Archiv für die Kategorie 'Politik & Zeitgeschichte'

75 Jahre Novemberpogrome

Mittwoch, 30. Oktober 2013

Brennende Synagoge, Wien 2, Große Schiffgasse 8. Quelle DÖW Der Nationalratpräsidentin Mag.a Barbara Prammer ist es zu danken, dass die zahlreichen Veranstaltungen, mit denen heuer in Österreich vom Neusiedlersee bis zum Bregenzer Wald an die Novemberpogrome vor 75 Jahren erinnert wird, in der Broschüre „Gedenken 75 Jahre Novemberpogrom“ zusammengefasst vorliegen.

Das Gedenken an die Novemberpogrome begann heuer mit der Ausstellung „Verdrängte Jahre – Bahn und Nationalsozialismus in Österreich 1938 – 1945″. Die terminlich letzte Veranstaltung, die ins Programm aufgenommen wurde, findet im Wappensaal des Wiener Rathauses am 4. Dezember statt und trägt den Titel „Wie wunderschön die Freiheit ist!“ 75 Jahre Buchenwaldlied. Das Lied wurde Ende 1938 von Hermann Leopoldi, der die Melodie komponierte, und Fritz Löhner-Beda, der den Text beisteuerte, im Konzentrationslager geschaffen.

Bis Anfang Dezember 2013 findet österreichweit eine Fülle an Veranstaltungen statt: Lesungen, Filmabende, ZeitzeugInnen, die sich erinnern, …

Zwei Termine im „Duftenden Doppelpunkt“

Auch der „Duftende Doppelpunkt“ ist mit zwei Terminen in der Broschüre vertreten.
Im Rahmen unseres ganzjährigen, dreiundzwanzigteiligen und alle 14 Tage erscheinenden Literaturquizes widmen wir zwei der literarischen Rätsel dem Thema „Die Novemberpogrome im Spiegel der Literatur“.

Speziell am 6. und 20. November 2013, die Teilnahme ist bis einschließlich 3. Dezember möglich, steht das Quiz ganz im Zeichen des Gedenkens an die Pogrome des Jahres 1938. Vorgestellt werden zwei österreichische ExilautorInnen, in deren Werk die Tage um den 10. November Erwähnung finden.

Dass sich die Pogrome des Jahres 1938 in der deutschsprachigen Exilliteratur kaum widerspiegeln, liegt wohl nicht zuletzt daran, dass viele SchriftstellerInnen zu diesem Zeitpunkt bereits tot, im Konzentrationslager oder auf der Flucht waren.

Die literarischen Rätsel sind zugleich ausführliche Biografien der gesuchten AutorInnen. Bisher wurden vorgestellt: Grete Weisskopf, Armin T. Wegner, Gina Kaus, Upton Sinclair, Maria Leitner, Alexander Moritz Frey, Stefan Zweig, Alexandra Kollontai, Irmgard Keun, Walter Mehring, Martina Wied, Lisa Tetzner und Kurt Kläber/Kurt Held, Lili Grün, Max Herrmann-Neisse, Anna Gmeyner, Else Feldmann, Rahel Sanzara und Ernst Weiß, Erich Mühsam, Oskar Maria Graf.

Sie sind eingeladen, an dem österreichweitem Gedenkprogramm anlässlich 75 Jahre Novemberpogrome teilzunehmen und ihr Wissen über die Exilliteratur mithilfe unseres Quizes alle zwei Wochen neu zu schärfen: Ein Angebot, sich „alter“ Bekannter zu erinnern oder bisher unbekannte AutorInnen kennenzulernen.

Unter den TeilnehmerInnen werden in jeder Runde Bücher und DVDs verlost, die von über fünfzig Verlagen zur Verfügung gestellt werden.

Alle literarischen Rätsel auf einem Blick. Bis zum 05. November können Sie am 20. Teil des Literaturquizes teilnehmen.

