Archiv für September 2017

Buchengasse 100 – Lesung

Mittwoch, 13. September 2017

Eine Veranstaltung im Rahmen von „Literatur am Montag“ des „Wiener Bücherschmaus“

Oswalda Tonka wurde in den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts in eine Wiener Arbeiterfamilie hineingeboren. Aufgewachsen in der Buchengasse 100 im 10. Gemeindebezirk war ihr Leben von früher Kindheit an von Ausbeutung und Elend begleitet. Früh erkannte sie die Notwendigkeit, sich gegen Ungerechtigkeit und Unterdrückung zu engagieren.

Gitta Tonka, ihre Tochter und pensionierte Volksschuldirektorin aus Favoriten wird an diesem Abend aus der im Promedia Verlag veröffentlichten „Buchengasse 100″ lesen. Sie „… hat aus den autobiographischen Manuskripten ihrer Mutter ein Buch gemacht. Entstanden ist ein lebendiges Zeitdokument, erzählt aus der Perspektive einer temperamentvollen jungen Frau, die den Widrigkeiten der Zeit die Stirn bot.“

Wann: Montag, 18. September 2017
Uhrzeit: 19:00 Uhr
Wo: Buchhandlung des Vereins für Leseförderung „Wiener Bücherschmaus“, Garberg. 13/Ecke Mittelg./Oskar-Werner-Platz, 1060 Wien

Der Eintritt ist frei – Spenden für die Bücherschmaus-Leseförderprojekte erbeten.

Wegen des begrenzten Platzangebotes wird um Reservierung gebeten:
Tel.: 0677/612 659 11
E-Mail: Wiener Bücherschmaus

© Buchcover – Promedia Verlag

3. Nie-mehr-Schule-Aktionstag

Dienstag, 12. September 2017

Am 15.9.17, dem Internationalen Tag der Bildungsfreiheit

BILDUNG OHNE SCHULE – GEHT DAS?

Die derzeitigen Bildungsverantwortlichen in Österreich – und nicht nur da – sehen keine, und wenn, dann nur eingeschränkte Möglichkeiten, diese ohne Schulbesuch zu erlangen. Was für Ausbildung womöglich noch zutrifft, ist für Bildung so jedenfalls nicht gültig. Der freischaffende Philosoph Bertrand Stern bringt es mit den Worten „Die Verknüpfung von Bildung und Schule stellt eine unzulässige Kausalität dar“ auf den Punkt. André Stern wiederum ist der beste Beweis dafür, dass aus einem nichts werden muss – wie uns das Schulsystem vorgaukelt –, sondern dass jeder Mensch immer schon ist. Die Vielfalt seiner Berufe ist beredtes Zeugnis dafür.

Am 15.9.2017 kommen zwischen 10 und 19 Uhr auf der Facebook-Seite von „Nie-mehr-Schule – Bewegung für ein Recht auf Bildung“ verschiedene Menschen zu Wort, die sich Gedanken oder sogar selbst auf den Weg des „Frei-Sich-Bildens“ gemacht haben. So sind da neben den oben genannten auch Erwin Wagenhofer, der Schöpfer des Filmes Alphabeth“, die Freilerner-Eltern Sigrid und Richard Lamprecht, die Psychologin Franziska Klinkigt und der Initiator der Bewegung Michael Karjalainen-Dräger zu sehen bzw. zu hören. Ebenso werden Fragen rund um ein Lernen ohne Schule beantwortet.
Weitere Informationen zum Aktionstag, zur Initiative bzw. zur gleichnamigen monatlichen Sendereihe im freien Wiener Radio Orange gibt es auf der Homepage zu finden.

© Foto: Reetta Karjalainen, 2015

Wo bleibt das Meer?

