Archiv für die Kategorie 'Rezensionen'

Ohne Flugphase

Freitag, 23. Juli 2010

Das von Manfred Bürstmayr und Gerald Franz herausgegebene Buch „Zu Fuß. Geschichten über das Gehen“, beschäftigt sich mit einer „Fortbewegungsart, bei der es im Gegensatz zum Laufen keine Flugphase gibt. Der Körper hat also in jeder Phase des Bewegungszyklus Kontakt zum Boden über Beine und Füße“.

Kaum läßt die „trockene“ Wikipedia-Definition ahnen, welch eine Vielfalt dieser (menschliche) Bodenkontakt über Bein und Fuß in sich birgt!

Ein paar Kostproben der Vielfalt.

Kommt der Zug ausnahmsweise pünktlich, der zum Zug eilende Pendler jedoch nicht, sind die Folgen ein „Daunenmeer“, auf dem eben dieser Mann „jeden Schritt neu probiert“. (Robert Kraner, „Loos geht“)

September 1945, fünf Kilometer zur Schule gehen, fünf Kilometer und „viele unvorhergesehene Zwischenstopps, denn es gab immer etwas Neues zu entdecken“. (Anneliese Wolf, „Ge[h]schichten aus meiner Kindheit“)

Ohne Ziel gehen, durch Wald und Stadt streifen, Wanderpoesie und Traumpfade, schrittweises Vorgehen als ideale Methode, „um an ein gesetztes Ziel zu gelangen (von gr. ‚meta‘, bei, neben hinter, und ‚hodos‘, Weg)“. (Auriel Schmidt, „Gehen als Selbsterfahrung“)

FußgeherInnen als blinde „Flecken im Hirn der Planer und die Gestaltung der Umwelt, die dem Auto eindeutig den Vorzug gibt“. (Hermann Knoflacher, „Planung für Fussgeher“)

Gehen als alltägliche Notwendigkeit, als sportliche Aktivität, als eine Form des Reisens, als Variable in einer wissenschaftlichen Studie über die Folgen von Arbeitslosigkeit, als ökologisch und sozial verträglichste Möglichkeit von A nach B zu gelangen, als Flucht vor Terror, als Inspiration zu Literarischem, als Leseform einer Stadt.

Eine zum Laufen, Wandern, Schlendern, Flanieren sehr anregende Mischung an Sprache und Inhalt facettenreicher Texte vielen Schwarz-Weiß-Fotos – herausgegeben als Buch, dessen Format und Gewicht erlauben, es auch auf Fußwegen bequem mitzunehmen.

Petra Öllinger

Manfred Bürstmayr & Gerald Franz (Hg.) – Zu Fuß. Geschichten über das Gehen. Promedia Verlag, Wien, 2010. 240 Seiten, € 14,90 (Ö).

Kategorie: Verkehrsmittel, allgemeine und einführende Schriften

Schnaps, Schinken, Sterben

Freitag, 28. Mai 2010

Der Schweizer Schriftsteller E. F. Meyer hat 1971 mit seinem Roman „In Trubschachen“ ein kleines Sprachkunstwerk geschaffen. Seit Februar 2009 ist das Buch im Basler Lenos–Verlag wieder erhältlich.

Zwischen Weihnachten und Neujahr begibt sich die Hauptfigur – und hier stockt man schon, will man vom Inhalt des „Romans aus dem Emmental“ berichten. Meyer ist nämlich ein eigensinniger Stilist: Meyer liebt den Konjunktiv und Meyer bezeichnet seine Hauptfigur durchgängig mit dem unpersönlichen Pronomen „man“. Ganz sicher sind wir uns also nie, ob das Geschilderte nur passieren könnte oder ob es tatsächlich passiert und wenn ja – wem.