Die Fotos wurden vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes zur Verfügung gestellt.
Im Slider: Antisemitische Ausschreitung („Reibpartie“) in Wien 3, Hagenmüllerg. 15, März 1938.
Im Beitrag: Brennende Synagoge in Wien 2, Große Schiffg. 8.

Holocaust im Comic

Samstag, 15. Juni 2013

Holocaust im Comic Sach- und Geschichtscomics sind zunehmend Gegenstand der Feuilletons und akademischer Veranstaltungen, besonders wenn sie Ereignisse des Dritten Reichs und des Zweiten Weltkriegs sowie des Holocausts thematisieren. Dabei stellt sich fast zwangsläufig die Frage, ob durch das gewählte Medium nicht eine Verharmlosung des Themas stattfindet.

Der deutsche Kommunikationswissenschafter und Comicforscher Mag. Ralf Palandt hat eine Ausstellung zusammengestellt, die sich anhand von Beispielen differenziert mit Holocaust-Abbildungen in Comics auseinandersetzt und zum Nachdenken sowie zur reflektierenden Lektüre anregt.

Am 17. Juni 2013 wird die Wanderausstellung im Museum der Karl-Franzens-Universität Graz eröffnet und bis 5. Oktober dieses Jahres zu sehen sein.
Teil der Schau ist unter anderem die Graphik-Novelle „Der Himmel zwischen den Mauern“ der preisgekrönten steirischen Comiczeichnerin und Illustratorin Hannelore Greinecker-Morocutti.

Eröffnung der Sonderausstellung „Holocaust im Comic“

Zeit: Montag, 17. Juni 2013, 19 Uhr
Ort: Karl-Franzens-Universität Graz, Universitätsplatz 3, 1. Stock, Hörsaal 01.15

Ausstellungsdauer: 18. Juni bis 5. Oktober 2013
Ort:
UniGraz@Museum, Karl-Franzens-Universität Graz, Universitätsplatz 3, Kellergeschoß
Öffnungszeiten: Montag 10–15 Uhr, Mittwoch und Freitag 10–13 Uhr und nach Voranmeldung.

Nähere Infos über die Ausstellung Holocaust im Comic

Siehe auch den Beitrag „Warschauer Ghetto im Comic“.

Der dokumentarische Comic Wer sich noch weiter in die Materie vertiefen will, soeben ist der Band: Der dokumentarische Comic Reportage und Biografie, Herausgeber: Prof. Dietrich Grünewald; Ch. A. Bachmann Verlag, ISBN 978-3-941030-27-5 , ca. 400 Seiten mit teils farbigen Abbildungen erschienen.

Der Band versammelt Beiträge zur Tagung der Deutschen Gesellschaft für Comicforschung (ComFor) in Passau aus dem Jahr 2011.

„Entartete Kunst“ – Vortrag Werner Lang

Montag, 13. Mai 2013

256px-Corinth_Ecce_homo Im Rahmen der Vortragsreihe Vom Kitsch bis zur Elitekunst. Populäre Vorträge mit Beispielen und Diskussionen zu den Künsten wird Werner Lang vom Redaktionsteam „Duftender Doppelpunkt“ zum Thema 80 Jahre „Entartete Kunst“ referieren.

Wann: Mittwoch, 19. Juni 2013 um 19.00 Uhr.
Wo: Intensivstation, Josefstädter Straße 53, 1080 Wien.

Der Eintritt ist frei.

Alle Interessierten, die am 19. Juni nicht dabei sein können, haben hier die Möglichkeit, einen Auszug aus dem Vortrag (nach-)zulesen.

Der Ausstellung „Entartete Kunst“ im München des Jahres 1937 gingen bereits einige Ausstellungen voraus, in denen die Moderne Kunst als „entartet“ präsentiert wurde.

Im Anschluss wurde eine Wanderausstellung konzipiert, die ebenfalls den Titel „Entartete Kunst“ trug. Sie machte zwischen 1938 und 1941 in verschiedenen Städten im Deutschen Reich Station.

