Zauberkunststücke in der Alte Schmiede und die Wiener Experimentellen Szene sitzt im Publikum.
Als ich am 15. Jänner im Wien Museum beim Fest für Ernst Jandl war, hat mir Christel Fallenstein einen rundlichen schwarzgekleideten russischen Dichter gezeigt „Das ist Alexander Nitzberg!“und mich gefragt, ob ich bei seiner Lesung in der Alten Schmiede war?
War ich nicht und ich hatte diesen Namen auch noch nicht gehört, da ich aber eine eifrige Literaturliebhaberin bin, ist mir der Name im Februarprogramm der Alten Schmiede aufgefallen: Alexander Nitzberg rezitiert zweisprachig aus dem von ihm neu übersetzten Gedichtband „Sieben Zehntel eines Kopfes“ von Daniil Charms und kommentiert den zeitgleich erschienen Prosaband „Trinken Sie Essig, meine Herren“ und ich beschloß in die Alte Schmiede zu fahren, da ich um sechs noch eine Stunde hatte.
So erreichte ich das literarische Quartier wiedermal sehr spät, huschte an Brigitta Falkner vorbei, setzte mich auf eine der Stufen und sah den schwarzgekleideten Dichter von einem beigen Mantel umhüllt im Saal stehen und etwas rezitieren, das mich zuerst an Goethes „Faust“ erinnerte.
Denn ich muß es gestehen, ich habe noch nie etwas von Daniil Charms gehört, inzwischen aber nachgegooglet, daß Daniil Ivanovitsch Juvantschov 1905 in St. Petersburg geboren, 1942 in einer Leningrader Gefängnispsychiatrie verhungert, ein unter verschiedenen Pseudonymen, darunter Charms, schreibender dadaistischer Dichter war, der zu seinen Lebzeiten nur zwei Gedichte für Erwachsene veröffentlichen konnte.
Jetzt gibt es eine von Vladimir Glozer und Alexander Nitzberg herausgegebene Werkausgabe in vier Bänden im Galiani Verlag und der 1969 in Moskau geborene Alexander Nitzberg, der in Deutschland Klavier, Germanistik und Philosophie studierte, ist auch ein großartiger Rezitator und machte aus den Kinder- Wissenschafts- Liebes- und Akolyptischen Gedichten eine Zaubershow mit einem roten Tüchlein, das seinen Händen entschwand, in seinem Mund auftauchte u.s.w.u.s.f.
Die in der Sowetunion verbotenenen Gedichte haben einen absurden Charme, scheinen, wie ich Wikipedia entnehme, lustig, wo sie traurig sind und viele Wortwiederholungen, die eindrucksvoll dargeboten wurden.
„Ich schloß den Band voll hoher Kunst
und saß den ganzen Tag mit offenen Mund
von fünfzehn Versen las ich drei
schon war die Leselust vorbei
Dazwischen schlug der Rezitator ein Buch auf, zauberte die Buchstaben weg und wieder her und die Wiener Experimentellen Szene, Lisa Fritsch, Herbert J. Wimmer, Liesl Ujvary, Briigitte Falkner, Margret Kreidl etc saß auf den Bänken oder am Boden und hörte andächtig zu.
Ein bißchen russisch war dabei, das als Orignaltext angekündigte Gedicht war aber auf Deutsch, denn das hat Daniil Charms, erklärte Alexander Nitzberg mit Berliner Akzent fließend gesprochen, es fallen bei den Kindergedichten auch immer wieder deutsche Namen auf.
Ich kenne mich in der Dada-Szene ja nicht so aus, die Gedichte, die mich zuerst an Goethes Faust denken ließen, haben mich später an Ringelnatz und Morgenstern erinnert und sie waren wirklich hervorragend vorgetragen.
Mit Christel Fallenberg, die auch anwesend war, habe ich beim Büchertisch, als ich die beiden schon erschienenen Bände durchblätterte, die zwei weiteren werden noch 2011 erscheinen, gesprochen und heute auch ein Mail von ihr bekommen, habe ich sie ja gefragt, ob sie den Text zur „Absturzgefahr“ schreiben will. Daraus wird wohl nichts, aber es war ein interessanter Abend und eine Begegnung mit zwei interessanten Dichtern, über die ich mir jetzt ein bißchen was ergooglet habe.
Alexander Nitzberg wird ab April auch, wie Kurt Neumann in seinem Schlußwort erklärte, eine eigene Lesereihe in der Alten Schmiede haben, die Einleitung habe ich leider versäumt, aber trotzdem einiges erfahren, was ich noch nicht wußte.
2011-02-08
Zauberkunst
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