Und dann hatte ich plötzlich so gar keine Lust mehr auf die eigene Ausstellung. Saß mit müden Augen vor dem Bildschirm. Stocherte im Netz. Schleppte meinen Körper zum Sofa.
Nö, nö, dachte ich, lass die Ausstellung mal den Künstlern. Nahm mir Handkes „Hornissen“ vor. Las die erste Seite. Legte es wieder zur Seite. Eine rauchen. Also raus auf den Balkon. Zündete mir eine Zigarette an. Lehnte mich zurück. Sog den Rauch ein. Schloss die Augen.
Scheiße, dachte ich, da will ich nicht hin. Nicht auf irgendeine verfluchte Vernissage. Wie das schon klingt. Man sieht schon diese ganzen Deppen vor sich. Schlürfen Wein. Reden unheimliche kluge und langweilige Dinge. Am Ende spricht mich noch jemand an. Auf keinen Fall.
Aber was sollte ich tun?
Ich könnte fliehen. Ich könnte einen anonymen Anruf absetzen. „Ich habe in der ganzen Stadt Bomben verteilt.“ Stimmt. Das wäre geschmacklos und viel zu dramatisch.
Ich drückte meine Zigarette im Aschenbecher aus. Rein. Hin zum Bildschirm, im Netz stochern …
Und dann war es vorbei. Ging doch. Mit fünf bis acht Gläsern Wein lässt sich alles überstehen. Ich hatte sogar richtig Spaß. Aber der Reihe nach.
Die Stadt war völlig überfüllt.
„Toll“, sagte ich. „Das Interesse an Kunst scheint gestiegen zu sein.“
Seraphe winkte ab.
„Da ist ein Konzert in der Stadt. Die pilgern zu den echten Stars.“
Ich sah abschätzig aus dem Autofenster. Verfluchte Bande.
Nach gefühlten fünfzehn Stunden kamen wir schließlich an. Eilten zur Galerie. Alles in Ordnung. Wir kamen nicht zu spät. Ich sah mich um. Gut. Da gab es Wein. Also griff ich zu.
Die ersten Gäste. Man schüttelte Hände. Erzählte ein paar Belanglosigkeiten. Ich wies auf dieses und jenes Werk hin. Eigentlich wies ich die Leute hauptsächlich auf das Werk von Leszek Skurski und mir hin.
Der kam schließlich auch.
Klatsch, klatsch.
Meister Skurski schlug die Hände zusammen. Bat um Aufmerksamkeit. Bekam sie. Die meisten Leute waren zwar zum Weintrinken gekommen, aber alles hat seinen Preis, also versuchten sie sich kurzzeitig auf den Künstler zu konzentrieren. Nach Leszek durfte noch eine Dame reden. Dann musste ich noch ein paar Worte zum Besten geben, die ich rasch runter zitterte. (Verflucht, wo war nur mein Wein?)
Nach dem offiziellen Teil durfte endlich wieder getrunken werden. Ich griff mir ein Glas. Raus an die Luft. Eine Zigarette.
Nach dem fünften oder sechsten Glas und einigen merkwürdigen Gesprächen fühlte ich mich endlich als Herr des Geschehens. Ich sah mich um. Stand mit Freund Herbert draußen und palaverte. Sah mich wieder um. Seraphe unterhielt sich mit diesem Kerl. Sollte ich mich da einmischen? Nein!
Doch!
Also hin. Gespräch über Kunst und Literatur.
„Was machen Sie so?“, fragte ich ihn.
„Ich bin Konsument!“
Aha!
Ich nahm noch ein paar Anläufe. Er wollte aber einfach nicht damit raus rücken, was er so trieb. Vermutlich ein Geheimagent. Ein Millionär. Einfach nur ein Konsument. Der hatte Geld und wollte es in mich investieren. Ich sah mich bereits aus dem Vollen schöpfen. Wir gaben uns die Hände. Einen schönen Abend noch. Weg war er. Die Sache mit einem Mäzen hatte also wieder nicht geklappt.
Eine halbe Stunde später war die Galerie verrammelt und verriegelt. Wir wankten in die Stadt hinein. Tranken noch einen Wein. Aßen eine Pizza. In der Stadt war die Hölle los. Ach, genau, dieses Konzert. Aasfresser. Dafür hatten sie Geld. (Habe ich schon erwähnt, dass Sie das Kunstwerk von Leszek und mir käuflich für 12.000 Euro erwerben können. Sie sollten zuschlagen. Das Ding ist bestimmt bald weg.)
Und dann waren wir wieder Zuhause.
Rasch, rasch. Zähne putzen. Unter die Decke steigen. Augen schließen. Schlafen. Träumen.
Ich bin heute gegen 5.00 Uhr aufgestanden. Ich habe mir einen Kaffee gemacht, habe im Dunkel der Nacht eine Zigarette geraucht, habe meine Mails abgerufen. Ich habe keine Kopfschmerzen, obwohl ich gestern reichlich Wein in mich rein geschüttet habe. Sollte mich das nachdenklich machen? Nein!
Und raten Sie mal, was ich jetzt machen werde?