Als ich Sonntag mit dem Zug von Krems nach St. Pölten gefahren bin, habe ich das Profil durchgeblättert, das sich Alfred am Bahnhof kaufte und bin im Kulturteil unter dem Titel „Etwas kommt ins Rollen“, auf einen der raren Berichte über Literatur und auf den Versuch eine allgemeine Tendenzen im Schreiben jüngerer Österreicher zu orten, gestoßen.
„Namhafte Verlage, renommierte Preise, enthusiastische Rezensionen: Österreichs Schriftstellerinnen und Schriftsteller drängen neuerdings verstärkt an die Öffentlichkeit.“
Dann folgten zehn Namen und zehn Kurzportraits unter Dreißigjähriger, die quer durch den Krautgarten auf jeweils einer halben Seite „über lästige Fragen, Schreibblockaden und das Glück im stillen Kämmerlein zu sitzen“ ausgefragt wurden.
An sich mag ich solche Verallgemeinerungen nicht, da stellt man im hinteren Drittel der Wochenzeitschrift auf ein paar Seiten Clemens J. Setz, Nadja Spiegel, Gerhild Steinbuch, Reinhard Kaiser Mühlecker, Sonja Harter, Bernhard Strobel, Phillipp Weiss, Lukas Meschik, Barbara Aschenwald und Ann Cotten, die meisten acht- oder neunundzwanzig, nur Nadja Spiegel und Lukas Meschik stechen da mit neunzehn und zweiundzwanzig aus dem Reigen, schreibt ein paar Zeilen über die letzte Veröffentlichung, stellt Fragen wie „Müssen Autoren also intensiver leben?“ oder „Wie gehen Sie mit Erfolgsdruck um?“ und wirft in einem Vorwort auch noch ein paar Thesen, wie „Das Arbeitsverständnis dieser Autorinnen und Autoren ist zugleich von Pragmatismus und Professionalismus geprägt, vom Schreiben als Handwerk im besten Sinn“ oder Behauptungen wie „Mit der zumal in Österreich traditionell gepflegten Ansicht vom Autor als Originalgenie hat die junge Generation wenig am Hut“, aufs Papier
Das Nachwort in diesem Literaturschnellkurs fehlte und natürlich auch andere Autoren unter Dreißig, wie Cornelia Travnicek, Sara Wipauer, Martin Fritz, Anna Weidenholzer, Robert Prosser, Magda Woitzuck, Yasmin Hafdeh, Cornelia Hülmbauer, Sophie Reyer, Valerie Fritsch, Emily Walton, um mal elf aufzuzählen und auch die, die meinem gestrigen Artikel zufolge ebenfalls schreiben, aber nicht den Fm4 Wettbewerb gewonnen haben, einen Blog zur Selbstdarstellung führen oder in den renommierten Verlagen aufgefallen sind, also die, die zwar auch schreiben, über die die renomomierten Literaturkritiker nichts wissen, bzw. es nicht der Mühe Wert erachten sie in einem Profil-Artikel vorzustellen und ihnen Fragen wie „Was ist schön daran im stillen Kämmerlein zu schreiben?“, „Muß man wie besessen lesen, um selbst Autor werden“ oder „Sehen Sie sich in Konkurrenz zu anderen jungen Autoren?“ stellen“
Ich mag wie erwähnt, diese Verallgemeinerungen und auch den Versuch aus zehn Kurzportraits eine Theorie über die österreichische Literaturlandschaft der unter Dreißigjährigen auszustellen nicht, fürchte aber fast, daß der Literaturbetrieb so abläuft, habe ich mich doch vor ein paar Jahren gewundert, als ich in der Gesellschaft der Literatur bei der Präsentation des neuen, noch nicht ganz auf Deutsch übersetzten Buches, einer jungen rumänischen Schriftstellerin war, daß es am Buffet mit, ich glaube, Robert Musils „Mann ohne Eigenschaften“ verglichen wurde und war baff, wäre mir ein solcher Vergleich bei einem Roman, der von einem Kindertransport in ein rumänisches Ferienlager handelt, nicht eingefallen. Wie kommt der Zuhörer darauf?, habe ich mich gefragt. Inzwischen fürchte ich fast, daß das vielleicht eingefallen ist, weil man Robert Musil eben kennt oder kennen muß, aber damit wird schon wieder vieles ausgeschlossen und das störte mich bei diesem Vergleich und stört mich auch an diesem Artikel, obwohl es sicher gut gemeint ist, der Profil-Leserschaft, die vielleicht nicht so viel, wie ich in die Alte Schmiede geht, die österreichische Gegenwartsliteratur an ein paar Beispielen, in ein paar Zelen mit ein paar Verallgemeinerungen näherzubringen.
Zuerst habe ich „Wow!“, dann habe ich nachgedacht und bin darauf gekommen, daß in diesen Gemeinplätzen gar nicht so viel Erkenntnis steckt.
Gut, ein paar jungen Autoren haben in den letzten Jahren Preise gewonnen, Clemens J. Setz mit seinem Erzählband „Die Liebe zur Zeit des Mahlstädter Kindes“ den Leipziger Buchpreis 2010 und da waren, wie ich mich erinnern kann, alle überrascht, weil die meisten gedacht haben, Arno Geiger würde ihn bekommen. Valerie Fritsch, Martin Fritz und Cornelia Travnicek einen der fm4-Literaturpreise, Anno Cotten und Gerhild Steinbuch den Priessnitz-Preis und Reinhard Kaiser Mühlecker hat schon drei Romane bei Hoffmann und Campe verlegt und all das ist interessant und sicher wichtig für die österreichischen Leser und Leserinnen zu wissen, daß es mehr Autoren, als Elfriede Jelinek, Barbara Fritschmuth und Friederike Mayröcker gibt. Ich glaube ohnehin, daß sich die österreichischen Zeitungen und Zeitschriften viel zu wenig mit Literatur beschäftigen, so sollte ich über „Etwas kommt ins Rollen“ eigentlich nicht Maulen, sondern mich darüber freuen, daß dem Profil die junge Literatur im Sommer sechs Seiten wert war.
Ich schreibe im Literaturgeflüster auch immer wieder darüber und habe, aufmerksame Leser werden es bemerken bei meiner Ergänzung sicher einige genauso wichtige Namen vergessen.
Die Teilnehmer am Hochschullehrgang für Sprachkunst habe ich dabei vollständig ausgelassen, die Autoren vom Ohrenschmaus und sicher auch ein paar Poetry-Slamer, also frage ich mein Publikum, wer fehlt noch?
Für Ergänzungen bin ich dankbar und kann, wenn es gewünscht wird, dem ersten dem was einfällt, sogar mein neues Buch zur Verfügung stellen, allerdings der teuren Posttarife wegen nur innerhalb Österreichs und wenn es geht, gegen Abholung.
Unter Dreißig
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