Literaturgefluester

Zwanzigste Hörspielfeier

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Zwanzig Jahre lange Nacht des Hörspiels, respektive Ö1 Hörspiel-Gala, wie es seit vorigem Jahr heißt, denn um neunzehn Uhr fünf begann es pünktlich nach den Nachrichten und um zweiundzwanzig Uhr muß es aus sein und wird dafür im Radio übertragen, so daß ich gar nicht hingehen hätte müßen, tat es aber aus guter alter Tradition und natürlich auch für das Literaturgeflüster, das ja manche schrecklich finden und beim ersten Mal vor zwanzig Jahren, als der Michael Köhlmeier gewonnen hatte, war ich mit dem Alfred ebenfalls live dabei und trauere noch heute dem guten Gulasch nach.
Aber alles fließt und ändert sich und ich muß sagen, es war schon einmal schlechter, als es diesmal war und am Ende sind mir sogar die Tränen heruntergeronnen und ich habe gedacht, schade, daß die Brigitte Schwaiger nicht mehr dabei sein kann, sie hätte sie gefreut und dazu gedacht, daß ich nicht will, daß vielleicht in fünfzig, sechzig Jahre ein möglicher rotzfrecher Enkelsohn ein Hörspiel aus einem meiner Romane macht, die Trophäe schwingt und sagt, „Die Oma hat ohnehin ganz gut geschrieben!“
Aber schön der Reihe nach, einen guten Platz ziemlich weit vorn gefunden, das war ebenfalls schon was, die Johanna Rachinger beim Begrüßtwerden beobachtet, Küßchen rechts, Küßchen links, wie das heutzutage in der Szene üblich ist, dann kam der Peter Klein, der jetzige Hörspielchef, schwenkte seine Arme und sagte „Sie müßen noch fünf Minuten warten, bis die Nachrichten zu Ende sind!“, darauf folgte Doris Glaser in einem schwarzen Abendkleid, erklärte das mit dem zwanzigsten Mal des inzwischen recht kurzen Abends, kündigte die Hörspielgala-Combo mit Wolfram Berger, Wolfgang Puschnig und Paul Urbanek an, die es glaube ich, auch schon im letzten Jahr gegeben hat und wenn ich mich nicht irre, wurden die besten zehn Hörspiele vorgestellt, vielleicht kam aber auch zuerst die Generaldirektorin der Nationalbibliothek mit ihrer Eröffnungsrede, die erklärte, was Hörspiele und Bücher gemeinsam haben.
Dann wurde die zehn besten in je einer Minute präsentiert, Christine Nöstlinger über die „Ganz armen Frauen“ war dabei, Peter Handke, wieder Magda Woitzuck, Konrad Bayer, Alfred Noll, Brigitte Schwaigers Bearbeitung „Wie kommt das Salz ins Meer“, die Peschina-Bearbeitung von der „Kapuzinergruft“, wo ich dachte, „Aha, da haben wir das Hörspiel des Jahres!“, denn der Publikumsgeschmack deckt sich oft nicht mit dem der Kritik und meist gewinnt der bekannte Namen, haben wir ja nicht mehr die Zeit unserer Roth, Musil, oder James Joyce zu lesen.
Joachim Bißmeier wurde Schauspieler des Jahres und der hat über sechzig Hörspiele in über vierzig Jahren gemacht, wurde in den Dreißigerjahren in Bonn am Rhein geboren, kam in den Sechzigerjahren nach Wien und ans Burgtheater. Da habe ich ihn wahrscheinlich in den Siebzigerjahren als Torquato Tasso gesehen, wahrscheinlich mehrmals, weil ich ja einen Roman bzw. Erzählung über die Schauspieler die in Linz in einer solchen Aufführung spielen, geschrieben habe, ein Text der für mich wichtig war, aber nie veröffentlicht wurde, so hat sich das mir eingeprägt.
Und das Hörspiel der Kritik, das über einen Räuber handelte, den es wirklich gab, einen Einbrecherkönig, der sich an einen Autor wandte, der dann einen Text daraus machte, der von Wolfram Berger live auf der Bühne dargeboten wurde, wurde auch gekürt, es war prompt nicht bei den zehn besten vom Publikum ausgewählten.
Eine Pause gab es auch, in der ich mit niemanden ins Gespräch gekommen bin und danach die Präsentation des besten Kurzhörspiels, das diesmal nicht im Klangtheater sondern übers Internet gewählt wurde und die Preisträgerin, die sich Kopf an Kopf gegen das Zweitgereihte durchgesetzt hat, ist vor mir gesessen.
Dann wurden schon die drei Preishörspiele präsentiert. Die Nöstlinger mit ihrem Spinat, den alle hundert Hausparteien in der Gemeindewohnung am Donnerstag über oder untereinander kochen, landete auf Platz drei und der Roth, der ja eigentlich ein genauso schlimmes Ende hatte und in Paris elendiglich zugrunde gegangen ist, wie die Brigitte Schwaiger siebzig Jahre später in der Donau, landete auf Platz zwei und dann kam die junge rotzfreche Autorin, die schon einmal den Track 5, gewonnen hat und voriges Jahr den Publikumspreis, sich ihre Schauspieler aus Berlin einfliegen ließ und die Handlung in die Gegenwart verlegte und die Herren vom ORF haben den 1977 erschienenen Roman allen Ernstes als den besten Nachkriegsroman bezeichnet.
Nun ja, ich kann mich noch gut an das Jahr 1977 in der Otto Bauergasse erinnern, der Krieg war lang vorbei, der Roman ist plötzlich dagewesen und irgendwer hat behauptet, daß die Schwaiger damit den ersten Bachmannpreis gewinnen wird, der Torberg hätte es ihr gerichtet. Sie ist aber gar nicht angetreten, dann ist sie wieder abgestiegen und ich habe sie einmal am ersten Mai mit der roten Nelke auf dem Rathausplatz getroffen, wo sie die Ruth oder die Ruth sie angesprochen hat.
Schade, daß sie das nicht mehr erleben konnte, aber vielleicht hätte sie sich genausowenig gefreut, wie ich in sechzig Jahren über ein Hörspiel eines möglichen rotzfrechen Enkels, weil dann wärs ja nicht mehr mein Buch?
Nachdem die Preisträgerin ihre Trophäe erhalten hatte, wurde Brigitte Schwaigers Bild projeziert und ein Satz von ihr gesendet, den man am Donnerstag im ganzen Interview von Michael Kerbler, das glaube ich, auch im Sommer 2010, als man ihre Leiche in der Donau fand, gesendet wurde, hören kann.
„So kommt das Salz ins Meer, Brigitte!“, hat damals jemand gebloggt und ich finde es trotzdem schön, daß dieses Hörspiel gewonnen hat, habe dann im Foyer noch die andere Brigitte, die Nachbarin der Lindners und Helma Giannone getroffen, die mich fragte, wieviel Trinkgeld ich an der Garderobe geben werde?
Das Hörspiel des Jahres wird am Samstagnachmittag übertragen, der Kritikerpreis folgt am Dienstag und die Kurzhörspiele kommen auch.

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