Am Samstag gab es wieder einmal die Poet Night des ersten Wiener Lesetheaters, das ist diese Monsterveranstaltung, wo im sieben Minutenabstand von vier Uhr Nachmittag bis zwei Uhr Morgens gelesen wird. Vor zwei Jahren hat sich meine damals kritische Stimme Frau Heidegger mokiert und eine rege Diskussion angeregt, ob es Sinn macht, Leute zu zuhören, die noch nicht so bekannt sind und das vielleicht auch nie werden oder ob man seine Zeit damit verschwendet? Es ist aber, glaube ich, gar nicht so sehr Sinn der Veranstaltung bekannt zu werden, sie wurde eher geschaffen, um Lesetheateraktivisten, die während des Jahres fremde Texte lesen, Gelegenheit zu geben, Eigenes vorzutragen und es tummelt sich in dem Pool der an die sechzig Lesenden eine enorme Bandbreite an Talenten. So sind ein Teil der Leser Schauspieler, die Gebrauchsliteratur schreiben und Teile ihrer Shows oder Kabaretts vortragen und auch manchmal daraus singen. Ein anderer Teil sind Schriftsteller, experimentelle, wie Herbert J. Wimmer oder Nikolaus Scheibner, realistische, wie die Frauen lesen Frauengruppe. Die Grauenfruppe tritt auf, Richard Weihs durch seine Solokabaretts und Wilden Worten bekannt, in den letzten Jahren immer mehr Poetry Slamer aber auch englischsprachige Leser u. u. u.
Ich habe in den letzten Jahren durchaus neue Talente kennengelernt Susanne Toth und Christian Katt beispielsweise, die beide inzwischen GAV-Mitglieder sind und dann auch Christian Schreibmüller, der mich am 17. Oktober ins Cafe Amadeus eingeladen hat. Christoph Vivenz höre ich jedes Jahr hier lesen und jedes Jahr treten neue Leute auf, von denen ich vielleicht nie mehr etwas höre. Spezial guests, früher waren das Gert Jonke und Elfriede Gerstl, inzwischen meistens Melamar, eine junge Slamerin mit einer starken poetischen Stimme gibt es auch und natürlich Gedenklesungen, wenn wieder eines der Mitglieder verstorben ist.
Die Poet Night gibt es seit zehn Jahren,ich war immer dabei, wenn ich auch nicht immer nonstop dabeigeblieben bin, da es sich manchmal mit dem Burgtheatermarathon kreuzte und voriges Jahr hat mich um Mitternacht Robert Englhofer mit seiner gutmeinten Frage, ob ich die ganze Zeit bleibe, animiert nach Hause zu gehen. Da mich das später immer ärgert, habe ich diesmal durchgehalten und war auch nicht die einzige die das tat. Bei der Poetnight gibt es einen Durchhaltekonkurrenten, nämlich Werner J. Grüner und Rolf Schwendter sitzt natürlich auch nonstop am Regietisch, freut sich, wenn jemand eine Katzengeschichte für ihn geschrieben hat und teilt die fünfunddreißig Euro Honorar aus, denn die Veranstaltung wird ja von der GAV, wo einige Leser Mitglieder sind und, ich glaube, auch von der Stadt Wien etwas subventioniert.
Diesmal ist mir das Bleiben nicht sehr leicht gefallen, denn ich hatte eine intensive Woche mit viel Diagnostik und vielen Veranstaltungen, so bin ich schon ein bißchen müde hingegangen und habe mich ein bißchen über Elisabeth Chovanec geärgert, die als erste las und erklärte gleich gehen zu müssen, das ist zwar legitim, wenn das die anderen aber auch so machen, hat sie keine Zuhörer und am Anfang ist es ohnehin noch leer im Extrastübchen des Siebensterns.
