Der Nebel verhüllt die Gebäude wie ein auf Anständigkeit bedachter Vater, der das schon den Boden streifende Kleid noch ein kleines Stück länger zieht. Nichts soll zu sehen sein, vor allem nicht die atmende und bangende Menschlichkeit im Kleid; es soll eben nur die Ahnung übrig bleiben, eine Form im Raum, ein Stolperstein in der Zeit.
Pah!
Ich sitze in meinem Sessel und beobachte den Autor, rate ihm, nachdem er mir den Beginn seines heutigen Eintrags vorgelesen hat, nicht allzu schludrig mit der Sprache umzugehen, denn die ist, so erkläre ich ihm, keine Schlampe, auch wenn das viele dort draußen meinen. Sie benutzen sie wie ein billiges Flittchen, fallen über sie her und schänden sie in einer dunklen Ecke unter der Brücke am Fluss. Dann verschwinden sie und lassen das arme Ding verletzt dort liegen. Natürlich stirbt sie langsam, sage ich.
Er sieht mich erstaunt an, fragt mich, wer ich sei und was ich hier wolle.
Ich winke ab.
Schreib nur weiter, sage ich zu ihm und ziehe an meiner langstieligen Pfeife, einem regelrechten Ungetüm von einer Pfeife, mit Verzierungen, die an schreiende Kindergesichter erinnern, und die zu rauchen, man erst lernen muss. Mir brachten es neuseeländische Walfänger bei. Stumme Kerle, die man nicht recht einschätzen kann, die aber Ahnung von Tabak und Walfang haben.
Jetzt springt mein Freund auf.
Guido, ich war schon immer hier, beruhige ich ihn.
Ich kenne Sie aber nicht, flüstert er erregt.
Still, fordere ich von ihm, deine Frau Seraphe liegt drüben. Wir wollen sie doch nicht wecken.
Da schüttelt er den Kopf.
Sicher nicht, sagt er. Die würde das hier nicht glauben.
Gewöhn dich an mich.
Er hebt die Augenbrauen.
Ich gehöre einfach zu dir. Wir sind sozusagen Geschäftspartner. Ich will dich einfach ein wenig begleiten. Dir vielleicht auch den einen oder anderen Ratschlag geben.
Jetzt fragt mich mein Freund doch tatsächlich nach meinem Namen. Ich versuche mich für einen meiner zahlreichen Bezeichnungen zu entscheiden. Da fällt mir dieses Spiel mit einem Eintrag in einem Gästebuch in Palestrina ein.
Nenn mich Moll Doodle, sage ich mit einem Lächeln.
Moll Doodle?
Warum nicht? Ein Name ist so gut wie der andere. Auf die Namen kommt es nicht an, wohl aber auf das, was wir tun. Das Werk ist wichtig.
Welches Werk, fragt er mich.
Ich lache spöttisch auf, ein wenig zu spöttisch vielleicht für den noch nicht ausgebildeten Geschmack des Autors, verzieht er doch sein Gesicht und ruft plötzlich aus: Ruhe!
Die erste Tür schlägt. Seine Frau ist erwacht.
Wir sehen uns, sage ich.
Er reibt sich die Augen, während ich dem morgendlichen Schauspiel unbemerkt beiwohne, an meiner Pfeife wie an einem Knochen knabbernd.
„Was hast du heute geschrieben?“, fragt Seraphe.
Er liest es ihr vor. Sie mustert ihn verwundert. Was hat er denn erwartet?
Seraphe bereitet sich ihren Morgencappuccino. Ich stehe derweil an seiner Seite und beobachte ihn. Meine Worte perlen unbemerkt in sein Ohr.
Beende diese unseligen Tatsachen. Du musst in größeren Maßstäben denken, in anderen Maßstäben.
Was meinst du damit, fragt er.
Seraphe hebt den Kopf.
„Hast du etwas gesagt?“
„Ich habe nur laut gedacht.“
Gut so. Er hat es begriffen.
Für heute reicht es, sage ich und verbschiede mich, indem ich seinen Kopf tätschele. Das mögen sie nie.
Ich bin kein Hund, zischt er.
Dann benimm dich auch nicht wie einer.
Er sieht sich um. Reibt sich die Augen.
„Ich habe geträumt!“
Seraphe lacht auf.
„Was ist, warum lachst du?“, fragt er.
„Ich lache, weil du zum ersten Mal etwas bemerkst, was mir schon lange klar ist.“
Sie liest weiter, während er Moll Doodle bei Google eingibt, in der Hoffnung etwas über meinen Namen zu erfahren.
Ich sitze derweil mit übereinandergeschlagenen Beinen auf dem Bücherregal, sauge wie ein gieriger Säugling an meiner Pfeife, denn der Tabak hält mich im Lot, und warte ab. Ich habe Zeit, vor allem weil dieser Begriff einzig nur das Wort für einen Saal ist, denn ich mit wenigen Schritten in alle Richtungen durchqueren kann.