Kaffee, Zigarette.
Seraphe ist mit mir aufgestanden. Sie schiebt, räumt, hustet. Ich spitze die Ohren. Die Wohnung entwickelt ihre ganz eigene Melodie. Schrieb eben: Ich spitze die Augen. Verbesserte es. Dachte darüber nach. Ja, vielleicht sollte man auch einmal die Augen spitzen. Genau hinsehen. Den gewohnten Blick verlieren. Eine der großartigen Beobachter der deutschen Literatur ist Botho Strauß. Paare, Passanten. Dieses Ablauschen mit den Augen.
Schon sitzt Seraphe auf ihrem angestammten Küchenplatz, rührt ihren Cappuccino um, schlürft, weil das Getränk noch dampfend heiß ist. Sie stellt die Tasse auf den Tisch zurück. Schiebt sie vom Rand fort, so wie sie alles vom Rand schiebt. Auch Sternchen und mich.
Die erste Zigarette ist bereits auf dem Balkon geraucht.
Ich stand ganz am Rand, presste meinen Rücken fast schon an die Scheibe. Der Regen hat den Balkon überschwemmt. Zug um Zug sah ich ins Dunkel hinaus. Einzelne Lichter am Rand. Was wird wohl dort sein? Welche Geschichten spielen sich ab? All die vielen ungesehenen Gesichter, die nie eine Bedeutung haben werden, die im Dunkel der Nacht bleiben. Ich drückte die Zigarette im Aschenbecher aus. Es zischte, weil auch der sich mit Wasser gefüllt hatte. Zurück in die Wohnung. Ich trocknete meine Schuhe. Penibel und genau, darauf achtend, kein Wasser in die Wohnung zu tragen.
Seraphe hatte den Computer bereits eingeschaltet.
Mails abrufen. Die wichtigen Nachrichten kamen schon gestern. Ein kurzes Klicken durch die altbekannten Seiten, um dann den täglichen Eintrag für die Pathologie zu schreiben.
Ich spürte eine gewisse Unsicherheit bei den ersten Buchstaben. Warum verfasse ich diese täglichen Randbemerkungen? Vielleicht um mich selbst vom Rand des Tisches ein wenig mehr in die Mitte zu rücken, um nicht zu stürzen, um mir das Gefühl von Sicherheit zu geben, um mir eine Geschichte zu geben, die nicht im Dunkel der Nacht versickert.
Schreiben ist wie das hilflose Rudern mit den Armen beim Sturz vom Rand der Klippe.
Schreiben ist Sucht, ist Erfindung. Deshalb kann es gut sein, dass ich morgen bereits eine ganz eine andere Sicht meines Lebens präsentiere. Mit Sicherheit sogar.
Ich werde meinen Kaffee trinken, eine Zigarette rauchen und dann …