Zwischen Weihnachten und Neujahr also reist die Hauptfigur – wir wagen zu sagen, es sei ein Mann – ins Emmental, nach Trubschachen, wo er sich im „Hirschen“ einquartiert. Dort hofft der Protagonist die Zeit zu finden, um mit einer Arbeit über Kant voranzukommen. Der Ort bietet kaum Ablenkung, doch zur Arbeit kommt „man“ nicht. „Man“ isst, man isst die deftige Emmentaler Kost im „Hirschen“, und wohl seit Gotthelf ist das Essen im Emmental nicht mehr so akribisch und ausführlich und liebevoll beschrieben worden. „Man“ geht spazieren, lange, beobachtungsreiche Spaziergänge in die Umgebung von Trubschachen, bei denen Meyer eine weitere Seite seiner Sprachmeisterschaft zeigt: er ist nämlich ein großer Benenner von Dingen (eine Freundin sagte mir einmal, sie möge es, wenn jemand die Dinge der Welt zu benennen wisse – ein Wort wie „Porzellanisolatorenglocken“ würde ihr gefallen). Man geht also spazieren – doch wo immer man sich auch hinwenden mag, am Ende begegnet man immer in irgendeiner Form dem Tod. Sei es der Wanderweg, der am Friedhof des Ortes endet, sei es der leerstehende Gasthof oder der ekelerregende Gestank einer Knochenfabrik. Einen vorläufigen Höhepunkt erreicht das Thema von Gewalt und Tod in der Silvesternacht, ehe, nach einem klassischen Ritardando, dem Gespräch mit dem Lehrer, dem Pfarrer und dem Sektionschef der Gemeinde, der Protagonist selbst in Lebensgefahr gerät.

Am Ende reist „man“ vermutlich wieder ab; die Wende, die man sich von dem Aufenthalt im abgelegenen Trubschachen erhofft haben mag, die man in der Zeit der Jahreswende wohl auch für das eigene Leben gesucht hat, die Wende, die um ein Haar die endgültige, die einzige, die wirkliche, geworden wäre, ist nicht eingetreten. Für die Lesenden aber ist „In Trubschachen“ Wendepunkt, Meilenstein und außergewöhnliches Leseerlebnis.

Peter Metz

Buchcover E.Y. Meyer In Trubschachen

E. Y. Meyer – In Trubschachen. Roman aus dem Emmental
Lenos Pocket 121, Basel, 2009. 218 Seiten, Euro 12,- (D).

Über E.Y.Meyer

Bereich: Belletristik, Roman

Ermutigung zum leisen Operieren

Donnerstag, 20. Mai 2010

„Schreib dich gesund … Da operiert die Seele die Krankheit leise hinweg.“ Johann Gottfried Herder

Würde Silke Heimes ihre zahlreichen Tätigkeiten und Veröffentlichungen einfach mal so am Stück heruntererzählen, klänge es sehr nach auftrumpfender Prahlerei. Der Rezensent darf dies aber, um seine voreingenommene Bewunderung auszusprechen: Silke Heimes ist Ärztin, Poesietherapeutin, Gründerin eines Instituts für kreatives und therapeutisches Schreiben, bildende Künstlerin und Schriftstellerin. Neben medizinischen Fachbüchern, Gedichtbänden, zahlreichen Kurzgeschichten und ihrem Debütroman „Die Geigerin“ hat sie seit 2008 zwei Fachbücher zum Schreiben vorgelegt.

In dem ersten der beiden, „Kreatives und therapeutisches Schreiben (2008)“, gibt sie im theoretischen Teil einen Überblick über Geschichte, Definition und Anwendung der Poesietherapie. Nachdem sie Traum, Wahrnehmung, Sinnlichkeit und Mythos in Beziehung auf die Kreativität des Schreibenden betrachtet hat, geht sie zum eigentlich praktischen Teil über. Dessen Achtsamkeits-, Imaginations- und Schreibübungen (ergänzt durch einige wenige Malübungen) haben sich in meiner Praxis auch mit Jugendlichen bereits glänzend bewährt.
Während sich dieses sehr informative, doch knapp, präzise, fast trocken formulierte Handbuch hauptsächlich an Lehrende wendet, möchte das im März 2010 erschienene zweite Buch („Schreib es dir von der Seele“) den suchenden, zweifelnden Autor selbst erreichen. Mit diesem zweiten Buch will sie einladen, ermutigen und beim Einstieg ins Schreiben helfen.
Schon im Vorwort bekennt sich Silke Heimes dazu, begeistert von der heilenden Kraft des Schreibens zu sein und lädt uns ein, sich mit ihr in dieser Begeisterung zu verbünden. Sie möchte uns ermutigen, uns der Lust an der Sprache, die uns in der frühen Kindheit geschenkt war, wieder hinzugeben. Kritisch betrachtet sie den Schuleintritt, der uns durch die Bewertung unserer Texte zielstrebig zur ersten Schreibhemmung führt.

