Winter ist von der Sammelwut befallen. Sie treibt ihn um. Die Haut, dieser sonst so sorgsam von ihm gepflegte Knochenüberzug, ist ganz mit roten Flecken übersät, die vielleicht von der Aufregung der Jagd stammen, aber auch Zeichen einer Allergie sein können. Bald sieht man ihn hier. Bald dort. Er sammelt vor allem Staub. Kleinste Partikel, die er auf den Tisch und unter eine Glasplatte wischt. An jedem noch so kleinsten, fast unsichtbaren Körnchen kann er sich erfreuen.
Hat er Besuch, dann führt er seine Staubsammlung vor.
Erklärt: Sehen Sie nur hin, denn dies schlangenhafte Staubfädchen verbarg sich lang und geschickt hinter einer Erstausgabe von „Saubere Hände – Die Geschichte des Pontius Pilatus“.
Man nickt und tut erstaunt. Natürlich sorgen sich seine Freunde und Schriftstellerkollegen um Winter, denn seit er zum Sammler wurde, hat er kaum noch ein Wort auf das virtuelle Papier seines Bildschirms gebracht.
Im Gegenteil: Winter baut seine Leidenschaft aus. Neben Staub beginnt er auch Luftgeister zu sammeln, die er mit einer speziellen Anlage, die aus einem Schuhlöffel und einer Haarspange besteht (und weder kompliziert noch einleuchtend aussieht), zu bannen versucht.
Es befänden sich bereits viertausendsiebendhunderteins Luftgeister der verschiedenen Luftschichten in seinem Gewahrsam.
Auf die Frage, was er mit denen denn machen wolle, geht Winter nur knapp ein. Er sei Sammler und kein Philosoph. Hier gehe es nur darum, die Sammlung beständig zu erweitern. Er sei aber gerne bereit, sich mit anderen Sammlern zu treffen. Man könne ja, so Winter, tauschen, denn er wolle keine doppelten Staubkörner oder Luftgeister in seinem Besitz haben.
Winter springt von seinem Stuhl und greift in den Raum. Haben Sie das gesehen, schreit er, haben Sie, haben Sie, haben Sie? Ganz langsam öffnet Winter die zur Faust geballte Hand. Hier könne man ein Chamäleon-Staubkorn sehen. Sie sehen nichts, grinst Winter, ja, eben fährt er fort, es hat sich ganz seinem Hintergrund angepasst. Selten zu finden, murmelt Winter und verabschiedet uns rasch. Und während wir draußen vor der Tür stehen, können wir Winter hören, der durch die Wohnung hetzt, der nicht müde wird, ein ganz besonders seltenes Staubkorn zu finden.
Die Sammelleidenschaft hat Winter übermannt!
Archivierung!
Die Pathologie wird von der Universität Innsbruck im Rahmen des Forschungsprojektes DILIMAG, sowie dem DEUTSCHEN LITERATURARCHIV MARBACH archiviert.- "In Pissoirs geht man Stufen hinunter, in Bunker, in Krematorien, in die Pathologie, in Weinkeller. Es lassen sich mythologische Beziehungen zum Hinabsteigen herstellen." Hubert Fichte, Die Palette
Über Guido Rohm
Er kam, sah und schrieb. Der Schriftsteller Guido Rohm , geboren 1970, lebt und raucht in Fulda. Romane von ihm tragen sensible Titel wie „Blut ist ein Fluss“ und „Blutschneise“.
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