1937 fand, ebenfalls in München, die erste „Große Deutsche Kunstausstellung“ im „Haus der Deutschen Kunst“ statt. In ihr wurden Künstler, die das Kunstverständnis des Nationalsozialismus repräsentierten, vorgestellt.

Bereits im Buch „Kunst und Rasse,“ von Paul Schultze-Naumburg aus dem Jahre 1928 werden auf einer Doppelseite expressionistische Malerei und Fotografien von behinderten Menschen gegenübergestellt.

Die Präsentation der Behinderung macht die Schaulust Ausstellungsführer „Entartete Kunst“ , in der sich Interesse und Diskriminierung mischen, zu einer ästhetischen Affäre. Weiterlesen »

1zu1 – Entwicklungszusammenarbeit auf persönlicher Basis

Dienstag, 19. März 2013

Das Projekt „1zu1 – Entwicklungszusammenarbeit auf persönlicher Basis“ vom Verein SOL (Menschen für Solidarität, Ökologie und Lebensstil) unterstützt und vernetzt verschiedenartige Initiativen (Projekt-, Spenden- und Theoriegruppen) sowie Privatpersonen, die sich in sogenannten Entwicklungsländern engagieren …

… zum Informations- und Erfahrungsaustausch,
… zur gegenseitigen Unterstützung,
… zur gemeinsamen Öffentlichkeitsarbeit – mehr Bekanntheit für alle,
… für organisatorische Hilfestellungen,
… zur Stärkung der kleineren EZA-Initiativen.

Vernetzungstreffen in Salzburg

Das 5. 1zu1-Vernetzungstreffen findet dieses Mal am 6. April in Salzburg in der Robert-Jungk-Bibliothek statt. Wieder treffen sich Initiativen der Entwicklungszusammenarbeit aus ganz Österreich, um voneinander zu lernen und neue Inputs und Unterstützung von der 1zu1 Plattform zu erhalten. Auch engagierte Einzelpersonen sind bei 1zu1 herzlich willkommen.

Wann: Samstag, 6. April 2013, 9.00 – 18.00 Uhr
Wo: Salzburg, Robert-Jungk-Bibliothek, Robert-Jungk-Platz 1, 5020 Salzburg
Alle Interessierten sind herzlich eingeladen.

Spannende Infos verspricht beispielsweise der Vortrag von Aljoscha Bökle & Isabelle Garde vom Institut für Internationale Entwicklung der Uni Wien über das Thema Rassismus in der EZA. Außerdem wird es mittels eines „Marktplatzes“ noch mehr Raum für Vernetzung und Von-einander-Lernen geben.

Die Teilnahme ist kostenlos und Fahrtkosten aus allen Bundesländern und auch vor Ort („Öffi-Preise“) werden ersetzt.
Das Projekt 1zu1 wird durch die ADA (Austrian Development Agency) gefördert.

Internationaler Frauentag 2013

Donnerstag, 7. März 2013

Alljährlich wird am 8. März der Internationale Frauentag bzw. Weltfrauentag gefeiert.

Er geht auf eine Initiative von Clara Zetkin aus dem Jahre 1910 zurück. Erstmals begangen wurde er im folgenden Jahr am 19. März. Mehr als eine Million Frauen beteiligten sich an diesem 1. Internationalen Frauentag. In Wien demonstrierten damals mehr als 20.000 Menschen für die Einführung des Frauenwahlrechts.

Weitere Ziele waren beispielsweise: der 8-Stunden-Tag, gleicher Lohn für gleiche Arbeit, Festsetzung von Mindestlöhnen, Mutter- und Kinderschutz und das Engagement gegen den sich abzeichnenden Krieg.