Montag, 11. September 2017

Sandburgen ergeben sich dem Wind

Sie sind auf keinen Bestseller-Listen zu finden, bei preisgekrönten Büchern sucht man sie zumeist vergeblich, Feuilletons meiden sie und der Weg hinein zwischen zwei eigene Buchdeckel bliebt ihnen oftmals verwehrt: Einzelveröffentlichungen von Kinder- und Jugendgedichten. Zugegeben, es gibt Ausnahmen in der Kinderlyrik wie zum Beispiel „Das kleine Ich bin ich“ von Mira Lobe oder „Der Leuchtturm auf den Hummerklippen“ von James Krüss oder „Und außerdem sind Borsten schön“ von Nadja Budde.
Oder „Wo bleibt das Meer?“ von Ted van Lieshout. Der niederländische Autor, Grafiker, Illustrator zeichnet sich durch eine Vielfalt literarischer/bildnerischer Werke aus: Romane, Gedichte, Hörspiele … Eine Zusammenstellung seiner Gedichte der letzten dreißig Jahre erscheint zum ersten Mal in deutscher Übersetzung (Rolf Erdorf) im Susanna Rieder Verlag. Und zwar als Einzelveröffentlichung!

Wie ist es, wenn man sich auf der Schwelle zum Erwachsenensein befindet? Ted van Lieshout bringt die zwiespältigen Stimmungen auf eben dieser Schwelle in seinen Gedichten nuancenreich aufs Papier. Er zeigt, dass es auch ohne anbiedernde Holzhammermethoden wie liebliche Verkleinerungen, coole Ausdrücke oder Fäkalsprache gelingen kann, Kindern/Jugendlichen anspruchsvolle Lyrik „schmackhaft“ zu machen und zugleich Erwachsene anregt, sich vergangene Kindheitstage zu vergegenwärtigen. Seine Poesie folgt keinem lyrischen Sprachregelwerk, bei dem es ein bestimmtes Versmaß oder strenge Reimformen zu befolgen gilt.
Wie ist es also, wenn einen die Eltern nerven, gleichzeitig sich aber die Sorge breit macht? „Ach, was soll ich nur tun, wenn ich der Erste bin, / der für dich sorgen muss, Mutter, wenn du tot / bist und keiner in der Welt es noch weiß?“ („Mutter“, S. 31)
Wie ist es, wenn man sich seiner selbst noch nicht ganz sicher ist? „Ich schwebe über allem dahin / im Geheimen – denn wie Welt weiß / noch nicht so recht, dass es mich gibt. Ich muss mich manchmal auch noch / an mich gewöhnen, / doch mein Vorsprung ist schon groß. Wer auf dem Fahrrad / an mir vorbei will, muss mit einer Biege / um mich herum. Und eine Biege / ist auch eine Verbeugung.“ („Verbeugung“, S.15)
Wie lässt sie sich aushalten, die Spannung zwischen dem Wunsch nach Unabhängigkeit von und dem Wunsch nach Geborgenheit in der Familie? „So wie Eis aus Wasser ist, aber Wasser nicht aus Eis, / so spüre ich festen Grund unter den Füßen. / Jetzt muss ich hinüber, ehe es taut.“(„Gefrorene Sprechblasen“, S. 51)
Und dieses leidige Warten! „Wo bleibt / das Meer? / Ach, wo bleibt / doch das Meer? … Die Dünen / wollen ins Wasser / gehen und der Abend senkt sich.“

In Brigitte Püls‘ Holzschnitten hinterlässt das Meer und viele seiner Attribute Spuren im Buch. In einfachen Linien kommt eine Angelschnur daher, ein Papageifisch, ein Swimmingpool, im Wasser zeigt sich die Flosse eines Hais; die weiße Silhouette eines Bootes gleitet über Gedichte, die es geschafft haben, ihren Platz zwischen zwei Buchdeckeln zu finden.

Petra Öllinger

Ted van Lieshout (Text), Brigitte Püls (Illustrationen und Buchgestaltung): Wo bleibt das Meer? Gedichte
Aus dem Niederländischen Rolf Erdorf
Susanna Rieder Verlag, München 2017
Gebunden, 64 Seiten, € 15,- (Ö)
Über Ted van Lieshout
Über Brigitte Püls Serge Bloch
Über Rolf Erdorf
Interview mit Rolf Erdorf zum Thema Übersetzen

© Cover: Susanna Rieder Verlag / Brigitte Püls