Literaturgefluester

2012-01-02

Mythos Bachmann

Filed under: Uncategorized — jancak @ 00:41

„Mythos Bachmann“ mit dem Untertitel „Zwischen Inszenierung und Selbstinszenierung“, ist ein von Wilhelm Hemecker und Manfred Mittermayer herausgegebener Profilband, eins Magazin des Literaturarchivs der österreichischen Nationalbibliothek. Siebzehn Bände sind im Klappentext angeführt, die Hilde Spiel, Otto Basil, Ernst Jandl, Peter Handke, den kalten Krieg in Österreich u. u. u. zum Thema haben und jetzt eben Ingeborg Bachmann.
Deren Themen lauten in Etwa „Vamp, Hure, Heilige, Diva?“, das habe ich jetzt ein wenig verballhornt, es kommen aber in etwa alle Themenkreise vor, von der Dissertation über Martin Heidegger bis zu ihrem Tod 1973 in Rom und der Frage, ob das jetzt ein Mord, ein Selbstmord oder ein Unfall war und wurde von den verschiedensten Bachmannforschern von Hans Höllerer bis zu Manfred Mittermayer geschrieben. Ein paar literarische Kurztexte von Kerstin Hensel, Michaela Falkner, Marie Therese Kerschbaumer und Evelyn Grill gibt es auch und ich bin auf das Buch bei der Buch Wien aufmerksam geworden und habe es mir zu Weihnachten gewünscht, denn Ingeborg Bachmann ist für mich auch ein Mythos oder eine interessante österreichische Dichterin. Ich bin aber kein Fan von irgendeinem Dichter und neige auch nicht dazu jemanden zu verklären, aber als Ingeborg Bachmann am 17. Oktoer 1973 in Rom gestorben ist, habe ich im ersten Semester Psychologie studiert und mich, wie auch noch heute, sehr für Literatur interessiert und mich wahrscheinlic auch gerade gefragt, was aus meinem Schreiben werden wird und daß ich damals noch so vermessen war, mir zu denken, ich komme auch so weit wie sie, kann schon sein.
1977 habe ich, glaube ich auch, den Fernsehfilm „Drei Wege zum See“ gesehen und damals sicher noch geglaubt, daß ich einmal beim Bachmannpreis lesen werden kann und die vier bändige Werkausgabe habe ich auch einmal von meinen Eltern zu Weihnachten bekommen.
Ja und die GAV hat sich auch 1973 gegründet, aber das steht wahrscheinlich in keinen Zusammenhang zu der 1926 in Klagenfurt geborenen und 1973 in Rom verstorbenen Dichterin, deren Leben zwischen Mythos und Inszenierung jetzt vom österreichischen Literaturarchiv aufgearbeitet wurde. Wenn man bei Wikipedia nachschaut, kommt man auch auf die wichtigsten Lebensdaten, in den einzelnen Aufätzen ist es aber sicher viel genauer analysiert und vieles auch erst bekannt, war der Nachlaß ja gesperrt und wurde erst jetzt freigegeben, so daß man vieles erst jetzt erfährt. Ich habe ein bißchen schon 2006 erfahren, als ich beim Bachmann Symposium zum achtzigsten Geburtstag der Dichterin war und vor zwei Jahren habe ich mir von den zu meinem Geburtstag von Roman Gutsch bekommenen Gutschein den Briefwechsel Ingeobrg Bachmann Paul Celan gekauft und einiges von der Dichterin und ihren Traumatisierungen erfahren, ihr Kriegstagebuch ist auch erst jetzt herausgekommen und der Band mit den Hörspielen, die sie für die Radiofamilie geschrieben haben soll, als sie Redakteurin beim Sender rot weiß rot war. Mythos Bachmann, wo fange ich an, weil es ja wenig Sinn macht, die wissenschaftlichen Aufsätze der Reihe nach zu zitieren, aber wenn ich nur meine persönlichen Eindrücke wiedergebe, hätte ich das Buch nicht lesen brauchen, das aber, um nicht mißverstanden zu werden, sehr interessant war und ich jeden nur empfehlen kann, wenn ich mich auch über einige der Artikel, beispielsweise über