Jetzt ein Streifzug durch die Highlights, da ich die sechzig Namen nicht nonstop durchgehen will, Ruth Aspöck hat mich schon vorher angerufen und mir ihr neues Buch „Nichts als eine langweilige Blindschleiche“, die Textmontage durch ihre Tagebücher, angekündigt. Sie hat erst um ein Uhr früh gelesen, ist aber zur meiner Lesung kommen. Ich habe wie schon angekündigt, wieder die Stelle mit der Fritzi Jelinek und den Tauben vor dem Schmetterlinghaus aus der „Absturzgefahr“ gelesen. Vor mir waren Herbert J. Wimmer und Krista Krempinger an der Reihe und Herbert J. Wimmer las etwas über seinen Rom Aufenthalt und die Veränderungen im Stadtteil Trastevere, daß dort die Leute statt Wein und Katzen inzwischen Bier und Hunde mögen und Krista Kempinger streifte ihren Roman „Der Mantel war ein Federbett“, von Berlin, wo er in den Siebzigerjahren zu spielen scheint, immer wieder in eine gewalttätig erlebte Kindheit zurück.
Inzwischen füllte sich das Extrazimmer ein bißchen, Christl Greller tauchte auf und rief mir zu, daß sie mir etwas sagen müße. Ich war nämlich diese Woche im Fernsehen und zwar wurde ich anscheinend bei der Rosei-Präsentation in der Nationalbank gefilmt. Die Mundartdichterinnen, auch prominent bei der Poet Night vertreten, habe ich jetzt vergessen. Roswitha Miller, die Margaretner Heimatdichterin hat gelesen und Christa Meissner, die einen kleinen Clown mithatte, der die musikalische Beleitung bot und Lautdichter, die spontan auf dem Saxophon improvisierten und Maultrommeler gab es auch. Elfriede Haslehner stupste mich an und fragte, ob ich schon gelesen hätte und las eine authentische Geschichte, die ihr dieses Jahr passierte. Ihr kleines blaues Auto hat sich im Winter überschlagen und sie wurde von einer ägyptischen Familie, koptische Christen, gerettet, die jede Woche zum koptischen Gottesdienst nach Niederösterreich fährt. Hilde Schmölzer las wieder aus dem „Vaterhaus“.
Wiederholungen gibt es auch, so liest Claus Tieber gerne die Geschichte vom „Schaßzutzler“, die schon alle kennen und dementsprechend begeistert klatschen oder lachen und etwas Trauriges gab es auch und zwar die Gedenklesung der Frauen lesen Frauen Gruppe, die aus Monika Gillers „Schwarzlicht“, die am 31. 5. gestorben ist, las und ihr Lebensmensch Hans Jörg Liebscher las Gedichte, die im Gedenken an seine Monika entstanden sind. Judith Gruber Rizy kam alleine erst später dran, ihren Text über Veza Canetti, habe ich, auch schon einmal gehört. Sie hat ihn, glaube ich, für die Gedenktafelanbringung und dem Fest für Veza Canetti, das es vor ein paar Jahren, in der Ferdinandstraße, wo Veza Canetti einmal wohnte, geschrieben. Dort habe ich ich auch Peter Waugh kennengelernt, der ebenfalls gerne bei der Poet Night liest und der heuer spezial guest bei meiner Frauenlesung war und ich habe auch bei seiner Veranstaltung im Cafe Kafka gelesen.
Am Anfang haben Nathan Horowitz und Ka Ruhdorfer gelesen und die haben, glaube ich, ein kleines Kind. Ein blondlockiges Mädchen, das sich während ihrer Lesung vor das Podium setzte, einen Bleistift und ein Blatt herauszog und darauf etwas kritzelte. Wieder eine kleine Impression, die sich vielleicht, wie bei „Tod eines Jurymitlieds“, wo auch ein kleines Kind bei einer Lesung vorkommt, einmal verwenden läßt. Richard Weihs brachte einen Querschnitt seiner Wunschgedichte. Susanne Schneider hat für Rolf Schwendter eine wunderschöne Katzengeschichte geschrieben, die mich sehr beeindruckt hat. Die kleine Katze namens Nebbich, die aus Prag in einer blauen Tasche nach Shanghai emmigrieren mußte und dort verloren ging, hat sich in ein Cafe einquartiert, weil ihn eine freundliche Chinesin zum Mäusefangen mitnahm und muß nun höllisch aufpassen nicht erschlagen zu werden oder als Katze süß sauer auf dem Mittagstisch zu landen. Eine herrlich freche Katzenstimme, die natürlich ihre Katzenmutter wieder findet und auch Anita C. Schaub bot eine Überraschung. Las sie doch zwei Stellen aus ihrem Romam „Krause Haare“ und da geht die Protagonistin zu einer Literaturveranstaltung, wo sie einen vermeinlichen Sandler sieht, den sie, weil sie sich freut, daß er sich für Literatur interessiert, fünf Euro spendet. Im Laufe der Veranstaltung kommt sie darauf, daß er der Organisator der Veranstaltung ist, Universitätsprofessor und eigene Texte liest. Am Schluß geht er noch mit dem Korb herum und sammelt Spenden. Da mußte Rolf Schwender wieder auf den Spendenkübel beim Ausgang verweisen und sich für die Beschreibung bedanken. Texte über anwesende Autoren, sind ja auch eine Spezialität der Poet Night. So hat sich Mechthild Podzeit-Lütjen, die diesmal einen Text über Helmut Kurz-Goldenstein las, 2008 zum Beispiel auf Elfriede Haslehner bezogen und ihr Portrait beschrieben und ich habe im Vorjahr den Literaturgeflüsterartikel und die Diskussion mit Frau Heidegger gelesen.