Auch wenn viele ihrer Tipps eher technischer Art sind, wie die Anregungen, mit Wort-Clustern und Mindmaps zu arbeiten, eigene Texte auf Aufnahmegeräte zu sprechen oder mit der Cut-Up-Technik Texte zu produzieren, findet doch immer wieder der Rückbezug auf das Emotionale, Innerliche statt, etwa wenn sie mit viel Humor Übungen für das „Innere Kind“ vorstellt, wenn sie die sinnliche Freude am Schreiben betont oder erklärt, wie sehr es entlastet, auch nur wenige Minuten am Tag zum Schreiben zu nutzen.

Immer wieder fühle ich mich als schreibender Leser ganz direkt, warm und herzlich angesprochen, am stärksten, wenn sie auf den letzten Seiten schreibt: „Bereichern Sie Ihr Leben mit Ihren eigenen Texten.“ Ihr Buch ist eine einzige Ermutigung: eine Ermutigung, sich Zeit und Raum zum Schreiben zu nehmen, eine Ermutigung, ein Tagebuch zu führen, eine Ermutigung, sich selbstbewusst hinzustellen und zu sagen: „Ich schreibe!“, eine Ermutigung, im Sinne Herders den Schmerz ganz leise wegzuoperieren.

-mez-

Buchcover Silke Heimes Schreib es dir von der Seele

Silke Heimes – Schreib es dir von der Seele. Kreatives Schreiben leicht gemacht.
Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen, 2010. 168 Seiten, Euro 13,30 (Ö).

Buchvover Silke Heimes Kreatives und therapeutisches Schreiben

Buchvover Silke Heimes Kreatives und therapeutisches Schreiben

Silke Heimes – Kreatives und therapeutisches Schreiben. Ein Arbeitsbuch.
Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen, 2., durchgesehene Auflage 2009. 132 Seiten, Euro 17,40 (Ö).

Über Silke Heimes

Bereich: Kreatives Schreiben

Verstehen und Verteilen

Montag, 10. Mai 2010

Der Verein zur Förderung frauengerechter Verteilung ökonomischen Wissens hat einen Namen: Joan Robinson; eine Ökonomin, der Mitte der 1970er Jahre auch von ihren Kritikern aus dem Männerzirkus der Wirtschaftswissenschafter der Nobelpreis zuerkannt worden wäre, den sie „natürlich“ nicht bekommen hat.

„Sie arbeitete an der Lösung realer Probleme und vermied die Flucht in den mathematischen Nachweis der Funktionsfähigkeit von Marktwirtschaften.“ Autorinnen aus diesem Kontext haben gemeinsam mit Kolleginnen vom Institut für Institutionelle und Heterodoxe Ökonomie/Wirtschaftsuniversität Wien und dem WIDE (Netzwerk Women in Development Europe) den Beginn einer Lückenfüllung durch eine wunderbar hilfreiche Handreichung eingeläutet. Autorinnenkollektiv: Ursula Dullnig, Hannah Golda, Luise Gubitzer, Eva Klawatsch-Treitl, Birgit Mbwisi-Henökl, Milena Müller-Schöffmann, Traude Novy, Barbara Schöllenberger.

Eigentlich geht es um vier Ermangelungen, die hier ineinander und für uns vermittelt werden: das gar nicht bis wenig existierende Wissen um Wirtschaftsbelange von (auch kritischen und feministischen) Frauen, obwohl diese vom Wirtschaftssystem schlechterdings am meisten betroffen sind; die Inhalte der Kritik aus weiblicher Sicht an dieser Ökonomie und ihren Apologeten; die dadurch ermöglichte Wehrhaftigkeit in Theorie und politischem Alltag; Mittel, wie dieses Wissen in Bildungszusammenhängen ganz praktisch verbreitert werden kann.

Thematisiert werden unter anderem die androzentrische Theorie der Ökonomen, Begriffs- und Wirklichkeitserklärung von Globalisierung, Staat und Steuern, internationalem Handel, Finanzmärkte, Arbeit. Nicht nur ein erweitertes und geschlechtergerechtes Ökonomieverständnis wird empfohlen, sondern zu jedem Bereich werden Lehr-/ Lernmethoden und Unterlagen angeboten. Inklusive einem Glossar zu den Worten der Wirtschaft, die wir immer schon mal verstehen wollten.