„Brot und Rosen“: Die Bezeichnung knüpft an den Titel eines Liedes aus dem Jahre 1912 an. Es entstand bei einem Streik von 14.000 Textilarbeiterinnen für bessere Löhne und gegen Kinderarbeit in Lawrence, USA. Der Slogan „Brot und Rosen“ wurde zum Leitspruch nicht nur der amerikanischen Frauenbewegung. In ihm werden beide Komponenten eines schönen, menschenwürdigen Lebens vereint: Brot als Grundlage, um nicht in Armut leben zu müssen und Rosen als Ausdruck für das Schöne.

Seither wurde viel erreicht. Allerdings fiel den Frauen davon nichts in den Schoss. Jeder Schritt in Richtung Gleichberechtigung wurde durch das Engagement vieler Frauen, aber auch einer Reihe von Männern durchgesetzt.

Zurzeit ist es in Österreich recht ruhig um den Internationalen Frauentag geworden.

Die Gründe dafür sind vielfältig. Möglicherweise knüpfen einige der frauenpolitischen Forderungen zuwenig an der Lebenswirklichkeit der meisten Frauen an.

Wir brauchen in Österreich Rahmenbedingungen, in denen Frauen sich umfassend entfalten können. Dazu sind beispielsweise Verbesserungen im Bereich der Kinderbetreuung und der Schule von existenzieller Bedeutung. Noch immer ist das Prinzip „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ nicht in allen Bereichen durchgesetzt, sind immer mehr Menschen von Präkarisierung und Lohndumping betroffen.

Ob die Mehrheit der Frauen, das Vorhandensein einer „Gläsernen Decke“, die sie voraussichtlich nie erreichen werden, sehr beschäftigt?

Die Grünen haben immerhin eine humorvolle Kampagne zum heurigen Internationalen Frauentag unter dem Motto „Mehr Frauen an die Spitze!“ auf die Beine gestellt. Das Plakat können Interessierte online bestellen.

Hans Rauscher schreibt über das Plakat am 6. März 2013 im „Einserkastl“ in „Der Standard“:
„Werner Faymann schaut in dieser Darstellungsform jetzt ein wenig so aus wie die nette Kassiererin von der SPÖ-Bezirksleitung Liesing mit Rollkragenpulli und kratzigem Wollkleid; aus Michael Spindelegger haben sie eine etwas altjüngferliche Leiterin bei der katholischen Jungschar gemacht, aus Stronach eine Omi mit Zinshaus, die den Enkerln immer etwas mitbringt; und aus Strache eine adrette Lehrerin in der Neuen Mittelschule.“

Es ist sympathisch, wenn Politik zur Abwechslung einmal witzig daherkommt.

Aber bitte keine weiblichen Politikerklone, die „ihre Originale“ mit einem Potpourri aus Populismus, Inkompetenz und Dogmatismus noch übertreffen.

Natürlich kann man es in diesem Zusammenhang auch mit Heidi Kabel halten: „Die Emanzipation ist erst dann vollendet, wenn auch einmal eine total unfähige Frau in eine verantwortliche Position aufgerückt ist.“

Ein weitestgehend ausgeglichener Anteil von Männern und Frauen in der Politik sollte selbstverständlich sein. Ob die anderen Parteien mit der Kampagne „Mehr Frauen an die Spitze!“ zu einem höheren Frauenanteil bei der Erstellung der KandidatInnenlisten für die nächsten Wahlen bewegt werden können?

Mehr Frauen in die Politik ist ohne Zweifel eine wichtige Forderung. Ob sie eine der zentralen Sorgen der Frauen im heutigen Österreich darstellt, darf bezweifelt werden.

Literaturliste: Frauentag – Frauengeschichte – Feminismus heute.

Vier MigrantInnenschicksale

Dienstag, 29. Januar 2013

Verschollen?

Die Lebensgeschichte von Maria Leitner steht für das Leben vieler Schriftstellerinnen in der Zeit des Nationalsozialismus.

Sie wird 1889 in einer deutschsprachigen Familie in Ungarn geboren. Ab 1913 arbeitet sie als Journalistin in Budapest. Nach dem 1. Weltkrieg bzw. dem Ende der Ungarischen Räterepublik emigriert sie über Wien nach Berlin.

