürre Geschichte; noch dazu gefladert. Ire kommt in die USA. Erledigt Aufträge für einen zwielichtigen Burschen. Verliebt sich in dessen Freundin. Wird verraten. Landet im mexikanischen Häfen. Flieht. Kehrt zurück. Rächt sich.

Das soll es gewesen sein?

Tja, wenn da nicht diese verflucht genialen Sätze wären, diese Ich-treib-dich-in-den-Tod-Wortsalven.

Wie war der Name? Adrian McKinty. Warum kannte ich den bisher noch nicht?

McKinty verfügt über etwas, das es heutzutage selten zu finden gibt.

SOUND!

Er schreibt in einem atemlosen Stakkato. Ellipsen. Als würde es kein Morgen geben. Könnte sein. Denn sein 19-jähriger Held Michael Forsythe hängt etwa die Hälfte des Buches kopfüber in einem Berg Scheiße. Den hat sein mexikanischer Gegenspieler aufgeschüttet. Jetzt muß er erst einmal strampeln, um wieder herauszukommen. McKintys Beschreibung von Forsythes Flucht aus dem mexikanischen Gefängnis muß zum Besten gezählt werden, was die Krimiliteratur in den letzten Jahren verbrochen hat.

Wenn der Begriff Pageturner einen Sinn ergeben soll, dann wurde er für Romane wie diesen erfunden. Blättern ist Pflicht. Also liest man rasch. Kommt zum Ende – und flucht. Wann kommt denn der nächste McKinty? Wird kommen: „Der sichere Tod“ ist der Auftakt einer Trilogie. Nicht schon wieder, denkt man; die Welt wird mit Trilogien zugeschissen.

Bei McKinty ist das etwas anderes. Man kann es kaum erwarten. Fiebert. Wird süchtig nach dieser Droge. Und wenn man sie nicht bald bekommt, dann ist der Tod sicher. Schweiß. Angst.

Ich werde durchhalten. Irgendwie.
Was bleibt? Kaffee. Zigaretten. Die eigenen Texte. Und die Gewißheit, einen wirklich großen Roman gelesen zu haben.

(Erschienen bei Evolver)

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