Birge Krondorfer

Buchcover Wirtschaft anders denken

Verein JOAN ROBINSON, WIDE-Netzwerk Women in Development Europe, Institut für Institutionelle und Heterodoxe Ökonomie/WU Wien (Hginnen.)Wirtschaft anders Denken. Handbuch Feministische Wirtschaftsalphabetisierung.

Eigenverlag, Wien, 2009. 173 Seiten, Euro 19.-.

Das Buch kann auch bei Luise Gubitzer bestellt werden.

Bereich: Sachbuch, Wirtschaft, geschlechtergerechte Ökonomie

Mörderisches aus dem Pott

Freitag, 30. April 2010

Kriminalhauptkommissar Pielkötter sucht einen Mörder, der seine Opfer mit einem Dolch ersticht. Kein leichter Fall, nicht nur weil der Kripo-Beamte sich einfach nicht an den Anblick von Blut gewöhnen kann, sondern auch weil ihm die Zeit im Nacken sitzt.

Der Mörder scheint seine Opfer willkürlich auszuwählen. Wer weiß, ob er nicht bald wieder zuschlagen wird? Trotzdem: Nur keine voreiligen Schlüsse, ermahnt Pielkötter seinen jungen Mitarbeiter Barnowski. Akribisch ermitteln sie, finden heraus, dass die getöteten Frauen von ihren Männern getrennt lebten. Ist es Zufall, dass sie denselben Psychologen aufsuchten? Und welche Rolle spielt dieser selbst sehr labile Therapeut? Schließlich ist es doch die Intuition, die Pielkötter auf das mysteriöse Mord-Motiv stoßen lässt. Früh genug, um ein weiteres Blutbad zu verhindern?

Mit dem häufig bärbeißigen Pielkötter hat Irene Scharenberg einen Romanhelden geschaffen, der als Ermittler durch seine Ernsthaftigkeit überzeugt. Privat jedoch lässt er sich von den Problemen mit seinem homosexuellen Sohn aus der Bahn werfen. Dass er schließlich doch über seinen Schatten springen und auch bei der Lösung seines Falls seinen Gefühlen nachgeben kann, macht ihn den Lesenden sehr sympathisch. Ein besonderer Reiz dieses Krimis liegt in dem unverfälschten Blick, mit dem Pielkötter, der eigentlich aus dem Münsterland stammt, den Pott und die Aufregung um die Kulturhauptstadt betrachtet – mit Distanz und Zuneigung. Darüber hinaus hält die Spannung, die schon das erste Kapitel verspricht, bis zum Schluss.

Sabrina Komoßa

Irene Scharenberg – Die Sünderinnen. Ein Duisburg Krimi.

Prolibris Verlag Rolf Wagner, Kassel, 2009. 186 Seiten, Euro 11.- (D).

Bereich: Kriminalroman

Fakten, Fiktion und ein rundes Gefühl

Montag, 29. März 2010

Der historische Roman „Die Maurin“ spielt in Andalusien im 15. Jahrhundert. Die Reconquista strebt ihrem Höhepunkt zu, die Mauren wurden nach vielen hundert Jahren Vorherrschaft immer weiter zurückgedrängt. Sie beherrschen nur noch das Königreich Granada. Hier setzt der Roman ein und bindet die fiktive Geschichte der jungen Hofdame Zahra in den historischen Rahmen ein.

Das Buch glänzt mit einer Reihe von Extras, angeführt von einer Aufstellung der historischen und fiktiven Personen des Romans. Es folgt eine kurze und knackige historische Einführung, die einen direkt in den passenden Zeitrahmen versetzt, ohne dabei belehrend zu sein. Am Ende des Buches findet man eine Zeittafel, Stammbäume, ein Glossar sowie Literaturangaben, wenn man sich genauer informieren möchte.

Hier wird schon ein wesentlicher Aspekt des Buches deutlich: Es ist gründlich und sauber recherchiert. Die historischen Fakten stimmen, die Charaktere sind so authentisch wie möglich geschildert. Der historische Rahmen ist nicht nur lästiges Beiwerk für eine erfundene Geschichte, sondern die fiktive Geschichte wird sehr behutsam in die tatsächlichen Ereignisse eingebettet, und es wird darauf geachtet, die Fakten nicht zugunsten der fiktiven Geschichte zu verbiegen.

