Es geht gleich weiter mit dem Wienbezug, den Grundbüchern und den Klassikern, ist Friedrich Torbergs „Tante Jolesch“ ja auch ein Buch aus dem Bücherkasten, das ich erst nicht lesen wollte, weil ich den „Untergang des Abendlandes in Anekdoten“, für ein Klamaukbuch gehalten habe, die berühmten Zitate, wie „Alles was ein Man schöner als ein Aff ist“ oder „Gott soll einem hüten vor allem was noch ein Glück ist“, waren schuld, daß ich dachte, das interessiert mich nicht. Dann war ich vor ein paar Jahren in der Torberg-Ausstellung im Jüdischen Museum, wo ich meinen Schirm verlor und voriges Jahr war es bei den Grundbüchern in der Alten Schmiede, so daß ich dachte, das ist eigentlich doch interessant, denn Geschichten aus den Dreißigerjahren faszinieren mich sehr und es geht nicht nur, um eine Tante und ihre witzigen Aussprüche. Geht es auch nicht, denn es zeichnet ein Bild von einer untergegangenen Welt, die es nicht mehr gibt. Torberg wurde, wie er in seinem Vorwort beschreibt, 1908 in Wien geboren und war, als die Monarchie unterging, zehn und und dreißig, als es Österreich nicht mehr gab und er zuerst in die Schweiz flüchtete. Das Buch wurde, glaube ich, 1977 geschrieben und ich erinnere mich auch, daß sie in der Alten Schmiede sagten, daß es die Verlage nicht haben wollten, weil sie dachten, das interessiert doch niemanden mehr. Dann wurde es so ein Erfolg, gehört zu den Grundbüchern und den geflügelten Worten und zeichnet in Andekdoten ein Wien, das ich, als 1953 geborene, nicht mehr gekannt habe und Torberg setzt in seinen Kapiteln, den untergegangenen Menschen, seiner Familie, Freunden, aber auch Künstlern, Schriftstellern, Schauspielern, etc. ein Denkmal. Es gibt verschiedene Kapitel, die alle Facetten beschreiben. Nach dem Geleit, wird die Tante Jolesch beschrieben und erklärt, daß sie sich aus mehreren Typen zusammensetzt, das reale Vobild aber 1932 gestorben ist und sie entstammt dem jüdischen großbürgerlichen Milieu, das in Wien oder Prag lebte, in beiden Städten ist auch Torberg aufgewachen, in Häusern, wo man die Schneiderin und den Friseur kommen ließ und schon einmal snobistische Ansprüche hatte, die dann in einer eigenen ebenfalls untergegangenen Sprache ausgedrückt wurde. Die wird dann im „Excurs über das Wörtchen „was“ beschrieben. „Onkel, Neffen, Rabbiner und komische Käuze“ kommen vor.
Ein Kapitel widmet sich dem Bridgespielen, das in den Dreißigerjahren in den Kafeehäusern offenbar fleißig betrieben wurde. Eine Andektode gilt dem alten Schwarz, dessen Tochter das auch tun wollte, aber eine Frau „spielt nur Bridgespielen“, sagt der Vater, so haben sie sich getrennt, der Krieg hat sie wieder zusammengebracht.
Dem Kaffeehaus sind natürlich auch einige Kapitel gewidmet, in Wien gab es da ja das Griensteidl, das Cental, das Herrenhof und das Prager Tagblatt und seine Redakteure sind ebenfalls sehr wichtig. Viele inzwischen vergessene Namen tauchen auf und dann wieder die, die man kennt. Franz Molnar ist ein Kapitel gewidmet, Alfred Polgar, Egon Kisch, etc, tauchen immer wieder auf. Im Anhang gibt es ein paar schon in den Fünfzigerjahren erschiene Artikel, so wird die Konditorei Demel genau beschrieben, die Demelianerinnen mit ihren schwarzen Kleidern, die „haben schon gewählt“, sagen und wer ein echter und ein falscher Demelianer ist, die echten wurden schon als Kind von ihren Großeltern, dort eingeführt. Die Geschichte von der echten und der falschen Sachertorte und den Tortenstreit gibt es und da ist interessant, daß das die Streeruwitz in ihren „Verführungen“ auch erwähnt und die schildert ja ein bißchen das untergegangene Wien, was ich ein bißchen klischeehaft empfand. Aber natürlich interessiert es mich zu hören, wie es damals war, obwohl es ja nicht unbedingt meine Welt ist und der Herr Torberg auch ein bürgerlicher, wahrscheinlich konservativer Dichter war, der in den Siebzigerjahren das Kulturleben prägte und vielleicht auch einiges verhindert hat, was ich gern gehabt hätte, interessant aber, daß ich beide Bücher an dem Tag gelesen habe, als ich in Wien lesend herumgefahren bin und zufälligerweise auch sehr klischeehaften Orte, nämlich Schönbrunn mit all den Wien Touristen und den Prater, der ja auch ein Wienträchtiger Ort ist, dafür aussuchte und bin froh, daß ich sie auf meine Leseliste nahm, denn das untergegangene Wien interessiert mich sehr, wenn ich auch weiß, daß es auch ein anderes gegeben hat, nämlich das der Arbeiter und der armen Leute und das interessiert mich ebenfalls.
Die Tante Jolesch
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