Mit der Novelle „Frühling“ hat Thomas Lehr, steht auf der Buchrückseite, des 2001 erschienen Buches, ein literarisches Wagnis unternommen. In neununddreißig Kapiteln werden neununddreißig Sekunden im Grenzbezirk zwischen Leben und Tod in einer Sprache berichtet, die so extrem ist, wie die Situation und der Gegenstand – eine Meditation über Wahrheit und Schuld.
Das Buch beginnt mit einem doppelten Suizid, steht bei Amazon, Christian und seine Geliebte Gucia erschießen sich, bis der Tod des Protagonisten eintreten wird, dauert es noch neununddreißig Sekunden und diese neununddreißig Sekunden werden in neununddreißig Kapiteln, in drei Teilen nach Rückwärts erzählt.
Es beginnt mit den Sätzen „Helfen Sie. Mir! Glauben Sie: Ich würde niemanden. Bitte, wenn mir nicht immer:“ und schließt mit „es ist. Frühling.“
Bis zu diesem Schluß war mir nicht klar, warum die Novelle „Frühling“ heißt, nur, daß das wieder einer der Versuche ist, in dem jemand in einem Endlosmonolog, die letzte Minuten eines Lebens erzählt. Einer liegt im Koma und das Leben rauscht vorbei, wahrscheinlich kann man dann nicht mehr klar denken, daher ist alles abgerissen und durcheinander, die Sätze, die Inhalte und macht es der Leserin schwer, das Ganze zu verstehen.
Die ungewöhnliche fesselnde Auseinandersetzung mit der Vergangenheit, wie der Focus schreibt, erfolgt in einer sehr künstlichen, experimentellen Sprache, deshalb ist es auch ein Buch, wo man besser nachschaut, was da eigentlich passiert, damit man nichts Falsches schreibt, denn beim Lesen kommt so viel an einem heran und vorerst wird nur klar, daß da der, der in neunundreißig Sekunden sterben wird und sein Leben noch einmal im Schnelltempo durchlebt, mit einer Angelika und einem Freund spricht, von einem Robert und einem Konstantin erzählt, die Hure Gucia kommt vor und der Vater Dr. X.
Der Protagonist, der Christian heißt, das erfährt man auch, stammt aus einer Ärztefamilie, ist aber nicht Arzt geworden, ein Pharmakongreß kommt vor, Angelika ist seine Frau, Konstantin sein Sohn, Gucia, die Geliebte mit der er sich erschießt, Robert sein Bruder, der in den Selbstmord getrieben wurde und dann stellt sich noch heraus, daß der Vater, der beiden Arzt in Dachau war.
Das alles und viel mehr rast in diesen neunundreißig Sekunden, beziehungsweise hundertzweiundvierzig Seiten, höchst surreal und stakkatoartig an uns vobei und wir haben sowohl, von der traumatisierenden Vergangenheit des vorigen Jahrhunderts erfahren, als auch das Sterben eines Menschen mitbekommen und das Ganze noch höchst kunstvoll und experimentell.
Die Literaturwissenschaft war wohl, wie der Spiegel schreibt, von dem gewagten und überwältigenden Stück Literatur, begeistert. Ich tat mir ein bißchen schwer dabei, habe ich doch beim Lesen nicht sehr viel verstanden und glaube auch nicht wirklich, daß die letzten neununddreißig Sekunden eines Menschen so ablaufen, außerdem wird bei dem Kunststück auch noch Vergangenheitsbewältigung betrieben.
Thomas Lehr ist 1957 in Speyer geboren und lebt in Berlin. 2005 ist der Roman „Nabokovs Katze“ erschienen, jetzt ist er mit „September Fata Morgana“ in dem er den 11. September 2001 in New York und ein Bombenattentat 2004 in Bagdad verbindet, auf die Longlist des deutschen Buchpreises gekommen und auch da wird die verdichtende lyrische Sprache sehr gelobt.
2010-08-26
Frühling
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