Aber auch die persönliche Geschichte der Hauptfigur Zahra ist sehr interessant und mitreißend beschrieben, so dass man von Kapitel zu Kapitel gespannt bleibt, wie sie weitergeht, und es schwerfällt, das Buch aus der Hand zu legen. Die Balance zwischen historischen Fakten und persönlicher Geschichte ist perfekt gelungen, das Buch wirkt an keiner Stelle trocken, und es hat auch keinerlei Längen oder uninteressante Handlungsstränge.

Zum Schreibstil: Der Gesamtleseindruck ist sehr gut, das Buch lässt sich sehr flüssig lesen. Die Worte sind gut gewählt, niemals platt, keine Wiederholungen. Die Sätze sind an keiner Stelle zu kompliziert, dass man sie nochmal lesen müsste, um sie zu verstehen. Sprich: Man fühlt sich beim Lesen einfach wohl.

Das Buch hinterlässt nach dem Lesen ein rundes Gefühl. Sowohl das historische Kapitel der Mauren in Andalusien als auch die fiktive Geschichte sind an einem Endpunkt angelangt, die Handlung ist in doppeltem Sinne in sich geschlossen. Der Roman wird auch gegen Ende nicht hektisch, er wird einfach immer spannender und vor allem intensiver, so dass man ihn, je näher man dem Ende kommt, immer weniger aus der Hand legen mag.

Fazit: Ein sehr interessanter historischer Rahmen trifft auf eine sehr ereignisreiche und bewegende fiktive Geschichte. Der Roman ist sehr flüssig und angenehm zu lesen, zeigt keinerlei Längen und ist hervorragend recherchiert, ohne dabei je trocken zu wirken. Ein sehr lesenswertes Buch, das mir sehr gut gefallen hat. Schade, dass ich es schon durch habe …

Hartmut Janssen

Lea Korte – Die Maurin. Droemer Knaur, München, 2010. 627 Seiten, € 9,95 (D)

Webseite von Lea Korte
Blog von Lea Korte
Lea Korte auf Twitter

„Vielleicht bin ich ein Träumer“ – Rita Dell’Agnese von Histo-Couch im Interview mit Lea Korte

Bereich: Geschichte – Belletristische Darstellung

Wir schreiben trotzdem!

Mittwoch, 17. März 2010

Schreibkurse, Schreibseminare, Schreibtherapien finden immer weitere Verbreitung. Viele Menschen erhoffen sich vom Schreiben befreiende und entlastende Wirkungen. Ob diese allerdings tatsächlich zu erwarten sind, haben Psychologen in einer Studie am Beispiel der Methode des „Expressiven Schreibens“ untersucht.

Schreibende wissen, dass das „Schreiben über belastende Lebensereignisse“ nicht gesundheitsfördernd ist – immerhin liegt selbstzerstörerisches Verhalten bis hin zum Selbstmord bei Schriftstellerinnen und Schriftstellern ziemlich sicher weit über dem statistischen Durchschnitt – Goethes Selbsttherapie während des Schreibens am Werther ist ja möglicherweise auch mehr Dichtung als Wahrheit. Trotzdem haben Pennebaker und Beall in den 80er Jahren das „Expressive Schreiben“ über die so genannten belastenden Lebensereignisse entwickelt, mit dem sowohl die physische als auch die psychische Gesundheit signifikant gesteigert werden sollten.

Sebastian Otte hat 2008 in Zusammenarbeit mit Birgit Kröner-Herwig und Carolin Mogk in einer Metaanalyse die bisherigen Studien zum Thema untersucht und ist zu dem uns nicht überraschenden Ergebnis gekommen, dass die Methode des „Expressiven Schreibens“ in der Tat keinerlei nachweisbaren Einfluss auf seelische oder körperliche Gesundheit hat.

Ärgerlich an dieser Veröffentlichung, wie an so vielen psychologischen Studien, ist aber etwas anderes. Wird im Umschlagtext noch über Menschen und über die möglichen Auslöser psychischer Belastungen geredet, wird spätestens nach der Einleitung nur noch gerechnet. Alles, was am Schreiben eine wichtige qualitative Erfahrung sein könnte, wird in Zahlen umgesetzt, hier mit Vorliebe in die Häufigkeit der Besuche bei Ärzten, in Gesundheitszentren und Krankenhäusern. Alles, was sich an Lebensproblemen während des Schreibens enthüllt, erklärt, eröffnet, wird unterschlagen zugunsten von Diskussionen über Varianzen, Variablen und über den Publikationsbias (ja, wenn sich in vielen Studien ein Effekt zeigt, nimmt man an, dies liege auch daran, dass Studien, die keinen Effekt hervorbringen, nicht veröffentlicht würden!), und so kriegt man am Ende alles klein. Aber wie gesagt: wir wussten das ja schon!