den vom Rauchen etwas wunderte und dachte, die Wissenschaft ist auch nicht mehr das, von dem man glaubt, daß sie es einmal war. Es beginnt aber mit der Aufzählung der verschiedenen Biografien und sehr schön finde ich auch die vielen Bilder, die es darin zu sehen gibt, auch wenn in dem Artikel „Zur fotografischen Konstruktion einer Dichterin“ angeführt wird, wieviele Bachmann Bilder man findet, wenn man zu Google geht. Es gibt einige Biographische Portraits, darunter eines von einer Sigrid Weigl und da tat ich mir etwas schwer, die nicht mit dem Hans Weigl zu verwechseln, der ja auch seine Rolle als Bachmann Entdecker spielt und bei einem meiner Geburtstagsfeste habe ich von der Lisa Sedl eine Fotokopie geschenkt bekommen, wo Hans Weigl seine Enttäuschung über die Ingeborg äußert, weil sie sich politisch engagierte und ein Buch hat er auch über sie geschrieben, die „Unvollendete Symphonie“, das ich gerne einmal in einem der Bücherschränke finden würde und Max Frischs „Montaux“ habe ich schon gefunden und steht auf der Leseliste für dieses Jahr.
Fangen wir es aber biographisch an und verlassen ein wenig das Mythos-Buch. Denn da wurde 1926 in Kärtnen ein Mädchen geboren und hat bald den zweiten Weltkrieg erlebt. 2003, zum vierzigsten Todestag war ich im Radiokulturhaus bei einer Bachmannveranstaltung und da war ein älterer Stammbesucher, der sich bei Isolde Moser, der Bachmann Schwester beschwerte, warum sich Ingeborg Bachmann nicht gegen die Nazis engagierte, worauf sie erstaunt sagte, „Aber meine Schwester war da ja ein Kind?“
Auch ein Bachmann Mythos, die kleine Ingeborg wird in der Kärntner Provinz oder in der Ostmark, wie das damals hieß, als BDM Mädchen erzogen worden sein und war 1945 als der Spuk zu Ende war, wahrscheinlich höchst traumatisiert, wie in dem „Kriegtagebuch“, das jetzt erschienen ist und 2006 im Palais Palfy ausgestellt wurde, nachzulesen ist. Sie ging dann bald nach Wien um Philosophie zu studeren und war mit 24 mit der Dissertation über Martin Heidegger fertig, 1953 erschien ihr erster Gedichtband „Die gestundete Zeit“.
Hans Weigl, Hermann Hakel und die anderen damaligen literarischen Entdecker haben sie entdeckt und in dem Buch „Mythos Bachmann“ wird auch genau analysiert, ob die junge Inge jetzt an ihrer Selbstinzenierung gearbeitet hat. Ob sie wirklich so schüchtern war und so unbeholfen oder ob sie ihre Taschentüchlein, Kämme, etc nur fallen ließ, wenn drei Männer um sie herumstanden und ein vierter Männerkopf irgendwo auftauchte und die dann beim Aufheben prompt zusammenstießen, so steht es in dem Buch. Wenn die Ingeborg dann ihre Förderer verlassen hat, waren die tief enttäuscht und schrieben zum Teil Romane über sie, wie Hans Weigl und die möglicherweise Tramatisierte und vielleicht von ihrem Vater Mißbrauchte hat sich auch mit vielen Männern versucht. Mit Paul Celan, Max Frisch, Hans-Werner Henze etc. Die Verstörung ist in dem Briefwechsel Celan-Bachmann nachzulesen und wurde von mir schon besprochen. Max Frisch scheint sie sehr zerstört zu haben, so daß sie psychiatrische Behandlung brauchte und in einem Bildband, auf Wunsch der Familie seine Bilder nicht auftauchen durften und dann gibt es noch einen Adolf Opel, dessen Buch über die Ägyptenreise, mir einmal Trude Kloiber zum Geburtstag brachte und den ich vor kurzem im Amerlinghaus gesehen habe. Der ist auch irgendwie in den Bachmann Mythos verwickelt oder hat an ihm mitgewirkt. Sie ist aber 1953 nach Rom gegangen, vorher hat sie beim Sender-Rot-Weiß-Rot, wie schon erwähnt gearbeitet und bei der Gruppe 47 hat sie gelesen und bald einen Preis gewonnen. 