Karriere
Ich war nervös. In einer Stunde sollte ich einen Auszug aus Schillers „Räuber“ vor der Aufnahmejury der hiesigen Theaterhochschule vortragen. Ich würde ein Schauspieler sein. Jemand, der so tut als ob.
Ich war nervös. In einer Stunde sollte ich einen Auszug aus Schillers „Räuber“ vor der Aufnahmejury der hiesigen Theaterhochschule vortragen. Ich würde ein Schauspieler sein. Jemand, der so tut als ob.
Ich sehnte mich nach einem Glas Wasser oder was noch viel besser wäre, einem kalten Bier. Die Mittagssonne stand am Himmel, glänzte und brannte uns entgegen wie ein Feuerball. Meine Kehle war getrocknet und auf der Zunge lag noch immer der viel zu süße Geschmack des Zuckers aus dem Kaffee.
“Ich hab noch ein paar Dollar, wir sollten uns ein Bier besorgen”, sagte ich und deutete auf ein kleines Lokal.
Ich machte dort weiter, wo ich letzte Nacht irgendwann gegen Viertel vor 4 aufgehört hatte. Jede Nacht holte ich mir zwei Dosen Bier verfeinert mit Ginseng, Taurin und Erdbeerextrakten und las auf dem Boden sitzend den schwarzen Himmel.
Ich klopfte gegen das Holz, aber niemand schien mich zu hören. Wie auch? Ich lag zwei Meter unter der Erde in einem Sarg mit einer Ladung Erde darauf.
Wir sitzen im letzten Wagon / Ohne Fahrkarten / Und hoffen, dass die nächste Station / Eher kommt als die Kontrolleure
„Nach Paris.“ – „Willste mich verarschen? Ich radel dir hier bis zur Ecke, dann fliegt mir fast die Lunge raus.“ – „Ich fahr dir in fünf Tagen nach Paris.“ – „Ja, da komm ich mit. Ich schmeiß mir dann was, dann geht das.“
Hunde pissen gegen meine Tür / Bis der Gestank mich weckt / Ich halte die Luft an …
Hier gab es sie alle: Junge, aufstrebende Literaturstudenten, die schon heimlich ihre Dankesrede für den Nobelpreis geschrieben hatten oder die verträumten Boulevard-Zeitschriften-Dichter, die Posie für ihre Blumentapete schrieben. Es gab Schreiber, die Kredite aufgenommen hatten, damit sie ihre Book-on-Demand Bücher in den Druck geben konnten.
Ich setzte den Stift ab und visierte den oberen Teil der Serviette an. Hier fang ich an. Hier kommt das erste Wort hin. Ich könnte ja was über den Kellner schreiben und sein unmögliches Verhalten, der ist nämlich gar nicht so scheiß-freundlich, sondern gierig auf das Trinkgeld.