Wahrscheinlich sollten wir uns dann auch nicht ärgern, wenn in der Schlussfolgerung, nach endlosen Seiten von Methodik, Statistik und Sensitivitätsanalysen als alternatives Behandlungsmodell eine Arbeit eine der Mitautorinnen empfohlen wird. Aber schreiben wir lieber weiter … trotzdem.

Peter Metz

Sebastian Otte, Birgit Kröner-Herwig, Carolin Mogk – Schreiben über belastende Lebensereignisse – Eine Metaanalyse zur Wirksamkeit

VDM Verlag Dr. Müller, Saarbrücken, 2008. 100 Seiten, € 49,00 (D).

Bereich: Sachbuch

Chaotisch und durch den Wind

Mittwoch, 10. März 2010

Herr Merkwürden liebt das Chaos. So findet er sich dort ein, wo nicht aufgeräumt wurde. Sabine ist sein erstes Opfer. Um ihn loszuwerden, bleibt ihr nichts anderes übrig, als Ordnung in ihr Zimmer und in ihren Schrank zu bringen. Jedoch Herr Merkwürden findet immer wieder neue Opfer. Bald ist der Stadtkern peinlich sauber. Aber was geschieht nun am Stadtrand? Schimpfworttiere materialisieren sich. Damit hat niemand gerechnet. Sabine bekommt Angst und bittet zusammen mit ihrer Schwester Babsi und ihrem Cousin Luka eine gute Fee um Hilfe. Sie ist schon etwas durch den Wind; vermag sie dennoch den Kindern zu helfen?

Eltern, Lehrer/innen und Erzieher/innen verlangen von Kindern Dinge, die sie selbst kaum hinterfragen. „Herr Merkwürden“ spricht die Themen Aufräumen und Schimpfwörter gebrauchen an. Konflikte, die Eltern und Kinder in Streitigkeiten bringen. Wie wichtig ist das Aufräumen? Werden nicht Schimpfwörter dazu gebraucht, um als Ventil für Enttäuschungen zu dienen?

Die Probleme, die in „Herr Merkwürden“ thematisiert werden, schweißen die Geschwister Sabine und Babsi sowie ihren Cousin Luka zusammen. Eine Lösung, die nur im Gespräch miteinander gefunden werden kann, um „Herrn Merkwürden“ loszuwerden. Von den Erwachsenen ist keine Hilfe zu bekommen. Sabine vertraut ihrem Teddy ihre Sorgen an. Er kann ihr weiterhelfen. Fantasie ist gefragt. Da „Herr Merkwürden“ eine Fantasiefigur ist, kann nur eine weitere Fantasiefigur aus der Ratlosigkeit den Kindern helfen. Als „Herr Merkwürden“ verschwindet, tritt der Alltag wieder ein.

Ursula Jüngel

Die Autorin über ihre Tätigkeit:
„Seit meinem 14. Lebensjahr habe ich den Drang, mich schriftlich auszudrücken. Nach dem Großziehen meiner beiden Söhne, Berufsarbeit mit Schulkindern und dem Aufbau eines Resthofs mit Tieren, kam der Wunsch nach einem Enkelkind auf. So entstand mein erstes Kinderbuch ‚Greta und das Sternenkind‘. Weitere folgten, immer mit dem Gedanken, das Gespräch der Erwachsenen mit Kindern anzuregen. ‚Herr Merkwürden‘ ist vorerst mein 13. Kinderbuch.“

Ursula Jüngel – Herr Merkwürden.
Make a Book – Autorendienstleister, Neukirchen, 2008. 110 Seiten, € 15,80 (D).

Text, Cover, Zeichnungen und Fotografien von Ursula Jüngel. Auf der Seite des Verlages gibt es eine kurze Leseprobe .

Bereich: Kinderbuch. Das Buch wird von der Autorin für Kinder zwischen 7 und 10 Jahren empfohlen.