Archiv für November 2012

Novemberpogrome 1938 – 2012

Mittwoch, 7. November 2012

Reichskristallnacht oder Novemberpogrome?

Ursprünglich wurden mit dem Wort Pogrom Übergriffe gegen Minderheiten im zaristischen Russland bezeichnet. Nach den dortigen antijüdischen Pogromen von 1881 – 1883 wurde Pogrom international nur mehr im Zusammenhang mit Juden und Jüdinnen verwendet. In den letzten Jahrzehnten erlebte der Begriff eine Bedeutungserweiterung und steht heute für kollektive Gewaltaktionen gegen Minderheiten.

Wer das Wort Reichskristallnacht „kreierte“, ist heute nicht mehr nachvollziehbar. Man kann aber davon ausgehen, dass der Begriff aus dem Berliner Volksmund stammt und auf die Scherben der zerschlagenen Fenster und Auslagen anspielt. Möglicherweise war die Wortschöpfung Reichskristallnacht zuerst eine verklausulierte Form des Protestes, eine Art ohnmächtiger Sarkasmus der GegnerInnen des Nationalsozialismus.

Die NationalsozialistInnen nannte die Deportation und Ermordung der Juden und Jüdinnen anfänglich weder Pogrom noch Reichskristallnacht, sondern, wie man aus dem Betreff des Befehlsschreibens von Reinhard Heydrich, Leiter der Sicherheitspolizei und des SD, entnehmen kann: „Maßnahmen gegen Juden“.1

Der Begriff Reichskristallnacht wurde allerdings von den NationalsozialistInnen rasch vereinnahmt. So meinte Wilhelm Börger, Ministerialdirektor im Reichsarbeitsministerium, im Juni 1939 auf dem Gautag der NSDAP in Lüneburg: „ … sehen Sie, die Sache geht als Reichskristallnacht in die Geschichte ein (Beifall, Gelächter) …“2

Der Politologe Harald Schmid weist in seinem Beitrag „Sprachstreit im Novemberland“ auf die der Bezeichnung Reichskristallnacht innewohnende Dialektik hin: „Doch das Wort bleibt auch ein nützlicher sprachlicher Stolperstein. Denn die scheinbar bloß etymologische und semantische Kontroverse führt geradewegs zum Gespräch über die ganze NS-Vergangenheit, den kritischen Umgang mit ihr und das Bemühen um moralische Genauigkeit – auch in der heutigen Benennung politischer Verbrechen.“

Geschichte der Novemberpogrome

Herschel Grynszpan schoss in Paris am 7. November 1938 auf den deutschen Diplomaten Ernst vom Rath. Dieser erlag zwei Tage später seinen Verletzungen. Propagandaminister Joseph Goebbels initiierte daraufhin im gesamten Deutschen Reich in der Nacht vom 9. auf den 10. November eine „spontane“ Vergeltungsmaßnahme in Form eines gegen die jüdische Bevölkerung gerichteten Pogroms. Bekannt wurde es unter dem Namen Reichskristallnacht.

In den aus heutiger Sicht besser als Novemberpogrome bezeichneten Ereignissen, wurden alleine in Österreich in der Nacht vom 9. auf den 10. November 30 Juden / Jüdinnen getötet, 7.800 verhaftet und aus Wien rund 4.000 ins Konzentrationslager Dachau deportiert.

Im gesamten Deutschen Reich wurden vom 7. bis 13. November 1938 etwa 400 Menschen ermordet. Ungefähr 30.000 Juden und Jüdinnen wurden in Konzentrationslager verschleppt. Dort wurden nochmals Hunderte ermordet oder starben an den Folgen der Haft. Fast alle Synagogen – etwa 1.400 – und viele jüdische Friedhöfe in Deutschland und Österreich wurden zerstört.

Die Novemberpogrome stellen den Übergang von der Diskriminierung und Ausgrenzung der Juden / Jüdinnen seit 1933 zur systematischen Verfolgung dar. Nicht einmal drei Jahre später münden die Verbrechen der NationalsozialistInnen in den Holocaust.

