Heute war wieder Jurysitzung des Ohrenschmauses, Literaturwettbewerb für Menschen von und mit Lern oder intellektueller Behinderung, den es seit 2007 gibt. Weil ich den Otto Lambauer von Alfreds Wandergruppre kenne, bin ich in der Jury und da mich Literatur in allen ihren Formen interessiert, habe ich auch sehr viel gelernt dabei und kenne mich jetzt mit dem, was Menschen, die beispielsweise ein Downsydrom schreiben, auch gut aus.
Franz Joseph Huainigg, der einmal Behindertensprecher der ÖVP war oder das noch ist, hat ihn gegründet. Wenn ich die Legende richtig verbreite, hat er sich zum vierzigsten Geburtstag einen solchen Literaturpreis gwünscht und Michael König, die das Vorbild für meine „Mimi“ war, hat ihn dazu angeregt. Otto Lambauer, der das Literaturgeflüster anfangs sehr verstärkte und im Behindertenbereich der Caritas tätig ist, hat mir davon erzählt, bzw. wollte er wissen, wie man in das Literaturhaus für die Preisverleihung kommt. 2007 hat sie dort stattgefunden, weil der Rollstuhlzugang, glaube ich, doch nicht so ganz optimal war, wurde es in das Museumsquartier verlegt und ich bin mit Felix Mitterer, Barbara Rett, Heinz Janisch und Kurt Palm in der Jury. Am Anfang war noch die Kinderbuchautorin Friedl Hofbauer, die ich durch Vermittlung von Valerie Szabo, einmal, lang lang ists her, für meine Dissertation interviewte dabei. Im vorigen Jahr habe ich Ludwig Laher und Adrea Stift für die Jury vorgeschlagen und die Beschäftigung mit der Literatur von Lernbehinderten immer sehr genossen. Wurde da ja gleich im ersten Jahr Renate Gradwohl als großes Talent entdeckt und seither bin ich der Ansicht, daß Ernst Jandl, der sich, glaube ich, mit dem Haus der Künstler in Gugging sehr beschäftigt hat, von Leuten mit sogenannten Lernbehinderungen vom Schreiben inspirieren ließ. Renate Gradwohl schreibt jedenfalls so, wie es Ernst Jandl manchmal tat.
Im zweiten Jahr begann es ein bißchen problematisch zu werden, stellte sich doch heraus, daß das Preisträgergedicht von Astrid Lindgren war und damals gab es die Idee, die sich nicht durchgesetzt hat, daß die Jury jeweils drei Texte in den Kategorien Prosa, Lyrik und Lebensbericht auswählt und den Vorjahrspreisträgern nämlich Renate Gradwohl, Herbert Offenhuber, etc zur Verfügung stellt. Nur leider war das Gedicht, daß die Endjury auswählte, nicht vom Einreicher, von den zwei anderen Einreichungen stammte ein Gedicht von Anton Blitzstein, der vom Augustin, seinen Mondkälbern und seinen Katzen sehr bekannt ist, aber der ist kein Mensch mit Lernbehinderung, sondern einer mit Psychiatrieerfahrung und wir begannen die Kriterien für die Einreichung zu diskutieren.
2009 und 2010 gab es damit keine Schwierigkeiten. 2009 wurde mit dem Text von Sarah Lutschaunig, eine tolle Prosabegabung einer sehr jungen Frau, die sagte, daß erste Mal eingereicht und gleich gewonnen hat, entdeckt und in Josefine Bitschau Lebensbericht eine alte Dame, die davon schreibt, wie es damals war, als man sich verstecken mußte, damit einem Hitler nicht erwischt.
2010 gab es mit Reinhard Buchmann wieder einen Prosagewinner mit einem unheimlich starken Talent, das in seiner Sprachgewalt an Thomas Bernhard erinnert, obwohl der Einreicher, wie seine Betreuer meinen, nicht viel spricht.
