Zarathustras miese Kaschemme

Armut ist für alle da

Ich bin ein Zahlender. Ich zahle Miete, für jede Wand, für jede Decke, für jede Tür. Ich zahle Nebenkosten. Man möchte ja, dass es zwischen den Wänden und unter den Decken warm ist. Es hilft wenn man die Türen schließt. Ich bin ein Sponsor der Stadtwerke. Ihre Kraft und ihre Energie machen es erst möglich, dass man bei Minus 14 Grad nicht den Kältetod stirbt. Der Winter, dieser grausame kalte Winter ist nun vorüber. Zumindest hoffen wir das. Sicher kann man sich nie sein. Das Wetter ist eine Schlampe. Tut und lässt was sie will. Schafft Katastrophen, Regen, Winde, Hitze- und Kältewellen. Wir sind dieser Schlampe ausgeliefert. Wenigstens ist sie nicht bestechlich. Mit Geld kann man kein Wetter kaufen. Es sei denn, man fliegt in den Urlaub. Nach Spanien oder Griechenland zum Beispiel. Auf Kreta war ich auch noch nie, fällt mir gerade ein. Da soll es ja auch sehr schön sein. Im März haben die dort eine durchschnittliche Temperatur von 16 Grad. Flüge nach Kreta gibt es auch schon für 19,99.

„Hilde!? Was ist denn jetzt mit dem Urlaub? Wollen wir ins Reisebüro und buchen?“
„Wovon denn, Kurt? Willst du deine 5-Cent Stücke rollen und zur Bank bringen? Von dem Erlös kannst du dir auf jeden Fall schon mal eine Fahrkarte bis zum Reisebüro kaufen.“
„Was ist mit unserem Auto?“
„Leidest du unter Gedächtnisschwund. Den haben wir vor zwei Monaten verkauft.“
„Aber dann muss doch Geld da sein.“
„Wir haben mal gerade 300 Euro für den Wagen bekommen und das war schon großes Glück.“
„Glück, Hilde? Für dich noch so viel Geld zu kriegen, das wäre Glück. Der Wagen war doch tiptop.“
„Ach, such du dir lieber Arbeit, du nutzloser Penner.“
Und so verbrachten Kurt, 67 und Hilde Baumeister, 63 ihren Dienstagvormittag mit einem gewaltigen Meinungsaustausch, der dafür verantwortlich war, dass eines der IKEA Gläser auf den Küchenboden fiel und kaputt ging. Hier können wir also getrost noch mal 1,99 abziehen.

Wo waren wir stehen geblieben? Auf Kreta? Nein. Das war ja zu teuer. Aber Straßenbahn fahren ist billig, geht man davon aus, dass man sich für 6,70 Euro ein Tagesticket um eine Minute nach Mitternacht kauft und dann 24 Stunden durchfährt. Rechnet man das auf die Minute, kommt man auf einen Wert von 0,28 Cent pro Minute. Schade, dass die Bahnen nicht bis nach Kreta fahren. Aber warum auch überhaupt Kreta? Die osteuropäischen Staaten sollen doch so günstig sein. Polen, Tschechien, Rumänien, Bulgarien oder Ungarn. Dennis F. aus einem 367-Mann-Dorf in Baden-Württemberg fährt regelmäßig nach Tschechien.
„Weil dort die Nutten einfach preiswerter sind. In Deutschland musst du ja fast schon dein Sparbuch mit in den Puff nehmen.“
„Nein“, hatte ihm sein Freund Detlef Jobst (34) gesagt, „für 30 kannst du auch schon bumsen.“

Diesbezüglich hatte sich ja auch schon der Kurt Baumeister so seine Gedanken gemacht, aber da ist seine Frau, die Hilde ganz pragmatisch: „Was willst du in deinem Alter noch ficken, Kurt. Spar das Geld für’n Urlaub.“
Nächsten Sommer geht’s los. Kreta für 2 Personen. Pauschalreise. Doppelzimmer. Übernachtung mit Frühstück für 463 Euro pro Person, plus Taschengeld. Sagen wir mal, zusammen 1500 Euro. Das ist doch bestimmt mal drin.
„Das machen wir Hilde. Wenn nicht nächsten Sommer, dann irgendwann. Aber wahrscheinlich sterben wir eher.“