Literaturgefluester

Verführungen

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Das nächste Buch auf meiner Leseliste und das erste meines Pfingst-Lesemarathons ist Marlene Streeruwitz „Verführungen“, ihr 1996 erschienener Roman, der noch den etwas seltsamen Titel „3. Folge Frauenjahre“ trägt, weil es die ersten beiden Folgen offenbar nicht gibt. Das Buch habe ich, glaube ich, an dem Tag gefunden, als der Bücherschrank im Hegerpark eröffnet wurde, es aber nicht gleich auf die Leseliste gestellt, denn Marlene Streeruwitz lesen ist schwierig, lautete das Vorurteil. Für 2012 habe ich es dann doch getan und inzwischen warten noch einige Streeruwitz Romane, habe ich im Wortschatz, ja einige sehr interessante Bücher „Lisas Liebe“, „Majakovskiring“, Jessica 30″ gefunden und die „Schmerzmacherin“, die mich inzwischen auch sehr interessiert, bei der literarischen Soiree gewonnen. „Partygirl“ habe ich bei Buchlandung einmal um einen Euro gekauft und gelesen und einen Roman zum Prekariat hat es im Internet auch einmal gegeben, den ich eifrig verfolgte. Zählt Marlene Streeruwitz ja neben der Jelinek zu den berühmtesten österreichischen Autrinnen, um bei den sozialkritischen zu bleiben und wenn ich manche Streeruwitz Argumentationen in Interviews nicht folgen und verstehen konnte, „Verführungen“ war eigentlich sehr einfach zu lesen, besteht es ja aus sehr kurzen Sätzen „Helene mußte in die Schule“, „Die Geschirrspülmaschine war kaputt“, „Das Cafe Sacher war leer“, wird etc, die Handlung aneinandergereiht und hat gleich einen fulminaten Beginn. Da wird die Hauptperson, die dreißigjährige Helene Gebhart, die zwei Kinder hat, von ihrem Mann getrennt lebt und sich versucht als Assistentin einer PR-Agentur durchzuschlagen von ihrer Freundin Püppi aus dem Bett geholt „Helene müße zu ihr kommen. Sofort. Dringend“, weil die offenbar immer wieder Selbstmordversuche macht, Helene läßt die Türe zu der Wohnung der Großmutter, der Mutter ihres Ḿannes, die nebenan lebt, offen und fährt los, genau werden die Straßen und die Polizeiautos, die sie dabei trifft beschrieben, in der Wohnung sitzt das thailändische Kindermädchen am Boden und ein Freund Püppis, ein Kunsthändler beugt sich über das Bett der vierjährigen Tochter, während Püppi in der Badewanne sitzt und telefoniert. Dann kommt noch ein Mann, nämlich Jack the Ripper, denn Püppi sogar heiraten will, später verschwinden dann ihre Diamantringe.
Dabei hat Helene andere Sorgen, hat sie ja jung geheiratet, wegen der Kinder ihr Kunstgeschichtestudium aufgegeben, dann hat sie Gregor, ein Mathematiker mit seiner Sekretärin betrogen und jetzt ist er nicht da. Helenes Eltern wissen noch immer nicht, daß sie getrennt sind, die Kinderbeihilfe kommt immer noch auf sein Konto und die Bank macht Helene das Leben schwer, denn sie kann nicht mit Geld ausgeben, geht ins Sacher oder in den Stadtpark essen und bezahlt 1989 schon mal fünfzig Schillig für eine Melange, außerdem hat sie einen Freund, einen Musiker, der Schwede genannt, der dauernd von Italien zu ihr kommt und sie für sich bezahlen läßt, so daß Helene schon einmal ihren Schmuck ins Pfandhaus trägt. Trotzdem macht viel für ihre Kinder, zwei Mädchen, von denen eine ständig den Daumen im Mund hat, die zweite sich in Turnen nicht traut, die Füße in den Ringen hängend über den Kopf zu geben, weshalb die Turnlehrerin eine Psychotherapie empfiehlt. Die Schwiegermutter kümmert sich einerseits um die Kinder, andererseits gibt es Schwierigkeit mit dem Telefon, das sie nicht bezahlen will und der Göttergatte Gregor taucht nur auf, um Helene zu befehlen Kaffee zu kochen und wenn sie sich weigert, sie zu beschimpfen. Er droht ihr auch ihr die Kinder wegzunehmen und will, als Helene dann doch zu einem Anwalt geht, fünfzehntausend Schilling Miete, wenn bei ihr in seiner Wohnung ein Mann lebt, hat er ja einmal den Schweden bei ihr getroffen.
In der PR-Agentur geht es auch um obskure Aufträge, da soll ein Magnetpflaster beworben werden, wofür Nacktaufnahmen nötig sind, die Helene organisieren muß und die Sekretärin hat eine Katze mit Leberkrebs von deren Sterben sie Helene immer wieder erzählt. Der Stil ist sehr realistisch, dann wieder ein bißchen altmodisch, an die Bachmann, vielleicht sogar an Joseph Roth oder Friedrich Torberg erinnernd. Verkehrt ja Helene ständig im Hotel Sacher, im Kalb ect. Sie ist auch die Tochter eines Ministerial- oder Regierungsrat der in Hietzing lebt, also aus dem gehobene bürgerliche Milieu, trotzdem zeigt es sehr deutlich die Unterdrückung der Frau und Helene wird einerseits sehr passiv naiv geschildert, so läßt sie sich von ihren Männern ausnützen. Andererseits stragelt sie sich ab, dem Mutterideal nachzukommen, mit Geld kann sie nicht umgehen, sie trinkt auch sehr viel, nimmt Medikamente, hat aber auch ständig Regelschmerzen und blutet dem kindergelähmten Physiker, der diese Magnettherapie erfunden hat, den Sessel voll. Sie bekommt nach dem Liebesakt auch mal eine Fieberblase und muß vom Schweden geretten werden. Es gibt auch wieder sehr packende eindrucksvolle Szenen, zum Beispiel, die die Sekretärin und ihre kranken Katze beschreiben und was den Torberg betrifft, der als nächstes auf meiner Leseliste steht, da ist interessant, daß beide die echte Sachertorte beschreiben, die unter der Glasur Marmelade hat, während die falsche in der Mitte aufgeschnitten wird. Ein bißchen Wien-Klischee für die deutschen Leser gibt es also auch und ich war überrascht über den realistischen Stil, so ähnlich schreibe ich nämlich auch, wenn auch die bürgerlichen Klischees wahrscheinlich fehlen und bin der Streeruwitz ein bißchen näher gekommen, so daß ich mich schon auf das Lesen der anderen Bücher freue.

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