Literaturgefluester

Finstere Zeiten

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Petrus Markaris „Zur Krise in Griechenland“, das Büchlein, das ich ein paar Tage nach meinem Geburtstag im Wortschatz gefunden habe. 2012 erschienen, neu ist es auch gewesen. Fein, denn die Krise in Griechenland interessiert mich ja sehr, so daß ich den Völlereien der Weihnachtstage, dem Gansel und dem Kalbsbraten, sowie den Weihnachtskeksen, ein bißchen was Unerfreulicheres entgegensetzen kann.
Ich weiß ja nicht, wie es den anderen geht, wenn ich in den Nachrichten von der Krise in Griechenland, Spanien, etc, der Jugendarbeitslosigkeit dort und, daß sich die Leute umbringen, weil ihnen die Banken ihre Wohnung weggenommen haben, während die EU von den griechischen Politikern eiserne Sparpakete fordern, die Renten und die Löhne gekürzt werden, die Leute deshalb auf die Straße gehen, vielleicht Steine werfen, während die Polizei mit Tränengas aufmarschiert, kann man nur den Kopf schütteln, verdrängen, das Weihnachtsgansel essen , sagen „Na uns geht es noch gut!“
Da kommt so ein Buch gerade richtig und mit der Krise nicht nur Griechenland habe ich mich auch schon beschäftigt und mit Petrus Markaris sowieso.
Das erste Mal bin ich mit ihm, behziehungsweise einem seiner Bücher „Der Großaktionär“ in Leipzig, wahrscheinlich beim Diogenes Stand in Berührung gekommen, da drängten sich eine Gruppe Buchhändler oder so, um ihre Leseexemplare, ich bin dazu gegangen und habe mit der freundlichen Dame ausgehandelt, daß sie mir auch ein Buch gegeben hat.
Damals gab es, glaube ich, noch nicht das Literaturgeflüster und das Buch hat mir gar nicht so besonders gut gefallen. Ich habe es aber gelesen und für den Thalia oder Amadeus besprochen, die ja damals einen zehn Eurogutschein für eine Leserrezension ausgaben, wenn sie sie in ihrer Zeitschrift veröffentlichten. Sie haben die Besprechung nicht genommen, ein paar andere schon, so daß ich zum Beispiel, die Lily Brett, den Andrej Kurkow und den Jonathan Safran Foer für die Gutscheine eingelöst habe, aber zurück zu dem 1937 in Istanbul geborenen Markaris, der das St. Georg College besuchte und in Wien Wirtschaft studierte, deshalb so gut Deutsch spricht, daß er sogar den „Faust“ übersetzte und auch einiges andere. So habe ich ihn bei der Literatur im Herbst gehört, als dort Griechenland das Gastland war und bei Rund um die Burg hat er in der Kriminacht glaube ich den Erzählband „Balkan Blues“ vorgestellt.
Das war noch alles vor der Krise. Die kam zwischen 2008 und 2009, solange gibt es auch das Literaturgeflüster und 2011 Petrus Markaris der Eröffnungsredner bei der Buch Wien da hat er zur „Krise ohne Perspektive“ gesprochen.Der Text ist auch in den „Finsteren Zeiten“, zusammen mit elf anderen enthalten, die zwischen 2009 und 2012 geschrieben wurden.
Bei der Buch Wien damals war Petrus Makaris auch prominent vertreten, am 3 Sat Stand lief ein Portrait von ihm und da ist auch sein erster Kostas Charitas Krisenkrimi „Faule Kredite“ erschienen, den ich mir voriges Jahr zu Weihnachten wünschte und auch gleich gelesen habe. Inzwischen gibt es einen zweiten „Zahltag“ und Petrus Markaris, der zumindestens in Deutschland als der Experte zur Griechenlandkrise gehandelt wird, schreibt auch in dem Vorwort, das mit Athen, Juni 2012 signiert wurde, daß er eine Trilogie zur Krise angelegt hat und von einer jungen Journalistin gefragt wurde, warum er soviel über die Krise schreiben würde, sie wäre dann doch schon längst vorbei, worauf der Pessimist in dem Vorwort „Eine lange Reise in die Nacht“ anführt, daß er wahrscheinlich noch einen zweiten Dreiteiler dazu schreiben muß.