Ab 1925 durchquert sie drei Jahre lang den amerikanischen Kontinent. Bei ihrer literarischen Arbeit verlässt sie sich nicht auf den Blick von außen. Sie sammelt vielmehr in den unterschiedlichsten beruflichen Tätigkeiten, beispielsweise als Dienstmädchen und Zigarettendreherin, ihre Erfahrungen vor Ort.

Maria Leitner, Reportagen aus Amerika. Eine Frauenreise durch die Welt der Arbeit in den 1920er Jahren. Promedia Verlag, Wien. 256 Seiten. 24.- Euro.

Auf der „Schwarzen Liste“ der NationalsozialistInnen befindlich, muss sie 1933 untertauchen und kommt als Emigrantin über Prag nach Paris. Erst ab 1936 erhält sie wieder Aufträge, unter anderem bereist sie inkognito Deutschland und berichtet, wie sich das Land zum Krieg rüstet.

1940, nach dem Einmarsch deutscher Truppen in Paris, wird sie von den französischen Behörden im Lager Camp de Gurs interniert. Ihr gelingt die Flucht nach Marseille, wo sie in extrem ärmlichen Verhältnissen im Untergrund lebt. Ihre Versuche, ein Visum für die Vereinigten Staaten zu erlangen, scheitern. Im Frühjahr 1942 wird sie ein letztes Mal, verzweifelt und krank, im Büro des American Rescue Committee in Marseille gesehen. Danach verliert sich ihre Spur.

Erst 2009/2010 kann Julia Killet im Rahmen ihrer Dissertation das Ende der „verschollenen“ Schriftstellerin klären. Sie stößt auf behördliche Dokumente, die ihren Tod infolge völliger Erschöpfung für den 14. März 1942 attestieren.

Vom Verfemten zum Vorzeigeobjekt

Ernst Glaeser (1902 – 1963) wählt einen anderen Weg. Anfang der 30er Jahre ist er ein international bekannter Autor. Der Roman „Jahrgang 1902“ mit seiner pazifistischen Tendenz trägt dazu bei, dass er sich gemeinsam mit Heinrich Mann und Erich Kästner im zweiten Feuerspruch wiederfindet. In ihm wird er der Dekadenz und des moralischen Verfalls geziehen und seine Bücher landen im Feuer.

Glaeser geht 1933, über eine Zwischenstation in Prag, ins Schweizer Exil. Vorerst schreibt er noch in Zürich den Roman „Der letzte Zivilist“, in dem er sich differenziert mit der schrittweisen Okkupation der „Köpfe“ durch die NS-Ideologie in Deutschland auseinandersetzt. 1939 lässt er sich ins faschistische Deutschland repatriieren.

Dort wird der früher verfemte Autor zu einem Vorzeigeobjekt der NationalsozialistInnen. Er darf, meist schreibt er unter dem Pseudonym Ernst Töpfer, wieder veröffentlichen – im 2. Weltkrieg arbeitet er journalistisch für die Wehrmacht.

Endstation Martinique

Kurt Kersten (1891 – 1962) und Robert Breuer = Lucien Friedlaender (1878 – 1943), zwei deutsche Journalisten und Publizisten, haben vorerst Glück. Sie gelangen wenige Stunden vor der offiziellen Kapitulation Frankreichs am 22. Juni 1940 im Hafen von Biarritz auf ein Schiff und erreichen gemeinsam mit einigen Hundert Flüchtlingen die marokkanische Hafenstadt Casablanca. Dort warten und hoffen sie auf ein Visum für die USA. Thomas Mann, zu diesem Zeitpunkt schon in den USA im Exil, verbürgt sich für die beiden. Allein, die Zeit vergeht, die Vichy-Regierung festigt ihre Regime in Nordafrika, und das erlösende Telegramm, das das US-Konsulat zum Ausstellen der Visa berechtigt, trifft nicht ein. Als es Kersten und Breuer endlich gelingt, sich einzuschiffen, verschlägt es sie nach Martinique. Von dort hoffen sie, weiter in die USA zu gelangen. Für Robert Breuer bedeutet Martinique das Ende seines Weges. Er stirbt in der Nacht zum 30. April 1943 völlig entkräftet an den Folgen der Malaria. Über seine letzten Stunden berichtet Kurt Kersten rückblickend:

„Da sah ich voller Schrecken einen alten ausgezehrten Mann mit fahlem, eingefallenem Gesicht, die abgemagerten Arme lagen wie dürre Stöcke auf der Decke des Feldbettes. Aus den einst leuchtend hellblauen Augen war jeder Glanz verschwunden, die aus dem bleichen, schon wächsernen Antlitz herausspringende Nase schien allein noch zu leben. […] Der Arzt sagte: ‚Wir haben keine Medikamente und auch nicht einmal die richtige Ernährung für unsern Freund, die Krankheit ist auch schon so weit fortgeschritten, daß man gar nicht mehr viel für ihn tun kann.‘ – ‚Welche Krankheit?‘ – Ein mitleidiger Blick traf mich, als sähe man mir nicht selber die Folgen des Hungers an: ‚Welche Krankheit?! Hunger!‘“

Aus: Frankfurter Hefte: Heft 3, März 1953, zitiert nach Wikipedia.

Kurt Kersten harrt in ständiger Gefahr, nach Frankreich zurückgeschickt und der Gestapo ausgeliefert zu werden, auf Martinique aus. Erst 1946 erreicht er völlig unterernährt die USA und sieht seine Frau seit 1940 das erste Mal wieder.

Den Schneeball zertreten

Wenn wir uns heute jener Menschen erinnern, deren Schaffen 1933 in Flammen aufging, die ins Exil gezwungen wurden und von denen viele die Befreiung vom Faschismus nicht mehr erlebten, erschließt sich uns nicht nur wunderbare und vielschichtige Literatur. Wir tragen damit auch dazu bei, dass die Erinnerung an die Namen und das Werk nahezu einer ganzen AutorInnengeneration für die Zukunft bewahrt wird.

Der Blick in die Geschichte bietet uns die Chance, aus der Vergangenheit, Erkenntnisse für die Zukunft zu gewinnen.

„Man darf nicht warten, bis aus dem Schneeball eine Lawine geworden ist. Man muß den rollenden Schneeball zertreten. Die Lawine hält keiner mehr auf. Sie ruht erst, wenn sie alles unter sich begraben hat.“

Aus: Erich Kästner „Über das Verbrennen von Büchern“, Ansprache auf der Hamburger PEN-Tagung am 10. Mai 1958.

Literatur im Exil

Montag, 28. Januar 2013

Die Bücherverbrennung vom 10. Mai 1933 ist ein Fanal, das viele SchriftstellerInnen und Intellektuelle ins Exil treibt. Insgesamt verlassen das faschistische Deutschland zirka 2.500 AutorInnen und PublizistInnen.

In Petra Öllingers virtueller Bibliothek finden Sie eine Zusammenstellung mit Informationen über mehr als 200 ExilautorInnen, Sekundärliteratur und weiterführende Links.

Der politisch denkende, meist links orientierte Teil der ExilschriftstellerInnen erkennt rasch das Ausmaß der nationalsozialistischen Machtergreifung und schreibt konsequent gegen den Faschismus an.

