Guido Rohm - Aus der Pathologie

Huhn

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„Ist das wirklich Huhn?“
„Ich denke schon.“
„Du weißt es also nicht. Sie sollen inzwischen dazu übergegangen sein, Menschen aus den Lagern zu schlachten.“
„Das sind doch nur Gerüchte.“
„Schmeckt irgendwie komisch.“
„Ich glaube, Mensch würde anders schmecken.“
„Im Süden soll es bereits die ersten Menschenfleischfabriken geben. Da wären ganze Transporte unterwegs. Sie treiben die armen Leute aus den Bergdörfern zusammen, und dann … Bei der Fleischknappheit gibt es genug Leute, die ihr Geld für so etwas ausgeben.“
„Iss jetzt und sei lieber froh, dass ich dieses Huhn auftreiben konnte.“
„Du hast nur einzelne Fleischbrocken gekauft, das ist Pressfleisch, das könnte auch aus dem Körper eines Menschen stammen.“
„Und wenn schon, iss es einfach.“
„Ich kann nicht. Du würdest doch auch nicht wollen, dass sie mich auffressen. Das ist einfach nur widerlich.“
„Das ist der Lauf der Zeit.“
„Es ist also Menschenfleisch?“
„Ich habe es bei einem der illegalen Fleischhändler gekauft. Keine Ahnung, was die alles so verkaufen.“
„Gib unser Geld für etwas anderes aus.“
„Und für was? Gemüse ist noch teurer. Wir haben langsam kein Geld mehr.“
„Ich werde welches besorgen.“
„Das erzählst du mir jeden Tag.“
„Ich werde …“
„Was?“
„Einen Transporter überfallen.“
„Unsinn, irrer Mann, das wirst du nicht, aber …“
„Was?“
„Noch wäre Großvater …“
„Sprich es nicht aus.“
„Iss dein Fleisch und denk darüber nach. Wir brauchen das Geld, sonst sind wir die nächsten Brocken Fleisch auf dem Teller von irgend so einem reichen Arschloch.“
„Das werde ich niemals tun. Niemals.“
„Ist ja gut.“
„Ich glaube es ist Huhn.“
„Bestimmt.“

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