Jetzt steht er also in unserem Esszimmer. Der Reine Tisch. Entwickelt wurde der Reine Tisch von dem Designer Erich Otto, von dem zuvor bereits der Schrank Los entworfen wurde. Der Schrank Los kennt – Sie werden die Bilder vor sich haben – (scheinbar) keine Grenzen. Hat man ihn erst vom Spezialteam des Möbelhauses aufstellen lassen, kann man seine Wohnung nicht mehr betreten. Ich darf Sie an die Bilder von Menschen erinnern, die zwar stolze Besitzer eines solchen Schrankes waren, aber fortan in den Treppenhäusern übernachten mussten. Dort saßen sie dann, bewundert von der Nachbarschaft, die sich zum Teil aber auch spöttisch gab, sicherlich nicht ohne Neid, der sich aus dem Besitz des Schrankes Los speiste.
Die Fächer des Schranks Los – individuell auf die Wohnverhältnisse der Käufer abgestimmt -, ziehen sich durch alle Räume, und wäre man noch in der Lage, die Wohnung zu betreten, um den Schrank zu benutzen, würde sicherlich nie wieder Not herrschen, wo und wie neu erworbene Kleidungsstücke unterzubringen wären.
Jetzt hat Erich Otto den Reinen Tisch entwickelt, der – laut Designer – nie, aber auch wirklich nie benutzt werden darf, kommt es hier doch nicht auf die Funktionalität an, sondern auf Ausdruck und Wiedererkennungswert der Tischform. Stolz stehen Seraphe und ich davor, zumal ein Tisch aus dem Hause Otto nicht eben billig ist.
Wir werden in den nächsten Tagen darüber nachdenken, wo wir zukünftig unsere Gäste platzieren werden, wohl nicht am Reinen Tisch, dessen Platte uns zum ersten Mal den Begriff Tischplatte hat verstehen lassen. Glatt, nicht durch Brösel verunstaltet, glänzt sie in der Nachmittagssonne auf wie ein Heiligenschein und flutet unsere Wohnung mit einem seligen Licht, das uns daran erinnert, dass es doch einen Gott geben könnte.
Wir werden nun sparen, denn unsere nächste Anschaffung soll der Stuhl Gang aus dem Hause Otto sein. Der Stuhl Gang, so das Prospekt, das kürzlich in unserem Briefkasten lag, ist mit einer Technik ausgestattet, die den Stuhl wandern lässt, unaufhörlich und ohne Kontrolle der Besitzer. Saß man eben noch in der Küche, kann es sein, dass man sich einige Minuten später auf dem Nachttisch wiederfindet. Eine starke Federung soll Höhenunterschiede von bis zu drei Metern überwinden können.
Ist der Stuhl Gang angeschafft, dann fehlt eigentlich nur noch das Bett Machen, das sich allmorgendlich in seine Einzelteile zerlegt, die man am Abend genüsslich wieder zusammensetzen darf, gerne auch im Kreise der ganzen Familie, die Spaß an diesem Puzzle haben wird.
Otto verspricht seinen Kunden eine Einrichtungswelt, die wieder Wert auf Auge, Hände, Füße legt.
Ich bin mir sicher, dass wir keinen Fehler gemacht haben, wenn ich mir unseren Reinen Tisch ansehe, der unbenutzt wie die Jungfrau Maria bis in alle Ewigkeit nur sich selbst genügen wird. Das ist Kunst. Wahre Kunst, die keinen Zweck mehr verfolgt und trotzdem da ist.
Sollten Sie jetzt auf den Geschmack gekommen sein, dann zieren Sie sich nicht und bestellen Sie noch heute einen Katalog. Sie werden die Möbel von Otto lieben.
Archivierung!
Die Pathologie wird von der Universität Innsbruck im Rahmen des Forschungsprojektes DILIMAG, sowie dem DEUTSCHEN LITERATURARCHIV MARBACH archiviert.- "In Pissoirs geht man Stufen hinunter, in Bunker, in Krematorien, in die Pathologie, in Weinkeller. Es lassen sich mythologische Beziehungen zum Hinabsteigen herstellen." Hubert Fichte, Die Palette
Über Guido Rohm
Er kam, sah und schrieb. Der Schriftsteller Guido Rohm , geboren 1970, lebt und raucht in Fulda. Romane von ihm tragen sensible Titel wie „Blut ist ein Fluss“ und „Blutschneise“.
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