Das Braunbuch

So erscheint bereits im Juli 1933 in Paris das „Braunbuch über Reichstagsbrand und Hitlerterror“. Unter den Mitarbeitern befinden sich Alexander Abusch (1902 – 1982), Willi Münzenberg (1989 – 1940), Otto Katz (1895 – 1952), Alfred Kantorowicz (1899 – 1979) und Bruno Frei (1897 – 1988). Der Schutzumschlag wird von John Heartfield (1891 – 1968) gestaltet.
Der erste Teil des Buches beschäftigt sich mit dem Brand des Reichstages und der Rolle der NSDAP im Zusammenhang mit dem bevorstehenden Reichstagsbrandprozess in Berlin, während der zweite Teil sich unter anderem mit der Zerschlagung der ArbeiterInnenorganisationen, den Konzentrationslagern und der Verfolgung der jüdischen Bevölkerung auseinandersetzt. Es wird in 17 Sprachen übersetzt. Für Deutschland bestimmte Exemplare werden als „Reclamhefte“ ins Land geschmuggelt: unter dem Titel „Hermann und Dorothea“ von Johann Wolfgang von Goethe.

„Die Prüfung“ – Roman über ein deutsches KZ

Oder Willi Bredel (1901 – 1964), er schuf 1933/1934 mit „Die Prüfung“ den ersten, auch international beachteten Roman über ein deutsches Konzentrationslager.
Über die Entstehung von „Die Prüfung“ schreibt Bredel: „In dreizehn Monaten Konzentrationslagerhaft, in Einzelhaft und in Dunkelhaft, in den Nächten, in denen ich ausgepeitscht wurde, in den übrigen Nächten, in denen ich das Schreien, Stöhnen und Wimmern meiner mißhandelten Genossen miterleben mußte, schrieb ich in Gedanken an einem Buch über diese Todesstätte. Weder Papier noch Bleistift hatte ich und wochenlang nicht einmal Licht, aber ich schrieb und schrieb, schrieb vom Wecken bis tief in die Nacht. Einige Kapitel schrieb ich in verschiedenen Varianten und wählte dann die aus, die mir am gelungensten erschienen. Fertige Kapitel und Passagen wiederholte ich mir in Gedanken so oft, bis ich sie beinahe auswendig kannte. Dreizehn Monate schrieb ich so ununterbrochen. Diesen Roman nahm ich, als ich durch das alte Zuchthaustor schritt, als Konterbande im Kopf mit in die Freiheit.“

Aus: „Wie ich Schriftsteller wurde“ – Vorwort. Gesammelte Werke in Einzelausgaben, Band I, Aufbau Verlag DDR, 3. Auflage 1982, S. 10.

Die Deutsche Freiheitsbibliothek

Alfred Kantorowicz wiederum gründet ein Jahr nach der Bücherverbrennung in Paris unter dem Namen Deutsche Freiheitsbibliothek eine „Bibliothek der verbrannten Bücher“. Am Eröffnungstag zählt die Freiheitsbibliothek über 11.000 Bücher. Nach dem Einmarsch der Deutschen Wehrmacht wird die Bibliothek zerstört.

Nicht immer willkommen

Die strengen Einwanderungsbestimmungen der Zielländer stellen für die meisten EmigrantInnen hohe und manchmal nicht zu überwindende Barrieren dar. Willkommen sind die wenigsten, und eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung bzw. eine Arbeitserlaubnis ist die Ausnahme. Meist haben nur Prominente bzw. über persönliche Beziehungen verfügende AutorInnen die Chance, ein Einbürgerungsverfahren erfolgreich zu absolvieren.

Bundesarchiv Bild 183-1987-0928-500, USA, Jüdische Familie im Exil

Bert Brecht, der in der Zeit seines Exils unter anderem in Frankreich, Dänemark, Schweden, Finnland und den USA lebt, schreibt in „An die Nachgeborenen“:

„Gingen wir doch öfter als die Schuhe die Länder wechselnd
Durch die Kriege der Klassen, verzweifelt
Wenn da nur Unrecht war und keine Empörung.“

