29. Juni, In den Zeiten der Krise und des Kaffees, 5.47 Uhr

Kaffee. Zigarette.
Es geht mir besser, weitaus besser, ich kurierte mich aus, dachte nach, geriet von einer Krise in die nächste Krise, nicht meines Lebens wegen, sondern der Literatur wegen, einfach deshalb, weil man sich nicht dauernd wiederholen will, und es doch tut, weil man nach neuen Wegen sucht, die ich eben darin finde, den Genrebegriff zu bearbeiten.
Ich trinke meinen Kaffee, lausche auf die verschiedenen Stimmen der Vögel, die ich nicht auseinanderhalten kann und will, die sich eifrig miteinander unterhalten, oder eben auch nicht. All diesen Sinn bringe ich in die Welt rein. Wir interpretieren uns dies alles erst bei.
Torn rief an. Er ist bei Paulsen. Widerlich. Ich wollte seine Stimme überhaupt nicht hören, habe ich ihn doch inzwischen hinter mir gelassen, besser, ich bin dabei ihn hinter mir zu lassen. Er schwätzte und schwätzte, es könnte also gut sein, dass er hier auftaucht. Soll er doch. Nein, er sollte es lieber lassen.

Ich kann dem Schreiben also gar nicht entkommen, nicht den Figuren meiner Bücher und Gedanken entfliehen.

Gibt es denn eine Schublade in die man gehört? Bin ich ein Krimiautor, weil die Gewalt mein Thema ist? Oder bin ich ein Postmodernist, weil ich immer wieder mit Versatzstücken spiele, die ich gegen die Wand werfe, um zu sehen, was sich darin befindet?

In der Ferne hört man das Rauschen des sich in den Horizont schraubenden ICE. Ich nehme einen weiteren Schluck, denke an das Kind, an Seraphe, die nur wenige Meter weiter ihre Träume ausschwitzen, denke daran, wie sehr ich sie liebe, und weiß, nur diese Liebe wird am Ende wichtig gewesen sein. Kein Satz, kein Roman, kein Film, nichts, weil alle diese Dinge mir nicht die Hand am Totenbett halten werden, woran man sieht, das mein Gemüt nicht besonders ausgeglichen ist, also kotze ich es raus, immer raus damit in diesen langen Satzschleifen, weil Literatur, Inszenierung des eigenen Lebens ist, eine Inszenierung, die uns beim Überleben hilft. Also einigen wir uns darauf: Erst die Liebe, dann die Literatur.

Jetzt sind genug der Worte aus meinen Fingern getropft. Der Kaffee wartet, die nächste Zigarette, der nächste Atemzug, die nächste Geschichte, der nächste Kuss, das nächste Gespräch.

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