4. Juli 2010, Der depressive Napoleon, 7.34 Uhr

Zigarette. Kaffee.
Wir sind früh aufgestanden, haben die Fenster weit aufgerissen, damit das kostbare Gut Wind sein Werk verrichten kann.
Seraphe sitzt lesend in Küche, sie hat sich „Evil“ von Ketchum vorgenommen.
„Das werde ich nicht lesen können. Das ist mir einfach zu hart.“
„Das kann ich verstehen“, antwortete ich. „Der Roman ging auf jeden Fall an die Grenzen des Erträglichen. Auf der anderen Seite …“
„Was?“
„Es ist genau deshalb ein großer Roman.“
Sie versucht es also weiterhin, sitzt da und liest.

Wir kommen uns in unserer Dachgeschosswohnung wie in einem Backofen vor, wir werden langsam gebraten, hin und wieder öffnet jemand die Tür, aber nur, um heiße Butter über unsere Köpfe zu gießen.
Und die Nächte? Die sollten eigentlich zum Schlafen da sein. Momentan sind sie aber nur zum Schwitzen da. (Auf der anderen Seite sollten die Nächte vielleicht auch zum Schwitzen da sein.)
Schrieb gestern ungewöhnlich viel. Vielleicht lag es an diesem Höllenwetter, ich schwitzte Blut und Worte aufs Papier, von denen man nie weiß, was sie wert sein werden, die aber zumindest erst einmal existieren.
Überhaupt sind die Selbstzweifel immer wieder groß und werden nur vom Größenwahn gebrochen.
Ich würde mich also im momentanen Zustand als „depressiven Napoleon“ bezeichnen.
Die zu erobernden Länder liegen klar vor meinem inneren Auge, die Armeen sind aufgestellt, ich bin los marschiert, jetzt muss ich nur noch das Ende des Krieges abwarten.

Die Jungen sind heute bei uns, wir werden uns mit ihnen ein schattiges Plätzchen an einem Spielplatz suchen. Dann können die Prinzen toben, während wir ihnen dabei zusehen.
Und da die Prinzen da sind, werde ich heute auch nichts weiter schreiben. Ein Tag Ruhe ist ja auch nicht das Schlechteste.

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Eine Antwort zu 4. Juli 2010, Der depressive Napoleon, 7.34 Uhr

  1. danzatrice schreibt:

    Das nenn ich mal unterhaltsam!

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