„Kommt alle, von Treblinka, Auschwitz, Belzec, von Ponar
Von Sobibor, mit aufgerissnen Augen kommt, macht los!
Ich will, daß Euer stummes Schrein zu einem Schrei erstarrt
Im Schlamm, im Sumpf versunken und in faulem Moos.“

Jizchak Katzenelson: „Großer Gesang vom ausgerotteten jüdischen Volk“

1 Fernschreiben vom 10.11.38, NS-Archiv. Dokumente zum Nationalsozialismus.
2 Roller, Walter (Zusammenstellung und Bearbeitung) & Höschel, Susanne (Mitwirkung): Judenverfolgung und jüdisches Leben unter den Bedingungen der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft. Tondokumente und Rundfunksendungen 1930–1946. Verlag für Berlin-Brandenburg 1996, S. 154.

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Brillis Wort zum Montag

Montag, 5. November 2012

Ein Hund ein Wort

Redaktionshund Brilli mit grauer Baskenmütze

Liebestrank

Am 17. November ist Premiere. Zwetschke wollte dabei sein und nun ist sie seelisch zerrüttet. Eine veritable Katastrophe! Ablenkungsmanöver – Ausflüge in den Wald mit Spezialschnüffelprogramm – oder Tröstversuche – Semmerl mit Belag vom Schmelzkäseeckerl – sind vergeblich. Obwohl ich sowohl an den Streunereien teilnehmen als auch am Schmelzkäse teilhaben darf, zeigen sich auch bei mir schon erste Anzeichen von Zerrüttungen.

Worin liegt der Grund für diesen Ausnahmezustand? Alles fing an mit einer kleinen Notiz in der Zeitung. Darin wurde für eine Opernaufführung ein vierbeiniger Statist gesucht. Die Proben zu „Der Liebestrank“, im Original „L‘elisir d‘amore“, von Gaetano Donizetti hatten bereits begonnen. Es musste also zack-zack ein Vierbeiner gefunden werden. Und Zwetschke hat sich, zack-zack, mit Foto beworben. Fragen Sie mich nicht, woher ihr Interesse für Opern kommt. Fragen Sie bitte auch nicht unsere Hauskaspars. Die mögen Opern. Wenn die im trauten Heim beispielsweise der auf Vinyl! gepressten „Mainacht“ von Rimsky-Korsakow oder Mozarts „Don Giovanni“ lauschen, fehlt von Zwetschke allerdings jede Spur.

Zwetschke hat sich wahrscheinlich von folgendem Satz in dieser Notiz hinreißen lassen:
„Der Vierbeiner sollte möglichst wie ein Polizeihund aussehen, vorzugsweise wie ein Schäfer, unerschrocken …“
Die Antwort auf ihr Schreiben erfolgte prompt: Leider entspreche ihr Aussehen nicht dem gewünschten Erscheinungsbild. Einspruch!

Zwetschke ist außerdem ein sehr tapferer Hund. Wie sie da unerschrocken in Mistkübeln und Komposthaufen wühlt …

Ich fürchte nur, sie hat den letzten Teil des Satzes überlesen: „… und folgsam sein.“

Ein herzliches Wuff,
Ihre Brilli Paralia

PS: Vielen Dank für die Anfragen hinsichtlich Herrn Haidvogels Wohlergehen. Spezialfutter, Spezialmedizin und Speziallampe tragen zu seiner Genesung bei.

Brillis Elektro Post

Wiener Stadtgespräch: Navid Kermani

Sonntag, 4. November 2012

„Aufbruch ins Ungewisse – Ein Großvater in Isfahan und der Neue Nahe Osten.“
Der Schriftsteller und Heinrich-von-Kleist-Preisträger 2012 Navid Kermani im Gespräch mit Peter Huemer.

Datum: Donnerstag, 8. November 2012
Uhrzeit: 19 Uhr
Ort: AK-Bildungszentrum, Theresianumgasse 16-18, 1040 Wien

Der Eintritt ist frei.

Um Anmeldung wird gebeten – Anmeldeformular online.

Homepage von Navid Kermani

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