2010 wurde die Jury durch meine Mithilfe eine wenig aufgefrischt und 2008 wurden Kriterien festgelegt, so daß sicher ist, daß nur mehr Menschen mit Lernbehinderungen einreichen und das ist ein Begriff, der leicht mißverstanden werden kann. Denn was ist eine Lernbehinderung? Eine Legasthenie und eine Aufmerksamkeitsstörung. Aber das ist eigentlich nicht damit gemeint, sondern die geistige Behinderung, die inzwischen intellektuelle Beeinträchtigung heißt. Die Betroffenenen nennen sich, ganz klar, lieber lernbehindert. Aber das kann zu Mißverständnissen führen, wie ich zum Beispiel vorige Woche im Literaturhaus merkte, als ich einem Herrn vom Ohrenschmaus erzählte und der sofort meinte, da reicht er ein, denn er ist Epileptiker und, daß sich depressive Akademiker oder Menschen mit Psychiatrieerfahrungen angesprochen fühlen, haben wir schon erlebt.
Franz Joseph Huainigg will aber, daß der Preis für Menschen mit Lernbehinderungen, wie beispielsweise einem Down Syndrom vorbehalten bleibt und so wird seit 2008 vorher geschaut, daß die Kriterien stimmen, was nicht immer gelingt, so waren heuer einige Texte dabei, die sich mit dem ADHS-Symptom beschäftigten, die eigentlich nicht teilnahmeberechtigt wären.
Trotzdem ist die Beschäftigung mit den über hundert Einreichungen eine sehr schöne Sache und wenn man es zum fünften Mal macht, weiß man, obwohl es offiziell eine anonyme Einreichung gibt, schon in etwa, von wem der Text stammt, denn der Ohrenschaus hat seine Stammeinreicher und ich weiß in etwa auch, ob der Text den Kriterien entspricht oder nicht und wenn jemand das ADHS-Symptom beschreibt, dann stimmt es wahrscheinlich nicht.
Aber mir ist das eigentlich egal und ich finde es noch immer schade, daß Anton Blitzsteins schöne Texte, der heuer vielleicht bei meinem Geburtstagsfest lesen wird, hier nicht aufgehoben sind.
So war es auch heuer, über hundert schöne Texte und wie Kurt Palm meinte, manche zu perfekt. Ich habe damit, wie gesagt, kein Problem, sondern einen offenen Literaturbegriff und so war die Jurysitzung heute Mittag im Parlament mit Felix Mitterer, Heinz Janisch und Ludwig Laher auch sehr interessant, besonders da wir uns bezüglich unserer Favoriten ziemlich einig waren.
So gab es einen sehr schönen Lebensbericht für den wir eigentlich alle stimmten, auch bei der Prosa waren wir uns ziemlich einig, über die Lyrik wurde ein bißchen diskutiert. Nach einer Stunde waren wir fertig und bereit uns auf die Preisverleihung am 29. 11. um 19 Uhr im Museumsquartier zu freuen.
Vorher muß ich noch das Vorwort für das Buch „Nicht schlafen können“, das inzwischen in der Edition der Provinz entsteht und das zur Preisverleihung anläßlich fünf Jahre Ohrenschmaus vorgestellt werden wird, fertig schreiben.
Einen kleinen Wermuthstropfen gab es noch mit dem Prosatext, von dem sich inzwischen herausstellte, daß er auch zu „perfekt“ ist, da es aber eine sogenannte Ehrenliste gibt, auf die die vielen anderen schönen Texte Platz finden, werden wir noch einen Prosatext finden, der den Kriterien der intellektuellen Behinderung entspricht. Die Behindertenolympic macht dafür, glaube ich, IQ Tests und läßt nur Leute teilnehmen, die einen IQ unter 85 oder 75 aufweisen, aber das ist eine Selektion, die ich gar nicht will. So freue ich mich auf die Preisverleihung im November, in der das Siegergedicht auf einer Zotterschokolade aufgedruckt sein wird und auf das Buch mit den vielen schönen Siegertexten und denke, daß ich, seit ich mich so regelmäßig mit dem, was sogenannte behinderte Menschen schreiben, beschäftige, viel gelernt habe. Min Literaturbegriff hat sich seither auch erweitert.
Ohrenschmausarviv 2008 1 2, 2009 1 2, 2010 1 2
Dann gibts noch einen allgemeinen Bericht von 2008 und den über Otto Lambauers Ohrenschmaus-Stand bei „Rund um die Burg“, der sich dann von dort zurück gezogen hat.
2011-10-07
Ohrenschmaus-Jurysitzung
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