Ein erfülltes Leben
Ich saß um kurz nach 3 Uhr morgens auf dem Bordstein vor dem Supermarkt und biss gierig in den Schokoriegel. Ich dachte an meine Fahrt auf dem Fahrrad hier her, die schmalen leeren Gehwege entlang mit den Autos, die links an mir vorbeizogen. Darin saßen ihre Fahrer auf dem Weg zu ihren warmen Apartments oder Häusern. Dort wo ihre Freunde oder die Familie auf sie warteten um zu trinken, zu reden und Partys zu feiern. Ich feierte für mich selber, den kalten Abend, entlang den hart arbeiteten Sprinklern, die au?er den Rasenflächen vor den Häusern auch meine Hosenbeine bespritzten. Verdammt. Die Autofahrer hatten ihre Scheibenwischer, ich hatte die feuchten Bremsspuren. Die hatten die warmen vollen Häuser, ich hatte die dunklen leeren Gassen.
Ich a? meinen Riegel auf und steckte mir eine Zigarette an. Mein Fahrrad stand drüben an dem Pfeiler, der eine Reklametafel hielt, angelehnt, zwischen den ganzen Autos meiner Mitarbeiter. Einmal mehr spielte ich mit dem Gedanken, auf den feuchten Sattel zu springen und einfach nach Hause zu fahren. Scheiß doch auf alles. Dieser Job war es nicht wert zu leiden. Ich rauchte auf und ging zurück in den Markt.
Bevor es zehn Uhr war, hatte ich Frühstück und Mittag gegessen und setzte den Tag mit kanadischem Whisky für 9 Dollar die Flasche fort. Ich machte dort weiter, wo ich letzte Nacht irgendwann gegen Viertel vor 4 aufgehört hatte. Jede Nacht holte ich mir zwei Dosen Bier verfeinert mit Ginseng, Taurin und Erdbeerextrakten und las auf dem Boden sitzend den schwarzen Himmel. Keine Sterne, nur der Vollmond, der zwischen den Palmen, die am Straßenrand standen hindurch strahlte. Was tat ich hier? Jede Nacht war dieselbe Nacht und jede Nacht war derselbe passive Wutanfall, der in Form eines Rülpsers nach draußen brach. Jede Nacht zählte ich die Sekunden und sehnte mich dem Feierabend entgegen, nur um nach Hause zu fahren, dort noch ein Bier zu trinken und dann todmüde zum nächsten Job, der sowieso nicht genug Geld einbrachte zu eilen. Vielleicht war es an der Zeit für eine Veränderung? Nein, ich denke, diese war schon lange überfällig.
Nachts füllte ich die Regale im Vierundzwanzig-Stunden-Supermarkt, tagsüber saß ich dann zu Hause, rauchte eine Zigarette nach der anderen und sah wie das Bier und der Whisky immer weniger wurde, bis schließlich nichts mehr da war, nur die Müdigkeit, die es mir versagte, noch mal los zu ziehen, um Nachschub zu holen. Bald war der zweite Job dahin.
Es war ein Montagmorgen. Ich legte mich aufs Sofa und döste vor mich hin. Ich stand wieder auf, tippte ein paar Zeilen und spielte ein wenig Musik. Kein Buch, das ich begonnen hatte, war fertig, und ich hatte das Gefühl, mir lief die Zeit davon. Zu viele Jahre waren schon verschenkt, doch den Jahren war es egal. Die zogen vorbei wie die Wagen und Flugzeuge jede Nacht, in denen ich hätte sitzen können auf dem Weg in die lohnende Erleichterung, die sich von der Seligkeit nährte. Alles nur dummer Idealismus. Ein Traum – mal wieder. Ein weiterer Traum, der eine Nummer zog und brennend darauf wartete erfüllt zu werden. Wie sah denn die Realität aus? Zu wenig Schlaf, zu wenig fertige Bücher, zu wenig Geld und zu viel Alkohol. Ende.
Die Tage gingen so dahin. Ich schaute mir koreanisches Glücksrad im Fernsehen an. Ich hatte mir zwei Pizzabrote für drei Dollar besorgt und kaute nun auf der flauen Salamischeibe herum und hoffte, dass ich bald satt sein würde. Das ganze Ding würde ich nie und nimmer runter bekommen. Der Käse schmeckte nach abgestandener Milch und die Wurst nach Salz und das war‘s. Bloß schnell den Magen voll kriegen, dann eine rauchen und anschließend vor dem Fernseher einschlafen bis der Wecker klingelt.