Literature Night in der Hauptbücherei, das war zwar wieder übertrieben, war die Nacht doch vor neun schon aus und der Essay von Imre Kertez „Die Panne – Der Holocaust als Kultur“, der im Programm angekündigt war, wurde aus Zeit oder Konzentrationsgründen auch noch eingespart, die Literature Night ist aber eine Initiative des tschechischen Zentrums in Kooperation mit dem polnischen Instituts und dem Collegium Hungaricum im Rahmen des heuer zum fünften Mal stattfindenden in Prag inititierten internationalen Eunic Projekts und wurde unter dem Titel „Von der Unmöglichkeit nicht zu schreiben“ veranstaltet.
Das ist offenbar eine Reflexion Franz Kafkas und steht so im Programm, ansonsten hätte ich den Titel nicht verstanden und die jüdische Literatur von Jiri Langer, Imre Kertez und Andrezej Barth wurde von ihren Übersetzern präsentiert.
Moderiert hat die Veranstaltung Gabriele Kohlbauer-Fritz vom jüdischen Museum, das offenbar eine Kooperation mit der Hauptbücherei getroffen hat, ich saß in der zweiten Reihe neben der Autogrammjägerin, die ich manchmal bei Veranstaltungen sehe, eine kleine ältere Frau, die zwischendurch in der Zeitung „Österreich“ gelesen hat, aber immer sehr engagiert herumgeht und versucht Unterschriften von allen Lesenden einzusammeln, versehentlich hat sie auch den Leiter der Hauptbücherei erwischt und hat sich auch die Bilder der Übersetzer aus dem Internet ausgedruckt, so daß sie sich die Unterschriften inzwischen auf Autogrammkarten geben läßt.
Thematisch hat das Programm der kurzen langen Nacht sehr gut zusammengepasst, begann es doch mit dem 1894 geborenen Jiri Langer, der als junger Mann Prag in Richtung Stettel verlassen hat und das Buch „Neun Tore – Geheimnisse des Chassidim“ darüber geschrieben hat, das 2011 bei Arco neu herauskam oder kommt. Die Übersetzerin eine junge Frau namens Kristina Kallert, hat ein paar Stücke daraus gelesen und in der Diskussion sehr genau zu erklären gewußt, worin sich ihre Übersetzung von der bereits bestehenden unterscheidet und wie weit sich Jiri Langer von den chassidischen Texten Martin Bubers abgrenzt. Er ist spitzbübischer und ironischer erklärte sie und das war ihrer Lesung auch anzumerken, der vorige Übersetzer hat all das Unangepasste herausgestrichen. Ich kenne mich bei der chassidischen Literatur zwar nicht sehr aus und habe auch Martin Buber nicht gelesen, es schien mir aber zu Imre Kertez, dem Nobelpreisträger von 2002 und seinen Texten über den von ihm erlebten Holocaust sehr gut zu passen und so habe ich sehr bedauert, daß der Essay nicht gelesen wurde.
Den Übersetzer, György Buda, ein sehr ungarisch aussehender großer starker Mann mit kleinem Bärtchen, habe ich schon gesehen, er las ein Stückchen aus dem „Kaddish für ein nichtgeborenes Kind“.
Ansonsten habe ich „Schritt für Schritt“ – das Drehbuch zum „Roman eines Schicksallosen“ gelesen, das glaube ich, das zweite „Eine Stadt – ein Buch“ war.
Vom dritten Autor, bzw. Buch des 1951 geborenen Andrzej Barth „Die Fliegerfängerfabrik“ habe ich schon etwas gehört, wurde es doch vor ein paar Wochen in Ex Libris vorgestellt. Es wurde vom Übersetzer Albrecht Lempp gelesen und ist eine weitere sehr interessante Verarbeitung des Holocaust eines Vertreters der jüngeren Generation, die das ironischer als die, die es selbst erlebten, darstellen.
Es geht um das Ghetto von Lodz und um den Judenrat Chaim Rumkowski, dem vorgeworfen wurde, mit den Nazis kollaboriert zu haben. Andrzej Barth läßt den nun mit seiner Frau Regina und seinem Adopivsohn in der fiktiven Zeit 2006, Chaim Rumkowski ist in Auschwitz umgekommen, in einem Salonwagen ins Ghetto fahren, ein Journalist wurde von einem geheimnisvollen Besucher voher aufgefordert, dort dabei zu sein und es kommt zu einer Gerichtsverhandlung über die Schuld des Vorsitzenden, Staatsanwalt, Verteidiger, Richter sind ebenfalls im Holocaust Umgekommene, bzw. der liebe Gott persönlich.
Klingt sehr interessant, obwohl es vom Übersetzer als schwer lesbares Buch beschrieben wurde und ich mich bei der Ex Libris Vorstellung nicht recht ausgekannt habe. Es ist das erste in Deutsch übersetzte Buch des Polen, der Übersetzer meinte aber, daß der Verlag Schöffling mehr von ihm herausgeben wird und erzählte etwas von einem „Don Juan“, das ebenfalls sehr interessant sein soll. Mal sehen ob ich mal über das eine oder das andere Buch stolpere, jetzt habe ich mir von der kurzen langen Nacht jedenfalls sehr viel mitgenommen und einige interessante Autoren kennengelernt.
2011-05-12
Jüdische Literatur aus Polen, Tschechien und Ungarn
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