1954 erschien ihr Titelbild im „Spiegel“ und da wird in dem Buch wieder analysiert, ob sie jetzt eine hilflose oder selbstbewußte Frau war, angeblich beweisen die Fotografien das zweitere. Sie war auch sehr mondän und wollte eine Diva, wie die Callas werden, ließ sich in Rom in ihrer Küche fotografieren und kann ja nicht, steht in dem Buch, so hilflos gewesen sein, sonst hätte sie es literarisch nicht so weit gebracht. Sie war aber medikamentenabhängig und in psychiatrischer Behandlung und ist im September 1973 wahrscheinlich deshalb mit der Zigarette eingeschlafen, weil sie bis hiundert Medikamente täglich genommen haben soll und weil das die Ärzte nicht wußten, als sie mit Verbrennungen in die Klinik eingeliefert wurde, wurde sie falsch behandelt. Und sie war sehr bald eine der bekanntesten Lyrikerinnen, als sie sich aber der Prosa zuwandte und beispielsweise, die „Todesarten“ geschrieben hat, haben sich die Herren wie Marcel Reich-Ranicky von ihr abgewandt und sie als eine „gefallene Dichterin“ bezeichnet. Aus der Traumszene in „Malina“ wird ein Inzest durch den Vater interpretiert und weil sie am „Todesartenzyklus“ schrieb wurde spekuliert, daß ihr Tod ein Selbstmord war etc.
Viel ist über die Dichterin zu sagen und natürlich, daß 1977 einer der inzwichen begehrtesten Literaturpreise oder der schönste Betriebsausflug am Wörthersee nach ihr benannt wird, der wahrscheinlich nicht viel mit ihr zu tun hat, den aber alle gewinnen wollen. Ich wollte das auch einmal und habe 2009 den „Wunderschönen Tintentraum“ geschrieben und mich sowohl auf den Preis als auch auf Ingeborg Bachmann dabei bezogen und in „Wilden Rosenwuchs“ geht es auch um eine weißhaarige alte Frau in einem Blumenmusterkleid, die beim Bachmannpreis auftaucht und sich in die erste Reihe setzt.
„Mythos Bachmann“ ist ein interessantes Buch, das zeigt, daß man in die großen Dichter vielleicht nicht so viel hineininterpretieren soll, denn, daß das Roman- oder Gedicht- Ich nicht unbedingt autobiografisch ist, lernt man schon in Schreibseminaren und, daß man junge Frauen und Männer sehr überfordert, wenn man sie in den Himmel hebt, ist klar und zeigt auch das Beispiel Helene Hegemann, von der man im Augenblick nichts mehr hört. Kein Dichter sollte sich, um Höchstleistungen zu erzeugen, so unter Druck setzen, daß er hundert Tabletten täglich braucht sind aber natürlich sehr sensibel, sonst wären sie ja keine, also ein bißchen mehr aufpassen, Leser, Kritiker, Verleger, Förderer damit das beim nächsten Fräuleinwunder nicht wieder so passiert!
Es las sich leichter, als ich eigentlich dachte und man erfährt viel über die Dichterin. Und wenn man schon ein bißchen über sie weiß, kann man sein Wissen ergänzen und natürlich auch die Werke wiederlesen.
Die Fotografien finde ich wie beschrieben sehr interessant, ein paar Gedichte sind auch darin zu finden. Michaela Falkner hat ein Manifest über sie geschrieben und Kerstin Hensel, die ich über die GAV kennenlernte und die 1989 in Klagenfurt gelesen hat, hat geschrieben, daß man sich in der DDR zusammensetzte und die Dichterin „Ingeborg“ nannte, deren Werke es zwar gab, die von der Regierung aber als bürgerlich bezeichnet worden war und Evelyn Grill, die sie, wie ich nie persönlich kennenlernte, fragt sich, ob sie eine Dame war?

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