„Zahltag“ habe ich nicht gelesen, ob es den dritten Krimi schon gibt, weiß ich nicht und die zwölf Krisentexte mit einem Interview statt eines Nachwortes, waren auch sehr interessant, geht Makaris ja weit in die griechische Geschichte zurück, widerlegt das Vorurteil, daß die Griechen faul wären und meint, daß es gar keine Finanzkrise, sondern eher eine politische Krise wäre, denn als er von in den Sechzigerjahren nach Athen gekommen ist, hatten die Häuser in den ärmeren Gegengen alle nur ein Stockwerk und die Leute sparten es sich vom Mund ab, einen zweiten Stock für ihre Kinder darauf zu bauen und sie hätten, wie die Regierung zu lange auf Pump gelebt. Weiters meinte er, daß Griechenland von drei Politikerfamilien jahrzehntelang regiert worden wäre und die Griechen mit der Schuldenpolitik jetzt überfordert wären.
Markaris war auch ein Gegner der olympischen Spiele von 2004 und meint schon da wäre das Geld in die falschen Kanäle geflossen. Er schreibt von einer „Kultur der Armut“, die durch diese Schuldenpolitik zerstört worden wäre, meint mit Schiller, daß „Die schönen Tage vorbei wären“ und zitiert öfter Brecht und da wären wir schon bei seiner Wiener Eröffnungsrede, wo es um die „Finsteren Zeiten“, geht.
„Wahrlich ich lebe in finsteren Zeiten!“, Verse, die nicht von einem griechischen Lyriker zur Krise, sondern von B.B, „An die Nachgeborenen“ geschrieben wurden.
„Was sind das für Zeiten, wo Ein Gespräch über Bäume fast ein Verbrechen ist“, dann kommt er dazu, daß die Krise für die Literatur gut wäre, weil die Leute mehr Bücher lesen würden, in Griechenland aber nicht, da sitzen sie vor dem Fernseher „weil sie immer noch hoffen, von den Fernsehnachrichten und -programmen mehr üer die Krise zu erfahren, als von den Büchern.“
Im nächsten Text „In Athen gehen die Lichter aus“, gibt er Einblick in das griechische Krisenleben, wo die Leute, die nichts zu essen haben, in den Morgenstunden in den Mistkübeln wühlen und die Ärzte ohne Grenzen belagert werden, weil sich die Diabetiker ihr Insulin nicht leisten können.
Jeder zweite junge Grieche, die meist studiert haben, ist arbeitslos und einige davon habe aus Protest im Mai, die Partei der Neonazis „Goldene Morgenröte“ gewählt, nicht weil sie Nazis wären, sondern weil sie der Regierung eines auswischen wollten. Viele junge Griechen, wie auch Markaris Tochter gehen nach Istanbul arbeiten und die Albaner gehen nach Albanien zurück.
Ein paar Texte beleuchten die Wahl und da war ja auch bei der letzten Maikundgebung einiges zu hören. Am Schluß gibt es das Interview, das für das Diogenes Magazin im Herbst 2011 geführt wurde, wo Makaris ein bißchen seinen Werdegang schildert und erzählt, daß er jetzt ständig von Reportern zur Krise befragt wird, obwohl er eigentlich seine Ruhe haben möchte und ich weiß am Ende des Buches zwar auch nicht, wie wir die Krise überwinden können, ich bin da eigentlich sehr pessimistisch und sehe Vergleiche zu den Dreißigerjahren des vorigen Jahrhunderts, habe aber einiges über die Geschichte erfahren, was ich noch nicht wußte und da da Buch vor einem halben Jahr erschienen ist, hat es die Wirklichkeit wahrscheinlich auch schon eingeholt und vielleicht hat es der Buchhändler in der Margaretenstraße deshalb in den Wortschatz gelegt, aber das ist nur eine Vermutung von mir und als ich im Mai zu meinen Pfingsmarathon aufgebrochen bin, bin ich auch am Wortschatz vorbeigekommen und habe ein Jugendbuch aus den Sechzigerjahren aus dem Schrank genommen, wo Griechenland als die Idylle und das Sehnsuchtsparadies der Deutschen geschildert wurde und ich kann mich auch an die Siebzigerjahre erinnern, wo es schick war nach Griechenland zu fahren und dort auf den Inseln den Sommer zu verbringen und ich war einmal in den Neunzigerjahren mit dem Alfred und der Anna auf Kreta.

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