Die Grauenfruppe rief ständig „Wo ist der Text und wieviel Zeit haben wir noch Rolf?“, so daß ich, wenn ich extrovertierter wäre und eine lautere Stimme hätte, wohl aufgestanden wäre und die „Absturzgefahr“ hingehalten hätte. Aber die wurde mir inzwischen von Robert Eglhofer abgekauft und Ruth Aspöck hat uns die Teller mitgebracht auf denen die Kuchen waren, die Alfred für ihr Saisonabschlußfest machte. Nikolaus Scheibner bezog sich in seinem Text auf einen Lektor, der Herr Nagl hieß und riet ihm seinen Text erst nachher zu lesen, da zeigte ich auf Alfred, der diesmal bis zum Schluß geblieben ist.
Gerda Kamna gab einen kleinen Einblick in ihr berufliches Leben und erzählte von einer Show mit der sie durch die Seniorenheime tourt, aber dort können die Bewohner noch nicht Englisch, also mußte sie die Songs ins Deutsche übersetzen. Am Schluß gab sie einen Song der Loreley zum Besten und Monika Schmatzberger gab eine Kurzgassung ihres Kabaretts „Aus dem Leben einer noch nicht so bekannten Schauspielerin.“
Franz Hütterer habe ich wieder getroffen, der sehr beeindruckende satrirsche Texte las, Georg Biron stellte sein neues Buch über Helmut Qualtinger und dem Herrn Karl vor, Gerhard Ruis hat seine Oswald Wolkenstein Trilogie präsentiert und am Schluß gab Rolf Schwendter eine Gedichtauswahl. Diesmal hat er ja nicht beim Volksstimmefest gelesen, so gab es etwas aus den „Katzentotenlieder“ und dem Zyklus „Psalter“.
Das war die Poetnight 2011, der Kopf hat geraucht und wenn es auch etwas verrückt ist, sich in einem durch sechzig Texte anzuhören, interessant ist es allemal und man lernt auch viel dabei.
In alphabetischer Reihenfolge:
ich finde es fehl am platze, jemanden zu verurteilen, wenn er bei der poet night, einen termin hat, der nicht verschiebbar ist. ausserdem gäbe es viele gründe die veranstaltung frühzeitig zu verlasen.
Kommentar von Chacha Bevoli Lyrikerin — 2011-09-25 @ 13:10 |
Ums Verurteilen geht es nicht, nur um mein Gefühl und das war in diesem Fall Ärger, der nicht einmal dich allein getroffen hat. Ich habe gerade das Wort ärgern wegnehmen und nur die Beschreibung der Situation stehen lassen wollen, aber du warst schneller. Fein, daß du mich liest und die Situation stimmt auch so. Wenn man sich für alles interessiert und das tue ich freiwillig und sehr gern und bekommt öfter die Antwort, nein, kann, will ich nicht, interessiert mich nicht, etc, dann steigen eben solche Gefühle hoch. Ich weiß schon, ich interessiere mich freiwillig und muß es nicht tun, du hattest sicher einen Grund, warum du nicht bleiben konntest und das, dann geh ich auch hinaus, ist auch keine Lösung, vielleicht aber das Verbalisieren der Situation und wenn du oder andere, das nächste Mal mehr Zeit haben auch anderen zuzuhören, wäre das sehr schön, so kannst du im Literaturgeflüster ein bißchen nachlesen, wie es war
Kommentar von jancak — 2011-09-25 @ 14:42 |