Letzte Hoffnung

Shanghai ist der einzige Hafen der Welt, in dem auf der Flucht vor dem nationalsozialistischen Terror eine Einreise ohne Visum möglich ist.
Bis Mitte 1940 muss man von Trient oder Genua aus „nur“ eine wochenlange Schiffspassage auf sich nehmen. Ab dem Kriegseintritt Italiens am 10. Juni 1940 ist nur noch der Weg über die UDSSR mit der Transsibirischen Eisenbahn offen. Nach dem Angriff Deutschlands auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941 ist auch dieser Fluchtweg geschlossen. Weiterlesen »

Bücherverbrennung

Sonntag, 27. Januar 2013

Die „Aktion wider den undeutschen Geist“, deren Höhepunkt die Bücherverbrennung darstellt, wird von der „Deutschen Studentenschaft“ (DSt) unter Führung des Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbundes (NSDStB) organisiert. Dabei wird sie von vielen Professoren unterstützt. So wird Professor Dr. phil. et jur. Eugen Lüthgen in Bonn im Angesicht des Feuers Folgendes äußern:

„Wie die Flammen emporlodern, um Gift, um Schmutz und Schund zu zerfressen, so sollen diese Flammen der Läuterung uns Sinnbild sein, alles Undeutsche bis in die Wurzeln hinein zu vernichten …“

Aus: Dieter Sauberzweig: Die Hochschulen im dritten Reich. Die Zeit, vom 10. 03 .1961 Nr. 11.

„Undeutsch“, das sind beispielsweise die Schriftsteller Kurt Tucholsky (1890 – 1935), Bert Brecht (1898 – 1956), Stefan Zweig (1881 – 1942), Joachim Ringelnatz (1883 – 1934), Joseph Roth (1894 – 1939) oder Magnus Hirschfeld (1868 – 1935), der Gründer des weltweit ersten Instituts für Sexualwissenschaft.

Den studentischen Aktionen teilweise vorauseilend, werden eine Reihe von Bücherverbrennungen bereits nach der Reichstagswahl Anfang März 1933 von SA und SS bzw. Hitler-Jugend (HJ) und dem Bund Deutscher Mädel (BDM) organisiert.

Nachahmungen der „Aktion wider den undeutschen Geist“ finden im Deutschen Reich bis in den Oktober des Jahres 1933 statt.

12 Thesen, Schandpfähle und Scheiterhaufen

Die Veröffentlichung des Plakats „12 Thesen wider den undeutschen Geist“ vom 12. April steht am Beginn der folgenden Entwicklung.

Am 19. April werden die StudentInnen von der „Deutschen Studenschaft“ aufgerufen, Hochschullehrer zu nennen, die nach dem „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ vom 7. April 1933 aus ihren Ämtern ausscheiden müssen. Das Gesetz ermöglicht, jüdische und politisch missliebige BeamtInnen, aus dem Dienst zu entfernen. Alleine die deutschen Hochschulen verlieren durch dieses Gesetz Tausende Personen aus ihrem Lehrkörper.

Ebenfalls im Vorfeld der Bücherverbrennung kommt es an einigen Universitäten zur Aufstellung von „Schandpfählen“. An ihnen werden die Namen angefeindeter Professoren und einzelne literarische Schriften angeschlagen.

Den Höhepunkt der „Aktion wider den undeutschen Geist“ bildet die Bücherverbrennung am 10. Mai 1933 auf dem Berliner Opernplatz und in 21 weiteren deutschen Universitätsstädten. Einige Bücherverbrennungen müssen aufgrund starken Regens in den Tagen und Wochen nach dem 10. Mai nachgeholt werden.

Bundesarchiv Bild 183-B0527-0001-776, Berlin, Bücherverbrennung

Dort steht ja Kästner!

Erich Kästner ist Zeuge, wie seine Bücher in Berlin in Flammen aufgehen und hört seinen Namen im zweiten Feuerspruch: „Gegen Dekadenz und moralischen Verfall! Für Zucht und Sitte in Familie und Staat! Ich übergebe der Flamme die Schriften von Heinrich Mann, Ernst Glaeser und Erich Kästner.“ Weiterlesen »